Die Vorstellung von einem Läuterungsort nach dem Tod war besonders im Spätmittelalter weit verbreitet. Weil die Verstorbenen dort nichts mehr für sich selbst tun können, waren Christen bereit, ihnen alle erdenklichen geistlichen Wohltaten (Gebete, Buße, Fasten, Messstiftungen und so weiter) zukommen zu lassen. Dazu gehörte manchenorts auch die falsche Vorstellung, sie durch Geld frei kaufen zu können. In der Neuzeit ging das Pendel in die andere Richtung. Die Vorstellung, man könne mehr für die Verstorbenen tun, als einen Trauerkranz zur Beerdigung zu schicken, ist in Vergessenheit geraten. Daher die Frage: Was bedeutet Purgatorium, und wie lässt sich den Verstorbenen helfen?
Die Berührung seines Herzens heilt uns ,wie durch Feuer hindurch‘
Purgatorium ist das lateinische Wort für Reinigungs- oder Läuterungsort und beschreibt einen Zustand nach dem irdischen Tod. Er ist für diejenigen bestimmt, die weder ganz geläutert sind und damit direkt in den Himmel eingehen dürfen, noch für diejenigen, die sich definitiv gegen Gott entschieden haben. Es geht um jene Seelen, die einer weiteren Reinigung bedürfen, um zur Anschauung Gottes zu gelangen.
Im ersten Korintherbrief beschreibt Paulus diesen Vorgang wie folgt: „…denn der Tag wird es sichtbar machen, weil er sich mit Feuer offenbart. Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, wird das Feuer prüfen. Hält das Werk stand, das er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch“ (1 Kor 3,13-15). Von dieser Textstelle leitet sich auch das deutsche Wort Fegefeuer ab, denn dieser Zustand der Läuterung wird als reinigendes Feuer gedeutet, um der göttlichen Gerechtigkeit Genüge zu tun, denn „nichts Unreines wird hineinkommen“ (Offb 21,27).
Das Bild vom Feuer ist in der Tat passend, um diesen Prozess zu beschreiben. So wie Gott sich Mose im brennenden Dornbusch offenbarte, der brannte, aber nicht verbrannte (vgl. Ex 3,2-3), so wird jede Seele gereinigt, die noch nicht vollkommen geläutert ist, wohl aber in der Freundschaft Gottes stirbt. Papst Benedikt XVI. hat dies wie folgt beschrieben: „…in dem Schmerz dieser Begegnung, in der uns das Unreine und Kranke unseres Daseins offenbar wird, ist Rettung. Sein Blick, die Berührung seines Herzens heilt uns in einer gewiss schmerzlichen Verwandlung ,wie durch Feuer hindurch.‘“
Dem heiligen Gregor dem Großen († 604) war dies nach dem Tod eines Mönchs seiner Gemeinschaft deutlich vor Augen geführt worden. Dieser erschien ihm mit der flehentlichen Bitte um Gebete für seine Seele, er war umgeben wie von Feuer. Nachdem dreißig Tage lang täglich eine heilige Messe für den Verstorbenen gefeiert wurde, erschien er wieder in der Glorie des Himmels, um sich zu bedanken. Daraus leitet sich die Tradition der sogenannten Gregorianischen Messen her, die das wirksamste Gnadenmittel für Verstorbene darstellen. Ein Zitat des heiligen Gregor hat in den Katechismus Eingang gefunden, in dem es heißt: „Man muss glauben, dass es vor dem Gericht für gewisse leichte Sünden noch ein Reinigungsfeuer gibt …, dass einige Sünden in dieser, andere in jener Welt nachgelassen werden können.“
Die Dauer des Reinigungsprozesses ist individuell und richtet sich nach dem, was zu bereinigen ist (vgl. Lk 12,59), wobei die Seelen in der Ewigkeit Gottes außerhalb unserer irdischen Zeit sind. Weil sie sich selbst nicht helfen können, sind sie auf Gebete und Opfer angewiesen, denn die Verbundenheit mit den Verstorbenen, die in Gott ruhen, geht über den Tod hinaus. Daher sind die Lebenden angehalten, für die Verstorbenen Sühnopfer darzubringen (vgl. 2 Makk 12,45). Die Kirche hat dies von Anfang an berücksichtigt und empfiehlt Bußwerke und Ablässe für die Verstorbenen, vor allem aber die Feier der heiligen Messe.
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