Zur Aufklärung der Vorfälle von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Paderborn hat das westfälische Erzbistum die Universität Paderborn im vergangenen Jahr mit einer historischen Studie beauftragt. Wie Benjamin Krysmann, Pressesprecher des Erzbistums Paderborn auf Nachfrage gegenüber der Tagespost mitteilte, solle die Studie unter dem Titel „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941-2002)“ Erkenntnisse zum Umfang des Missbrauchs, über die Gewalterfahrungen der Betroffenen sowie zu den Umgangsweisen der Verantwortlichen liefern. Die Ergebnisse der auf vier Jahre angelegten Studie sollen, der Universität Paderborn zu Folge, am Ende in Buchform veröffentlicht werden.
Fürsorge nur für Täter
Nicole Priesching und Christine Hartig untersuchen laut Aussage einer Pressemeldung der Universität „die Machtbeziehungen und Strukturen, die sexuellen Missbrauch gefördert und Aufklärung verhindert haben“. Die Untersuchung, so die Meldung, zeige, sowohl die Kirche als auch die Gesellschaft habe systematisch weggesehen und Straftaten gebilligt oder hingenommen. Für die Kardinäle Jaeger und Degenhardt stellte die Wissenschaftlerinnen fest, dass es eine Fürsorge für die Beschuldigten gegeben habe. Gegenüber den Betroffenen sei eine solche nicht feststellbar.
Behörden glaubten Familien nicht
In manchen Fällen habe es Vereinbarungen mit Staatsanwaltschaften gegeben, dass auf Bewährung verurteilte Täter nicht mehr in Gemeinden eingesetzt werden sollten, und dennoch sei das geschehen, so Priesching. Außerdem sei, so die Pressemeldung, durch Angehörige des Erzbistums Druck auf Betroffene und ihre Familien ausgeübt worden, keine Anzeige zu erstatten. Sei doch einmal zu einer Strafanzeige gekommen ist, berichtet Christine Hartig, seien Familien oft an Ermittlungsbehörden geraten, die ihnen nicht geglaubt und den Kindern gedroht hätten. Diesen Vorwurf konnte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Paderborn auf Nachfrage der Tagespost – zumindest soweit es staatliche Ermittlungsbehörden betrifft - nicht nachzuvollziehen. Er halte es allenfalls für denkbar, so der Sprecher, dass Vernehmungsbeamte den Betroffenen vorsorglich die möglichen rechtlichen Folgen einer eventuellen falschen Verdächtigung vor Augen geführt hätten, wenn Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestanden hätten.
Aufarbeitung geht weiter
Zusammenfassend, stellten die beiden Wissenschaftlerinnen in ihrer Pressemeldung fest, könne man sagen, die fehlende Dokumentation des Erzbistums sei zwar wesentlich, weil das die Leitungsbehörde sei, aber es sei nicht die einzige Ebene, auf der das Benennen der Taten unterdrückt worden sei. Zur laufenden Studie, so Benjamin Krysmann, wolle man sich nicht äußern.
Eine Aufbereitung der Zeit ab 2002 bis heute, solle dem Pressesprecher des Erzbistums zu Folge erst im Anschluss an die historische Studie erfolgen. Eine unabhängige Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn befinde sich im Aufbau. Die Einrichtung könne, so der Sprecher des Erzbistums, weitergeführt und abgeschlossen werden, sobald die NRW-Landesregierung die in der "Gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland" vorgesehenen Personen zur Gründung und Arbeitsaufnahme der unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn bestimmt habe. Ferner erklärte der Sprecher des Erzbistums, befinde sich eine Betroffenenvertretung für das Erzbistum Paderborn in Einrichtung. Diese verfahre frei und eigenständig. DT/pwi
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