Dublin

Katholische Schüler in Irland am stärksten von Mobbing betroffen

Nicht nur an säkularen Schulen, auch an katholischen Schulen sind Katholiken am stärksten von Mobbing betroffen. Das zeigt eine Studie.
Irland: Katholische Schüler am stärksten von Mobbing betroffen
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Wer kennt das nicht? Man äußert seine kritische Haltung zur Abtreibung oder bekennt seinen Glauben an die Auferstehung Jesu und erntet spöttische Kommentare. Katholische Schüler können ein Lied davon singen. Dass insbesondere sie sogar von Mobbing an weiterführenden Schulen betroffen sind, beweist nun auch eine Studie des "National Anti-Bullying Research and Resource Centre" der Universität Dublin. Der Bericht erfasst die Einschätzungen je eines Religionslehrers aller weiterführenden Schulen in Irland - insgesamt 214.

Pädagogen sind besorgt über die Situation christlicher Schüler

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Während 88 Prozent der befragten Lehrer nach eigenen Angaben nicht beobachten können, dass Schüler aufgrund ihres Glaubens ausgeschlossen oder beleidigt werden, weist die Institution Schule in eine andere Richtung: Die Hälfte der befragten Schulen führt Mobbing wegen einer Glaubensüberzeugung als Problem im "Aktionsplan gegen Mobbing an Schulen" an, den die irische Regierung 2013 erließ.

Die Situation der christlichen Schüler stimmt einige Pädagogen besorgt: "Ich denke, dass Christen heute am meisten unter Beschuss stehen. Es gibt eine allgemeine Intoleranz der christlichen Weltanschauung gegenüber, die man unbedingt im Auge behalten muss", zitiert die Studie eine Lehrkraft, die anonym befragt wurde.
Doch nicht nur Beleidigungen oder Ausgrenzungen träfen insbesondere christliche Schüler, sondern auch negative Vorurteile. Hier stellen 33 Prozent der Lehrer, die Mobbing von gläubigen Schülern generell feststellen, insbesondere antireligiöses Gedankengut oder Verhalten gegen katholische Schüler heraus. So würden Katholiken beispielsweise oft als Pädophile bezeichnet werden. "Es ist inzwischen in Irland gesellschaftlich akzeptiert, dass Katholiken beleidigt oder kleingemacht werden", kritisiert ein anderer Pädagoge diesen Trend.

Auch katholische Eltern werden aus der Schulgemeinschaft ausgeschlossen

Die Juristin und fünffache Mutter Maria Steen vom "Iona Institute" in Dublin, das sich für christliche Werte einsetzt, erklärt gegenüber dieser Zeitung, dass nicht nur Jugendliche wegen ihres Glaubens gemobbt, sondern auch die Eltern der betroffenen Schüler aus der Schulgemeinschaft ausgeschlossen werden. Das beträfe inzwischen auch katholische Schulen: "Viele katholische Schulen haben inzwischen Ansichten übernommen, die eigentlich der katholischen Lehre widersprechen. Deswegen wird es gar nicht mehr als falsch angesehen, wenn Schüler, die eine andere Sichtweise als der Mainstream auf Themen wie Abtreibung oder auf die gleichgeschlechtliche Ehe haben, angegriffen werden." Seitdem die gleichgeschlechtliche Ehe in Irland eingeführt wurde, ermutigten zudem viele katholische Schulen die Jugendlichen dazu, in der "Pride-Woche" Regenbogen-Abzeichen zu tragen und damit "Inklusion und Diversität" zu feiern. Das bedeute aber, dass Schüler, die sich dem entgegenstellten, damit gegen Schulrichtlinien verstießen.

Säkularisierungsdruck in Schweden und Australien

"Die Lehrer sind zurückhaltend geworden, Schüler zurechtzuweisen, die die Sichtweisen der katholischen Mitschüler durch Ausschluss oder Beleidigungen  korrigieren  wollen, weil sie fürchten, selbst als Gegner der LGBTQ+-Rechte angesehen zu werden", so Steen. Außerdem seien manche Lehrer und Schulleiter an katholischen Schulen selbst gegen die Sichtweisen der praktizierenden katholischen Schüler, weswegen die betroffenen Eltern und Schüler befürchteten, nicht angehört und fair behandelt zu werden. Die Studie betont zugleich, dass das Mobbing von christlichen Schülern aber kein rein irisches Phänomen sei. Auch andere Länder wie Australien oder Schweden, die einst christlich geprägt waren und zusehends unter gesellschaftlichen Säkularisierungsdruck geraten, hätten mit diesem Problem zu kämpfen. Der Trend hin zu einer säkularen humanistischen Sichtweise, erläutert eine weitere befragte Person, führe dazu, dass gläubige Schüler ausgelacht würden und sich deswegen lieber gar nicht mehr äußerten.

Mobbing führt dazu, dass Jugendliche ihren Glauben nicht mehr ausüben wollen

Diese Beobachtung macht auch Kaplan Kevin McGeeney, der Religion an der katholischen Schule "Saint Cuan s College" im Großraum Galway unterrichtet: "Ich beobachte zwar kein Mobbing von gläubigen Schülern und habe auch noch nichts davon mitbekommen, aber es besteht durchaus ein gewisser Gruppenzwang." So würden Jugendliche teilweise über praktizierende gläubige Mitschüler Witze machen oder sie in Gruppen gemeinsam unter Druck setzen, indem sie sie mit Fragen zu ihren Einstellungen löcherten. Das führte dann wiederum dazu, dass die praktizierenden Katholiken ihren Glauben verstecken würden: "Ich glaube, dieser Gruppenzwang führt dazu, dass die gläubigen Schüler zweimal darüber nachdenken, ihre Glaubensgeschichte mit anderen zu teilen; es kann dazu führen, dass sie sich gar nicht mehr äußern wollen. Letztendlich kann das dann auch dazu führen, dass sie sich nicht mehr wohl mit ihrem Glauben fühlen und ihn langfristig gar nicht mehr ausüben wollen."

Jedoch gibt es auch positive Erfahrungen, die die Jugendlichen im Austausch über Religion und Glauben machen, wie eine Studie von zwei Professoren für Religionspädagogik und einer Forscherin des Bereichs Bildung aus dem Jahr 2019 zeigt. Die Befragung kam zu dem Ergebnis, dass 85 Prozent der 13- bis 15-Jährigen durch den Religionsunterricht Andersgläubige besser verstehen lernten. 71 Prozent gaben an, dass dadurch sogar ihr eigener Glaube nochmals gefestigt worden sei.

Im Religionsunterricht machen Schüler positive Erfahrungen

Gareth Byrne, Professor für katholische Pädagogik an der Universität Dublin, der an der Studie aus dem Jahr 2019 beteiligt war, erklärt sich die unterschiedlichen Reaktionen auf die Ansichten andersgläubiger Schüler mit dem jeweiligen Kontext, in dem diese auftreten: "Einerseits finden im Religionsunterricht in Irland - wie die Studie zeigt - gute Gespräche statt, die die Jugendlichen brauchen und schätzen. Sie lernen etwas über ihren eigenen Glauben, aber auch über den Glauben und die Weltanschauungen anderer. Ihr eigener Glaube - oder Unglaube - ist herausgefordert und sie lernen etwas von dem Diskurs. Dass Schüler gemobbt werden, geschieht hingegen in weniger kontrollierten Situationen: Wenn die Schüler unter sich sind, in ihren eigenen sozialen Gruppen und vielleicht auch in anderen Fächern, in denen die Lehrer nicht geschult darin sind, religiöse Konflikte zu klären."

Dieses Phänomen zeige, so Byrne gegenüber dieser Zeitung, wie wichtig ein gut vermittelter und kritischer Religionsunterricht sei. "Religionsunterricht, der die Jugendlichen auf ihrer religiösen und spirituellen Reise begleitet und ihnen hilft, sich den Überzeugungen anderer bewusst zu sein und diese zu respektieren."

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