„Bevor ich Kinder bekam, hatte ich ein gutes Gebetsleben.“ Dieser Satz fasst das Dilemma zusammen, dem viele Familien gegenüberstehen, die sich bemühen, ihren Glauben in der Familie zu leben und an die Kinder weiterzugeben und sich dabei den alltäglichen Herausforderungen einer Familie gegenübersehen. Wie man in der Familie heilig werden kann, darum ging es im ersten Teil des Pastoralkongresses auf dem Weltfamilientreffen in Rom unter dem Titel "Hauskirche und Synodalität". Anders als in den vergangenen Jahren sind die Redner des Kongresses zum größten Teil Ehepaare aus der ganzen Welt, die in der Familienpastoral tätig sind.
Echter Moment der kirchlichen Gemeinschaft
Bei der Eröffnung des Kongresses erinnerte Kardinal Kevin Farrell, Präfekt des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben daran, dass die Live-Übertragung es ermögliche, das Weltfamilientreffen zu einem echten Moment der kirchlichen Gemeinschaft mit allen Familien der Welt werden zu lassen. Ehe und Familie sei eines der aktuell zentralsten Themen der Kirche: „Wie können wir besser gemeinsam handeln, damit sich die Familien der Rolle bewusst werden, die sie in der Kirche haben?“ nannte Farrell als Leitfrage.
In der ersten Konferenz sprachen Gregory und Lisa Popcak aus den USA über die Hauskirche als „echten Teil des kirchlichen Lebens“: Kirche müsse wieder mehr als Familie aus Familien gedacht werden. Bekannte geistliche Werkzeuge aus der monastischen Tradition oder dem Leben der Priester lassen sich im turbulenten Alltag eines Familienlebens nicht leicht umsetzen, so der Ausgangspunkt des Ehepaares, das bereits in 30 Ländern auf 5 Kontinenten Vorträge und Schulungen zur Hauskirche gegeben hat.
Hauskirche wurzelt in christlicher Ehe
Auf einem Symposium 2019 mit Theologen, Sozialwissenschaftlern und weiteren Experten hat das Ehepaar Popcak eine Arbeitsdefinition der Hauskirche mit zwei grundlegenden Bestandteilen entwickelt: Eine Hauskirche ist „ein Haushalt von Menschen, die durch das sakramentale Leben der Kirche mit Gott und untereinander verbunden sind und sich verpflichten, die christliche Vision der Liebe in ihren Beziehungen zueinander und zur Welt zu leben“.
Obwohl die Definition auch Alleinerziehende und Geschiedene mit einbeziehe, so bleibe die Hauskirche in zweifacher Weise in der christlichen Ehe verwurzelt: Sie gründet sich um ein verheiratetes Paar herum und steht in der Pflicht, ihre Kinder darauf vorzubereiten, selbst im Erwachsenenalter eine erfüllte christliche Ehe zu leben. Wie die Popcaks auf ihren Reisen um die Welt erleben durfte, sei dieser Ansatz ein Rahmen, der sich in jede Kultur und konkrete Familiensituation anpassen lasse.
Nach Vorbild der sinnlichen und überschwänglichen Liebe Gottes
Die Hauskirche sei keine „metaphorische“ sondern eine echte Kirche. In der Hauskirche verwirkliche sich das allgemeine Priestertum aller Gläubigen, dem das besondere, sakramentale Priestertum diene. Wenn beide fruchtbringend zusammenarbeiten, seien sie ein wirksames Gegenmittel gegen das Problem des Klerikalismus. So wie die Hauskirche ihre eigene „Liturgie“ habe, wurzele sie gleichzeitig in der Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche.
Das Ehepaar Popcak ergänzte die theoretischen Grundlagen mit praktischen Hinweisen zum Familienleben. „Family time first“ sei ein zentraler Leitsatz: Der alltägliche Rhythmus und die verschiedenen Tätigkeiten der Familienmitglieder sollten um die gemeinsame Zeit herum geplant werden. In der Familie solle man sich nach dem Vorbild der sinnlichen und überschwänglichen Liebe Gottes ausdrücklich Zuneigung und Betätigung zeigen.
Gründung von Hauskirchen als zentrale Aufgabe von Pfarreien
Die spontane, großzügige, fröhliche Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der anderen sei ein Symbol der Dreifaltigkeit, und bei der Kindererziehung biete sich der auf Bindung basierte Ansatz von Don Bosco an. Als Beispiele für Rituale nannten die Referenten gemeinsame Familienarbeit in Haushalt und Garten, die Solidarität in der Familie ermögliche und starke Bindungen schaffe. Spielrituale in Form von Spiele- oder Filmabenden oder Ausflügen füllten das Zuhause mit Freude und Lachen, Gesprächsrituale brächten das Leben mit Gott im Alltag in Verbindung und durch Gebetsrituale lade man Gott in die Familie ein.
Schließlich sei es ein Zeichen der Familie, dass sie nach außen hin im Dienst wirksam werde: durch Gastfreundschaft, Spenden von gebrauchter Kleidung oder Spielsachen, für andere da sein und durch konkrete Hilfsdienste Gottes Segen für andere werden, gemeinsames Engagement in Gemeinden. Abschließend hoben die Referenten hervor, die Familienpastoral in den Pfarreien solle die Gründung von Hauskirchen als Hauptaufgabe ansehen.
Ergänzung der Berufungen
An jede Konferenz schließen sich Foren an, bei denen Referenten aus verschiedenen Ländern, die sich in der Familienpastoral engagieren, das Thema vertiefen. Das erste Forum widmete sich dem Zusammenwirken von Ehepaaren und Priestern sowie dem Aspekt der Gemeinschaft zwischen Familien. Die Referenten erläuterten anhand konkreter Beispiele aus der Praxis, wie sich die beiden Berufungen ergänzen und so miteinander die Kirche aufbauen.
Jerome und Jeannette Daher aus dem Libanon stellten ein Modell für Ehepaargruppen vor, in denen Gemeinschaft erfahren werden kann. Auch für Familien sei es notwendig, sich nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen Familien auszutauschen und Gemeinschaft zu leben. Das Modell beruht auf festen Treffen von Kreisen von bis zu sechs Ehepaaren vor, die ein- bis zweimal im Monat stattfinden. Feste Elemente der Treffen sind Gebet und Lobpreis, Bibellektüre, Gebet füreinander sowie eine Weiterbildung zu praktischen Themen, wie den Herausforderungen des Ehelebens und Erziehung.
Dialog zwischen den Generationen
Das zweite Forum stand unter dem Fokus „Junge und Alte zusammen für die Kirche von morgen“. Es ging um die grundlegende Rolle der Großeltern innerhalb und außerhalb der Familie, die Rolle der Jugendlichen und der Großeltern auf dem synodalen Weg des Dialogs zwischen den Generationen sowie um die Seelsorge für Großeltern und Senioren.
Christopher M. Bellitto aus den USA zog die Bibel als Schatztruhe für die Weisheit und Erfahrungen des Alters heran. Er rief die Jugendlichen dazu auf, mit ihren Großeltern zu sprechen und die Geschichten per Audio oder Video zu dokumentieren. Das Ehepaar Vincenzo Bassi und Carla di Lello bezeichnete die Einsamkeit als die eigentliche Krankheit unserer Gesellschaft. Dagegen sei die Familie das beste Heilmittel.
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