Viele Häresien entspringen theologischen Denkfehlern. Mit anderen Worten, ihre Vertreter haben oft gesunde theologische Grundpositionen und vernünftige Anliegen, biegen dann aber auf dem Weg zur Wahrheit irgendwo falsch ab und verharren schließlich auf diesem Holzweg. Es gibt aber auch Irrlehren, die bereits an ihrer Wurzel derart verfault sind, dass ihre Entstehung nur aus ihrem kulturellen Kontext heraus erklärt werden kann.
"Prosperity gospel": eine amerikanische Erfindung
So verhält es sich auch mit dem sogenannten „Wohlstandsevangelium“, der „prosperity gospel“, wie es in den Vereinigten Staaten genannt wird, wo es seinen Hauptwohnsitz hat. Es besagt in kurzen Worten, dass ein gottgefälliges Leben in Gebet und Gehorsam materiellen Wohlstand und weltlichen Erfolg zur Folge hat, eine Botschaft, mit der man zu eben dieser Lebensweise (und meist zu entsprechenden Spenden) animieren will. Umgekehrt bedeutet das natürlich auch, dass derjenige, dem dieser Wohlstand und Erfolg verwehrt bleibt, ein schlechter Christ sein muss.
Wie bereits angedeutet, konnte eine solche Vorstellung nur im kulturellen Kontext der Vereinigten Staaten entstehen. Zwar sollte man sich hierzulande vor einem plumpen Antiamerikanismus hüten, insbesondere, wenn es um den Zustand der Kirche in den jeweiligen Ländern geht.
Wohlstandslehre passt nicht mit dem Evangelium zusammen
Aber dennoch darf gesagt werden, was schon der französische Beobachter Alexis de Tocqueville im 19. Jahrhundert über die Vereinigten Staaten schrieb: „Ich kenne in der Tat kein Land, in dem die Liebe zum Geld einen stärkeren Einfluss auf die Gefühle der Menschen hat.“ Und eben diese Liebe zum Geld kann dazu führen, dass man das wahre Ziel aus den Augen verliert. Es ist offensichtlich, dass eine solche Wohlstandslehre nicht auf dem wahren Evangelium fußen kann, nicht einmal auf einem überbetonten Teilaspekt desselben. Denn es gibt kaum etwas, was Jesus und seine Apostel so stark geißeln wie irdischen Reichtum: „Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ (Lk. 6,20); „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz […] Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt. 6,19-24); „Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben […] Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“ (Mk. 10,21-25); „Die aber reich sein wollen, geraten in Versuchung und Verstrickung und in viele sinnlose und schädliche Begierden, welche die Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet“ (1. Timotheus 6,9-10).
Sogar Jesus wurde durch materiellen Wohlstand versucht
Bei der Versuchung Jesu erscheint das Versprechen von materiellem Gut und weltlicher Macht sogar als ein Versprechen des Satans! Wäre diese Theologie zutreffend, so müsste außerdem die gesamte Geschichte des Christentums neu geschrieben werden. Denn nahezu alle großen Heiligen, insbesondere die Märtyrer, und letzten Endes sogar unser schmachvoll gekreuzigter Herr Jesus Christus selbst würden dann nicht als Vorbilder, sondern als jämmerliche Versager dastehen.
Fazit: Manche Häresien sind so falsch und so einfach zu widerlegen, dass es noch nicht einmal Spaß macht.
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