Dass es in der Kirche menschelt, haben jetzt im Vatikan Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in seinem Osterinterview und Kardinal Raniero Cantalamessa in seiner Karfreitagspredigt deutlich gemacht. Für beide sind das Glaubensgut, die Sakramente und das apostolische Amt nicht verhandelbar. Aber dann gibt es viel Raum für Irritationen. Wenn das Leben der Kirche, "in dem sündige Menschen wirken", ständig erneuert werden müsse (Parolin) oder wenn man politisch denke und "das ,Reich dieser Welt im eigenen Herzen wichtiger geworden ist als das Reich Gottes" (Cantalamessa).
Bis heute keine Anklage gegen Becciu
Eine dieser Irritationen, von denen es hinter den vatikanischen Mauern so viele gibt, hat Papst Franziskus jetzt zumindest lindern wollen. Als er die Abendmahls-Messe vom Gründonnerstag nicht mit der Kurie, sondern allein mit dem geschmähten Kardinal Giovanni Angelo Becciu in dessen Privatkapelle feierte. Das Wochenmagazin "L Espresso" hatte Becciu angelastet, in dem Skandal um die vatikanische Investition in eine Londoner Immobilie einer der Schuldigen gewesen zu sein und seine Familie mit Vatikangeldern begünstigt zu haben. Eine Anklage gegen den Kardinal durch die vatikanische Staatsanwaltschaft hat es bis heute nicht gegeben und viele der Konstruktionen der Medien brachen wieder in sich zusammen.
Auch der schlimme Verdacht, der sardische Kardinal habe den Missbrauchs-Prozess gegen seinen ehemaligen Rivalen Kardinal George Pell betrieben, erwies sich als haltlos. Becciu selber hatte am Tag nach dem Rauswurf durch den Papst vor Journalisten seine Unschuld beteuert und sich dann völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Offensichtlich war die brüske Entlassung des Kardinals durch den Papst, die es in dieser Form seit Menschengedenken im Vatikan nicht gegeben hat, ein voreiliger Schritt. Wenn die Versöhnungsmesse in der Kapelle des Kardinals der Auftakt zur Aufarbeitung des Falls Becciu war, dann ist das gut. Wenn die Affäre damit aber sang- und klanglos aus der Welt geschafft werden soll, bleibt der Eindruck eines päpstlichen Willkürakts weiterhin bestehen.
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