In Rom beim Grab des Apostels Paulus steht die Benediktinerabtei Sankt Paul vor den Mauern. Das Kloster ist seit dem sechsten Jahrhundert bezeugt und wurde im achten Jahrhundert neu gegründet. Viele bedeutende Kirchenmänner sind aus dieser Abtei hervorgegangen, wie der selige Kardinal Ildefonso Schuster, der zur Zeit des Faschismus als Erzbischof von Mailand die christlichen Werte gegen die antisemitische und rassistische Ideologie des Regimes verteidigte und nach dem Krieg der erste Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz war. Als Mönch in Sankt Paul vor den Mauern, wo Schuster 1898 eingetreten war, war sein älterer Mitbruder Placido Riccardi für ihn ein wichtiger geistlicher Ratgeber. Riccardi wurde am 5. Dezember 1954 von Papst Pius XII. seliggesprochen. Er ist ein Großonkel des Gründers der Gemeinschaft Sant'Egidio, Andrea Riccardi, der als Vierjähriger bei der Seligsprechung auf dem Petersplatz anwesend war. Der Gedenktag des seligen Placido Riccardi ist der 25. März.
In Umbrien geboren
Tommaso Riccardi, so sein bürgerlicher Name, wurde am 24. Juni 1844 in dem umbrischen Ort Trevi geboren, wo er zusammen mit neun Geschwistern aufwuchs. Mit 18 Jahren, als er die Schule beendet hatte und über seinen weiteren Lebensweg entscheiden musste, suchte er Rat beim Ortspfarrer, der seine geistliche Berufung erkannte und ihn im Entscheidungsfindungsprozess begleitete. 1865 er ging nach Rom, um bei den Dominikanern in Santa Maria sopra Minerva das Studium der Philosophie aufzunehmen. Nach dem ersten Studienjahr machte er eine Wallfahrt zum Marienheiligtum von Loreto und anschließend geistliche Exerzitien. Dort reifte sein Entschluss heran, Benediktiner zu werden. Er trat am 12. November 1866 in Sankt Paul vor den Mauern ein und legte am 19. Januar 1868 die einfachen Gelübde ab, wobei er den Namen „Placido“ erhielt.
Turbulente Zeiten
Es waren politisch turbulente Jahre: 1861 war das Königreich Italien gegründete worden, noch ohne den Kirchenstaat mit seiner Hauptstadt Rom. Ab Oktober 1867 versuchte Giuseppe Garibaldi, Rom zu erobern. Nach seiner Ordensprofess wurde Placido von den päpstlichen Truppen einberufen, folgte aber dem Gestellungsbefehl nicht gleich, da er mitten im Examen steckte, und wurde als Deserteur eingestuft. Nach seiner Weihe zum Diakon im September 1870 wurde Placido auf dem Weg zu einem Besuch in seiner Heimatstadt Trevi verhaftet. In Florenz wurde er zu Haftstrafe verurteilt, dann jedoch begnadigt und nach Pisa in die Armee gesandt. Dort wurde der junge Benediktiner, der körperlich schwach und kurzsichtig war, nach einer medizinischen Untersuchung für untauglich erklärt.
Im Februar 1871 kehrte er in sein Kloster zurück, wo er einen Monat später die feierlichen Ordensgelübde ablegte und kurz darauf, am 25. März 1871, die Priesterweihe empfing.
Als Novizenmeister tätig
In den folgenden Jahren war Pater Placido unter anderem als Novizenmeister tätig, wo er auf den späteren Kardinal Schuster traf, dessen geistlicher Begleiter er wurde. Er verbrachte einige Jahre im umbrischen Amelia als Vikar der dortigen Benediktinerinnen und wurde dann nach Farfa gesandt, eine ehemals bedeutende kaiserliche Abtei, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichten, die jedoch inzwischen im Verfall begriffen und dem Abt von Sankt Paul vor den Mauern unterstellt worden war. Hier blieb Pater Placido 20 Jahre lang als Rektor der Abtei, versuchte zu retten, was zu retten war, und gleichzeitig mit den wenigen Mitteln, die dem Kloster zur Verfügung standen, die sehr arme lokale Bevölkerung zu unterstützen. 1912 musste er nach Rom zurückkehren, völlig ausgezehrt und erschöpft von den schwierigen Lebensumständen in Farfa und von einer Lähmung befallen.
Krankheitsjahre
Die letzten beiden Lebensjahre verbrachte Pater Placido bettlägerig und krank in Sankt Paul vor den Mauern, gepflegt von Pater Ildefonso Schuster. Er starb am Abend des 15. März 1915. Seine sterblichen Überreste ruhen heute in der Abtei von Farfa.
Ildefonso Schuster ließ diese als Abt von Sankt Paul vor den Mauern mit einer neuen Gemeinschaft besiedeln. Sie ist heute wieder ein blühendes eigenrechtliches Benediktinerkloster.
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