Herr Professor Isensee, 2018 haben das Land Nordrhein-Westfalen und der Heilige Stuhl eine Verbalnote unterzeichnet, die den Bestand Theologischen Fakultät an der Ruhr-Universität Bochum mit zwölf Kernprofessuren fortschreibt, unabhängig von der Frage, ob an ihr Geistliche ausgebildet werden oder nicht. Welche Bedeutung hat diese Entscheidung für die Zukunft der katholischen Theologie an der Bonner Universität?
Die Bedeutung ist gleich Null. Das Arrangement zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Nordrhein-Westfalen betrifft allein die Theologische Fakultät der Ruhr-Universität, und diese hat von vornherein einen Sonderstatus gehabt, der mehrfach geändert worden ist. Eine Parallele zum Köln-Bonn-Streit besteht nicht. Das Bistum Essen trifft hier geradezu die gegensätzliche Lösung. Es gründet keine eigene Hochschule zur wissenschaftlichen Ausbildung seiner Priesteramtskandidaten; vielmehr überantwortet es sie einer anderen theologischen Fakultät, nämlich der Münsteraner. Das Bistum Essen vermeidet die Probleme, die das Erzbistum Köln mit seiner neuen Hochschule auslöst („neu“ allerdings nur im biblischen Sinne des neuen Wein im alten Schlauch einer aufgelassenen Missionshochschule).
Welche sind das?
Erstens: ein Widerspruch zum Preußischen Konkordat, das in Nordrhein-Westfalen in Geltung steht; zweitens: ein Widerspruch zum Plan der Bischofskonferenz, die wissenschaftliche Ausbildung der rapide schrumpfenden Zahl der Priesteramtskandidaten auf wenige Ausbildungsstätten zu konzentrieren (die Rede ist von zehn oder sogar nur vier Einrichtungen); drittens: eine unnötige Finanzlast für das Erzbistum Köln, das sich von der staatsfinanzierten theologischen Fakultät abwendet und nunmehr die volle Finanzlast einer eigenen Hochschule übernimmt, mit ihr das Risiko einer verfehlten Finanzplanung und des Versagens in der kirchenrechtlichen Gewähr einer aufgabengerechten Finanzgrundlage; viertens: den Verstoß gegen die kirchenrechtliche Regel, den bösen Anschein zu vermeiden („ut scandalum evitetur“): dass die Neugründung nur ein Manöver ist, der Bonner theologischen Fakultät das Wasser abzugraben und einen (beiderseits angeheizten) Streit zugunsten des Erzbistums zu beenden.
Das Erzbistum Köln hat mit der Gründung der KHKT mehr Vielfalt in der Priesterausbildung geschaffen und entspricht damit auch dem Wunsch der Ausbilder und vieler Studierenden. Wie wissenschaftlich begründet sind die Widerstände der Bonner Fakultät?
Der Hinweis auf mehr Vielfalt in der Priesterausbildung und auf den Wunsch der Beteiligten ist implausibel. Ginge es dem Erzbistum tatsächlich darum, so könnte es den Kandidaten freistellen, unter dem reichen Angebot der in Deutschland wie im Ausland vorhandenen Ausbildungsstätten selber zu wählen. In Wahrheit geht es darum, den Kandidaten den Zugang zur Bonner Fakultät zu sperren und dieser das Lehrangebot zu entziehen.
Thomas Sternberg betrachtet die wissenschaftliche Ausbildung der Priesteramtskandidaten an der staatlichen Fakultät Bonn als quasi alternativlos: Das Konkordat lasse eine Ausbildung der Kölner Priesteramtskandidaten an der KHKT nicht zu, sagte er im domradio. Wie begründet ist diese Rechtsauffassung, wenn der Staat laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts doch nur ein „Angebot“ macht?
Der Hinweis auf ein einzelnes Wort des Bundesverfassungsgerichts ist keine Begründung. Die Ausbildung des Priesternachwuchses an einer staatlichen Universität ist ein auch heute noch bestehendes Interesse des Staates, weil hier die kirchliche Theologie an der Freiheit der Wissenschaft am wirksamsten teilhat (ungeachtet der Möglichkeit einer kirchlichen Lehrbeanstandung) und sich im Kreise der übrigen Wissenschaften behaupten muss.
Wie verhält sich im Fall des Erzbistums Köln das Konkordat zur kirchlichen Hochschulfreiheit?
Nach dem Codex des kanonischen Rechts geht das Konkordat den entgegenstehenden kirchlichen Gesetzen vor (Canon 3). Die Verfassung Nordrhein-Westfalens erkennt das Preußische Konkordat als weiterhin geltendes Recht an. Das Recht der Religionsgemeinschaften, eigene Anstalten mit Hochschulcharakter zur Ausbildung ihrer Geistlichen zu errichten und zu unterhalten (Art. 16 Abs. 2 NRWVerf), greift nicht, soweit das Preußen-Konkordat den theologischen Fakultäten von Bonn und Münster die „wissenschaftliche Vorbildung der Geistlichen“ vorbehält (Art. 12 Abs. 1 S. 1 Preußisches Konkordat).
Ist das Erzbistum verpflichtet, seine Priester an der Bonner Fakultät ausbilden zu lassen und das Angebot des Staates anzunehmen, auch wenn die Prämisse früherer Zeiten, dass staatliche theologische Fakultäten in erster Linie der Ausbildung des Priesternachwuchses dienen, doch längst nicht mehr gilt?
Der ursprüngliche Zweck wird nicht dadurch hinfällig, dass ein neuer Zweck hinzugetreten ist, wenn sich der jüngere mit dem älteren Zweck verträgt und dessen Erfüllung nicht beeinträchtigt. Der Theologischen Fakultät hat sich ein zusätzliches Wirkungsfeld aufgetan, das die zahlenmäßige Minderung der „geistlichen“ Nachfrage ausgleicht. Die Fakultät gewinnt zusätzliche Legitimation, ohne dass die bisherige schwindet. Kleriker und „Laientheologen“ erhalten dieselbe Ausbildung. Es gibt keine wissenschaftliche Theologie erster und zweiter Klasse.
Hintergrund:
Kann eine staatliche Universität dem Erzbischof vorschreiben, wo er seine Seminaristen studieren lässt? Die Frage, ob das Erzbistum Köln mit der Gründung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) das Preußische Konkordat von 1929 gebrochen hat, wird in Fachkreisen unterschiedlich beantwortet. Der Bonner Staatskirchenrechtler Christian Hillgruber sieht allein durch das Bestehen der KHKT noch keinen Bruch von Konkordaten. Gegenüber katholisch.de sagte der Direktor des Instituts für Kirchenrecht an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn kürzlich, dass das ebenso wie das Preußenkonkordat fortgeltende Reichskonkordat der Kirche das Recht gebe, eigene kirchlichen Hochschulen für die Klerikerausbildung zu errichten. „Die Errichtung einer neuen kirchlichen Hochschule durch das Erzbistum ist also grundsätzlich vertraglich abgesichert“, so Hillgruber.
Auch der Kirchenrechtler Stefan Mückl, der an der vom Opus Dei getragenen Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom lehrt, sieht in der Gründung der KHKT keinen Widerspruch zum dem Konkordat. Seiner Studie zufolge steht die nordrhein-westfälische Landesverfassung über dem Konkordat und erlaubt dem Erzbischof die Ausbildung von Geistlichen an einer eigenen Hochschule.
Währenddessen forderte die Universität Bonn den Kölner Kardinal Rainer Woelki Maria zu einem Bekenntnis zur dortigen Katholisch-Theologischen Fakultät als Standort der Priesterausbildung auf. Der vor zwei Jahren begonnene Aufbau der kircheneigenen Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) sowie Überlegungen Woelkis, das Collegium Albertinum als Wohn- und Ausbildungsstätte der angehenden Priester von Bonn nach Köln zu verlagern, müsse man als „völlig unnötige Schwächung des Standorts Bonn“ verstehen, sagte Hoch dem „Kölner Stadtanzeiger“. Vorige Woche hatten Rektorat, Senat und Hochschulrat in einer gemeinsamen Erklärung den Anspruch der Uni Bonn unterstrichen, alleiniger Ausbildungsstandort für die Kölner Priester zu sein.
Der frühere ZdK-Präsident Thomas Sternberg, hatte zuvor die Studentenzahlen als Argument gegen die KHKT angeführt. Dem Kölner „domradio“ sagte er: „Wir werden wahrscheinlich künftig nicht alle Fakultäten in Deutschland halten können, einfach wegen der Zahl der Studierenden.“ DT/KNA
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