Auf dem Gianicolo in Rom befindet sich die Päpstliche Universität „Urbaniana“, deren besonderer Zweck die Ausbildung von Missionaren und die Förderung der katholischen Mission ad gentes ist. Zu ihren Alumnen gehört unter anderem der selige John Henry Newman, dessen Studienerfahrungen in seine Vorlesungsreihe einflossen, die unter dem Titel „The Idea of University“ bis heute zu den Standardwerken zur katholischen Hochschulbildung zählt. Einer der geistigen Väter der „Urbaniana“ war der Priester Johannes Leonardi, der 1938 von Papst Pius XI. heiliggesprochen wurde.
Johannes Leonardi wurde 1541 in Diecimo nördlich der toskanischen Stadt Lucca geboren und absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Apotheker. Mit 26 Jahren wandte er sich den theologischen Studien zu und wurde 1571 zum Priester geweiht. In Lucca widmete er sich mit großem Eifer der Glaubensunterweisung von Kindern und Erwachsenen nach den Beschlüssen des wenige Jahre zuvor abgeschlossenen Konzils von Trient. Um die Katechesearbeit zu unterstützen und auszubreiten, gründete er 1574 die Kongregation der „Regularkleriker von der Gottesmutter“.
Seine Missionstätigkeit hatte großen Erfolg und zog zahlreiche Menschen an, die kamen, um seine Katechesen und die seiner Mitbrüder zu hören, rief aber im Klerus und unter den Laien auch Neider auf den Plan, die seine reformatorische Tätigkeit im Sinne des Konzils vehement bekämpften. Als er 1581 nach Rom ging, um die päpstliche Approbation seiner Kongregation zu erlangen, erließen die Stadtväter von Lucca auf Druck seiner Widersacher ein Dekret, das ihn wegen Störung der öffentlichen Ordnung aus seiner Heimatstadt verbannte.
In Rom schloss Leonardi Freundschaft mit dem heiligen Philipp Neri, der ihn außerordentlich schätzte und zu ihm sagte: „Du bist ein Heiliger – nun sieh zu, dass zu es auch bleibst.“ Philipp Neri stellte ihn Papst Clemens VIII. vor, der seine großen Fähigkeiten erkannte und ihn in den kommenden Jahren in verschiedene Klöster in Italien sandte, um dort für die Umsetzung der tridentinischen Reformen zu sorgen. Schwerpunkte waren vor allem die Vergebung von Ämtern, die Unterbindung der Einmischung einflussreicher Laien in das Klosterleben und die Errichtung funktionierender Noviziate zur Ausbildung der Ordensanwärter.
In Rom wurde Leonardi die Kirche „Santa Maria in Portico“ anvertraut, wo sich ein antikes Gnadenbild der Gottesmutter befand, dessen Verehrung der Heilige förderte. Auch in der Ewigen Stadt war er im Bereich der Reform von Ordensgemeinschaften sowie in der Volkskatechese tätig und pflegte enge Kontakte zur Kurie. Zusammen mit dem Kurienprälaten Juan Bautista Vives y Marija sowie dem Jesuiten Martin de Funes plante er außerdem in seinen letzten Lebensjahren die Errichtung eines römischen Ausbildungszentrums für Missionare ad gentes.
Diese Pläne mündeten ein in die Errichtung der Kongregation Propaganda fide – 1967 umbenannt in Kongregation für die Evangelisierung der Völker – durch Papst Gregor XV. im Jahr 1622 sowie fünf Jahre später in die Gründung des gleichnamigen Kollegs durch Urban VIII., aus dem später die Universität „Urbaniana“ hervorgegangen ist.
Johannes Leonardi erlebte die Umsetzung seiner Pläne zur Förderung der Mission nicht mehr. Er starb am 8. Oktober 1609 in Rom und wurde zunächst in der Kirche „Santa Maria in Portico“ beigesetzt. Als die Stadt einige Jahrzehnte später von einer Pest heimgesucht wurde, wandten sich viele Römer schutzsuchend an die „Madonna del Portico“, deren Verehrung Leonardi so sehr gefördert hatte. Tatsächlich ließ die Pest nach, nachdem die Stadt Rom eine Prozession mit dem Gnadenbild durchgeführt hatte.
Zum Dank bekam dieses im Jahr 1667 einen würdigeren Platz in der Kirche „Santa Maria in Campitelli“, in die auch Leonardis sterbliche Überreste überführt wurden. Hier befindet sich bis heute der Sitz des Generalats der von Leonardi gegründeten Kongregation der „Regularkleriker von der Gottesmutter“.
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