Nicht erst seit Beginn der Flüchtlingskrise und dem nie zu vergessenden Satz von Kanzlerin Merkel: „Wir schaffen das!“ beschäftigt unsere Gesellschaft auf völlig unterschiedliche Weise der Begriff „Integration“, der – zumindest landläufig – häufig mit dem deutschen Wort „Anpassung“ wiedergegeben wird. Die Flüchtlinge müssen lernen, sich an die neuen Gegebenheiten und die neue Kultur anzupassen, dann werden sie kein Problem darstellen. Wenn sie erst einmal die Sprache gelernt haben und die Kultur verstehen und „so leben wie wir“ wird das Problem gelöst sein.
Schon Paulus warnte vor der Angleichung
Diese Haltung ist freilich unrealistisch und chauvinistisch in mehrfacher Hinsicht. Statt dem Wort „Integration“ hat vor über einhundert Jahren Theodor Herzl, der Gründer des „Judenstaates“, der später „Israel“ genannt wird, heftig gegen „Assimilation“ geredet. Zunächst selber „assimilierter Jude“ wurde er zum Vater des Zionismus, der in der Eigenständigkeit des Judentums den einzigen Weg zum Überleben des jüdischen Volkes sah. Der Völkerapostel Paulus, nicht nur darauf bedacht, seine neue Erkenntnis von Christus, dem Gekreuzigten, zu bewahren, sondern sogar auszubreiten, sah seine Mission darin, immer wieder zu sagen: Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern verwandelt sie (Röm 12,1). Das Christentum macht es dem Judentum zu jeder Zeit gleich; es mag heidnische Bräuche übernehmen und sich sprachlich „anpassen“, die Landessprache auch zur Verkündigung benutzen – doch passt es sich nie an. „Verweltlichung“ trat dann auf, wenn man der Versuchung erlag und meinte, sich besser „einordnen“ zu können und ein „Teil der Gesellschaft“ zu werden.
"Die katholische Kirche in Deutschland
befindet sich auf dem Weg der Anpassung"
Joachim Schroedel
Heute sehen wir, wie letztlich unmöglich bestimmte Formen der „Integration“ sind, die darauf zielen, Flüchtlinge zu „guten Mitgliedern einer (vermeintlich immer noch) einheitlichen Gesellschaft zu machen. Aber gerade Minderheiten suchen ihre Identität nicht zu verlieren. Sie finden dann häufig sogar zurück zu fundamentalistischen Ansätzen ihrer jeweiligen Religion. Identität bedeute, an dem festzuhalten, was vermeintliche Traditionen unumstößlich bewahrt hätten. Bereits Ideen von „gegenseitiger Befruchtung“ oder „Bereicherung“ der jeweiligen Kultur wird dabei eine Absage zuteil.
Mir scheint, die katholische Kirche in Deutschland befindet sich auf dem Weg der Anpassung an die Gegebenheiten in diesem Lande und in Europa überhaupt. Im Blick auf die Weltkirche und die Geschichte der Christenheit ist dies aber mehr als nur ein Holzweg.
Identität zeigt sich in der Tradition
Die Christen im Nahen Osten hingegen stehen vor weitaus größeren Herausforderungen. Es mag sein, dass die radikal-militanten Gruppierungen des Islam zurückgedrängt worden sind; es bleibt jedoch die Haltung vieler Nichtchristen im Nahen Osten, dass die „letzten Christen“ nicht recht zur orientalischen Gesellschaft passen würden und sich eher eine neue Heimat suchen sollten. Erstaunlich ist, wie stark sich die christlichen Gemeinden gerade in der Bedrängnis (man muss nicht immer gleich von Verfolgung reden) behaupten. Ihre Identität zeigt sich in ihrer Tradition. Und jeder Christ des Orients weiß, dass viele Märtyrer mit ihrem Blut die Wahrheit bezeugt haben. Eben in dieser Tradition stehen sie. „Integration“ würde heißen, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Wie sehr könnten wir im Westen von ihnen lernen!
Der Autor lebt als Seelsorger in Kairo. Seine Kolumne erscheint zusammen mit der EWTN-Reihe „Geht in alle Welt! Christen im Nahen Osten und der missionarische Geist der Kirche“. Infos zu den Sendezeiten unter www.ewtn.de