Das Votum eines „Ökumenischen Arbeitskreises“ von 2019, „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ (GTH), fand am 18. Mai eine neue „Würdigung“ seitens einiger katholischer Bischöfe – ein Anlass, sich mit ihm nochmals zu befassen.
Der ökumenische Text begründet zunächst das Begehren von „Interkommunion“: „Die Trennung am Tisch des Herrn (wird) als besonders tiefer Schmerz erfahren. Ihre Überwindung gehört zu den vordringlichen Zielen der ökumenischen Verständigung“ (GTH 2, 6). Fraglos verursacht die Wunde der Spaltung großes Leid unter Christen. Doch sie kann nicht geheilt werden, indem die Weichen für Äußerlichkeiten neu gestellt werden. Schließlich ist die theologische Wahrheit von der Eucharistie betroffen, näherhin der Glaube derer, die zu diesem Tisch hinzutreten. Wie steht es um ihn?
„Das ist mein Leib“: Realpräsenz oder Symbolik?
Das vorgelegte Votum erwähnt zwar, dass fruchtbarer Eucharistie-Empfang vom Glauben des Christen abhängt, stellt aber zur theologischen Bestimmung der eucharistischen Gabe (fides quae) lediglich fest, die „Selbstvergegenwärtigung Jesu Christi“ hätte „in der Gemeinschaft am Tisch des Herrn“ ihren „dichtesten Ausdruck“ (GTH 2, 4). Eine theologische Qualifizierung des eucharistischen Brotes unterbleibt. Der Begriff „Transsubstantiation“ erhält viel Interesse, dient aber den Autoren – anders als im Konzil von Trient (DH 1652) – nicht zur Bezeichnung der gewandelten eucharistischen Gaben, sondern wird auf das „Abendmahlsgeschehen“ als Ganzes bezogen. Wollten die Autoren den Eucharistie-Empfang etwa in die „Metaphorik“ verweisen? Auch eine solche Umdeutung wird einmal eingeworfen mit Verweis auf die Brotrede bei Johannes (6, 63: „das Fleisch nützt zu nichts“) – angeblich als „eine Tradition“ (GTH 3, 7). Dann jedoch müsste die Logik schlicht fragen: Warum soll man zum Tisch des Herrn hinzutreten, wenn der Empfang ohnehin keinen Realitätscharakter hat?
So bleibt in der Stellungnahme völlig vage, was ein Christ als die empfangende Gabe zu glauben hat – ein Kunstgriff, der angesichts der allseits verwaschenen Vorstellungen eine generelle Zulassung gewiss sehr erleichtert.
Der Glaube an die wahre Gegenwart Christi
Der Glaube an die wahre Gegenwart Christi unter den Gestalten von Brot und Wein, die sogenannte Realpräsenz, ist Teil der katholischen Lehre (vgl. KKK 1373ff.). Sie wird für Katholiken aus ökumenischen Gründen keineswegs belanglos. Sie neu zu bestätigen, soll nur Romano Guardini zu den biblischen Einsetzungsberichten zitiert werden: „Um den Sinn dieser Worte haben fast zwei Jahrtausende gebetet, gedacht und gekämpft. Wenn wir also fragen, was sie bedeuten, wollen wir uns zunächst klar werden, wie wir sie nehmen wollen. Die Antwort kann nur lauten: ganz schlicht; so wie sie dastehen. Der Text meint genau das, was er sagt. Jeder Versuch, ihn ,geistig‘ zu verstehen, ist Ungehorsam und führt in den Unglauben“ (R. Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, 437).
Die mangelnde Eindeutigkeit des Votums ist beklagenswert. Äußerliche Teilnahme am Mahl kann nämlich auch gnadenlos bleiben. Die erwähnte johanneische Rede hat ihr positives und negatives Kriterium im Glauben. Wer ihn verweigert, entscheidet: „Was er sagt, ist unerträglich“ (6, 60). Ohne die Annahme von Jesu Wort, in der Eucharistie leiblich präsent zu sein, verliert Kommunizieren Sinn und Ziel.
Frühe Kirche: „Kommunion-Briefe“ zur Identifikation
Wenn die theologischen Konturen von Christi Realpräsenz verunklären, entschwindet das Gewicht, das der Kommunion-Empfang in der frühen Kirche hatte. Es tritt zuverlässig zutage durch die sogenannten „Kommunionbriefe“ (L. Hertling, Communio und Primat, in Miscellana Historiae Pontificatus, Roma, 1943, 1–48). Diese waren seit der Zeit der Apostolischen Väter über Jahrhunderte hin der Identifikationsausweis der Christen, falls diese in andere Regionen und Länder reisten. Sie zeigen eindrucksvoll, dass die Kirche kein authentischeres konfessionelles Bekenntnis kannte, als den in ihrer Messe konsekrierten Herrenleib zu empfangen.
So berichtet Sophronius, im 7. Jahrhundert Patriarch von Jerusalem, von einem Christen, der aus einer Abspaltung zur Großkirche übertreten wollte, obwohl er die Rache seiner Ursprungs-Gemeinde fürchtete. Als diese aber erfuhr, er hätte bei der katholischen Messfeier die Eucharistie empfangen, gab sie nach. Sein Übertritt war besiegelt. Der Historiker L. Hertling konstatiert, in solcher Praxis werde die Grundauffassung der frühen Kirche greifbar: Die sakramentale Kommunion sei das Zeichen und geradezu die Wirkursache der kirchlichen Gemeinschaft, genauer gesprochen, die Wirkursache der Eingliederung in die Gemeinschaft.
Die Pastoral der frühen Kirche belegt demnach glänzend den unüberbietbaren Rang des Glaubens an den gegenwärtigen Christus und demzufolge den des Kommunizierens. In den maßgeblichen ersten christlichen Jahrhunderten wäre folglich eine „eucharistische Gastfreundschaft“ für nicht-katholische Christen widersinnig gewesen. Denn jeder Kommunizierende gehörte nach dem Empfang unumgänglich zu der Gast-Gemeinschaft.
Man sagt euch: der Leib Christi.
Und ihr antwortet: Amen.
Seid denn Glieder des Leibes Christi,
dass euer Amen wahr sei.
Kirchenväter: Der Ursprung der Kirche ist sakramental
Neben der Sakramententheologie erhebt auch eine zutreffende Ekklesiologie Einspruch gegen das genannte Votum. Während das Taufsakrament eher Individual-Charakter hat, betont die Eucharistie den Vorrang des Kommunitären: Die Glaubensgemeinschaft ist das Subjekt, das einen Empfang des Herrenleibes einräumt. Sie handelt freilich nicht aus eigenem Vermögen; es ist vielmehr der Herr selbst, der sie eucharistisch schafft. So besteht eine unlösbare Verwiesenheit der Glaubens-Gemeinschaft auf die Eucharistie. Sankt Augustinus erläutert diese notwendige Relation in einer Predigt über den Kommunion-Empfang: „Man sagt euch: der Leib Christi. Und ihr antwortet: Amen. Seid denn Glieder des Leibes Christi, dass euer Amen wahr sei. – Und warum vollzieht sich dieses Mysterium mit Brot? Sagen wir nichts aus eigenem Wissen! Hören wir den Apostel, der von diesem Sakrament sagt: ,Wir alle, die vielen, sind ein einziger Leib, ein Brot.‘… Ein einziges Brot: und was ist dieses eine Brot? Ein einziger Leib, aus vielen gebildet… Seid denn, was ihr seht, und empfangt, was ihr seid“ (P. L. 38, 1247). Der Heilige versichert in seiner brillanten Theologie die unscheidbare Verknüpfung zwischen Herrenleib und Gemeinde. Sie resultiert nicht aus nebelhaftem „Christsein“, sondern stützt sich auf eindeutiges Glaubensprofil.
Keine Versammlung zur gemeinsamen Mysterienfeier
Biblisch, urkirchlich und in der Vätertheologie waren der eucharistische Herrenleib und der mystische Leib der Kirche untrennbar aufeinander verwiesen. H. de Lubac spricht in seiner großen Untersuchung „Corpus Mysticum“ beiden für diese Zeit „reziproke Ursächlichkeit und Garantie“ zu (Einsiedeln 1969, 311). Das Bewusstsein gegenseitiger Wechselseitigkeit wäre freilich durch die Jahrhunderte hin verwässert worden. Als „sichtbare Gesellschaft“ trat sie in Gegensatz zur „intimen Gefügtheit des Leibes Christ“. Dazu hätte sich der „vorstoßende Gemeinschaftsgedanke“ verfälschend ausgewirkt und die Messfeier „in Naturalismus absinken“ lassen. Doch diese wäre eben keine „Versammlung zur gemeinsamen Mysterienfeier“.
„Nicht die begeisterte kollektive Einübung in die Gemeinschaftsleistung wird jemals von selber daraus die Einheit der Glieder Christi herstellen. Diese erfolgt nicht ohne Vergebung der Sünden, die die erste Frucht des vergossenen Blutes ist. Gedächtnis des Leidens, Opferhingabe an den Vater, Bekehrung der Herzen: Ohne diese ganz innerlichen Wirklichkeiten wird man nie etwas anderes als eine Karikatur der christlichen Gemeinschaft erstellen“ (ebd. 320f).
Fazit: Gegenüber dem „Votum“ wurden von katholischer Seite bislang schon unterschiedliche Einwände laut. Sie müssen leider bestätigt werden.
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