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Freundschaftlich verbunden

Der Heilige Stuhl und Deutschland feiern den Beginn ihrer diplomatischen Beziehungen vor hundert Jahren.
Empfang des Diplomatischen Corps in Berlin
Foto: Bernd Von Jutrczenka (dpa) | Der päpstliche Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, beim traditionellen Empfang des Diplomatischen Corps im Bundeskanzleramt in Berlin.

Während Expertise aus Rom auf dem Synodalen Weg unerwünscht ist, schätzt man heute im Auswärtigen Amt die Diplomaten des Papstes. Es sind umgekehrte Verhältnisse, wenn man an den Anfang der jungen Geschichte des deutschen Nationalstaats und seiner Beziehungen zum Heiligen Stuhl denkt. Im 19. Jahrhundert stand die katholische Kirche in Deutschland blendend da, die Beziehungen zwischen dem Papst und jungen Staat waren jedoch am Gefrierpunkt. Schon bald nach der Reichsgründung wurden Katholiken zu Reichsfeinden und der Papst als Drahtzieher staatsfeindlicher Agitation gebrandmarkt – an einen Besuch eines Kardinalstaatssekretärs oder gar Papstes war ohnedies nicht zu denken. Erst mit der Beendigung des Kulturkampfes konnte das alte Feindbild des römische Papstes, seiner Jesuiten und Emissäre abgebaut werden. Aber nicht einmal unter dem katholophilen Wilhelm II. konnte eine Apostolische Nuntiatur in Berlin eingerichtet werden.

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Neue Wege

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass erst der Zusammenbruch der alten Ordnung und der Ausbruch der Republik den Weg für diplomatische Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland ebneten. Mag ihre Diplomatie während des „Dritten Reichs“ heute auch Gegenstand von Disputen sein, beide Akteure haben sich seit der Etablierung der Nuntiatur in der Bundesrepublik wechselseitig als verlässliche Partner kennengelernt, die in vielerlei Hinsicht weltweit auf dem diplomatischen Parkett zusammenarbeiten, trotz aller weltanschaulichen Differenzen. Der kürzliche Besuch des Bundesaußenministers Heiko Maas in Rom hat das wieder unterstrichen, zumal er im Hinblick auf Lateinamerika die Kenntnisse der Diplomaten des Vatikan besonders schätzen soll.

Große Spannungen

Doch es wird nicht nur zu feiern geben. Der Besuch des Kardinalstaatssekretärs Pietro Parolin zum Nuntiaturjubiläum in Berlin fällt in eine Zeit großer Spannungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der katholischen Kirche in Deutschland.

Die Reformagenda des Synodalen Wegs hat ein gegenseitiges Fremdeln eintreten lassen. Versteht man sich noch? Das ist eine hinter vorgehaltener Hand nicht selten gestellte Frage. Und die schleppende Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, eine Apostolische Visitation in Köln oder ein zurückgehaltenes Missbrauchsgutachten in München – all das sind Themen, mit denen der Kardinalstaatssekretär bei seiner Visite in Berlin von der deutschen Öffentlichkeit konfrontiert werden wird. Parolin wird mit vielen positiven Eindrücken, aber auch einigen gewichtigen Aufgaben nach Rom zurückkehren und Papst Franziskus berichten müssen.  

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