Vor dem Hintergrund der Heiligen Schrift ist klar, dass der König im heutigen Evangelium für Gott, den König Israels und der ganzen Welt, steht, zumal er im weiteren Verlauf des Gleichnisses als Herr bezeichnet wird. Dieser König ist im Gleichnis zunächst in unglaublicher Weise barmherzig und kurz darauf äußerst unbarmherzig. Zunächst erlässt er seinem Gläubiger eine immens hohe Schuld, bald darauf nimmt er den Schuldenerlass zurück und übergibt den Gläubiger im Zorn den Folterknechten, „bis er die ganze Schuld bezahlt habe“ (Matthäus 18, 34). So wie dieser zornige König, so wird auch „mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt“, stellt Jesus klar (Matthäus 18, 35).
Scheinbarer Widerspruch
Das Verhalten Gottes scheint widersprüchlich zu sein. Das hat einige Exegeten dazu geführt, den Schlussteil der Perikope, in welcher der zornig gewordene Herr den unbarmherzigen Knecht den Folterknechten übergibt (Matthäus 18, 32–34), als eine spätere Hinzufügung anzusehen. Den Gerichtsgedanken möchte man vom freundlichen Jesus und seinem barmherzigen Vater fernhalten und lässt die unbequemen Passagen des Textes einfach weg. Einmal abgesehen davon, dass es für eine derartige literarkritische Operation keine hinreichenden Gründe gibt, gehört der Text in der vorliegenden Endgestalt zum Kanon. Ihn gilt es zu verstehen und nicht zu maßregeln.
Die Schuld, die der König seinem Gläubiger erlässt, ist unvorstellbar groß. Und doch wird sie ihm erlassen. Dieser Teil des Gleichnisses macht deutlich, was es heißt, wenn Jesus dem Petrus auf dessen Frage, wie oft er seinem Bruder vergeben solle, antwortet: „Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal“ (Matthäus 18, 22); das heißt: immer.
Es gibt Schuld
Das sich daran anschließende Gleichnis macht deutlich, wie das zu verstehen ist, und grenzt die Antwort Jesu von Missverständnissen ab. Die Schulden, die die beiden Schuldner angehäuft haben, stehen für menschliche Schuld. Sie wird nicht geleugnet; sie wird nicht weginterpretiert. Sie ist ein Faktum. Beide Schuldner akzeptieren die Tatsache, dass sie Schuld auf sich geladen haben; auf der Sachebene bedeutet dies, dass sie gesündigt haben. Beide sind bereit, ihre Schulden zu begleichen. Das Gleichnis verharmlost nicht die menschliche Schuld, sondern stellt die grenzenlose Güte Gottes heraus.
Einem Menschen, der seine Schuld einsieht, sie bereut und glaubwürdig seine Bereitschaft bekundet, die Schuld wieder gut zu machen, begegnet Gott mit überfließender Güte. So hat sich auch die Kirche zu verhalten. Dass ausgerechnet Petrus mit der Frage nach dem Maß der Vergebung an Jesus herantritt, dürfte kein Zufall sein. Es wird nicht mehr lange dauern, da wird er seinen Herrn und Meister dreimal verleugnen und bitterlich über seine Schuld weinen und sie bereuen (Mt 26, 75). Auf diesen Felsen, so hatte ihm Jesus zuvor verheißen, werde er seine Kirche bauen (Mt 16, 18). Davon nimmt er nichts zurück.

Sirach 27, 30–28,1- 7
Römer 14, 7–9
Mt 18, 21–35
Zu den Lesungen des 24. Sonntags im Jahreskreis (Lesejahr A)
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