Es wäre unvorstellbar, dass beim „Meeting“ von „Comunione e Liberazione“, das heute in Rimini zu Ende geht, der hartnäckige Versuch unternommen würde, Glaubenslehre und Kirchenverfassung an das anzupassen, was den Menschen heute gemeinhin noch zuzumuten ist, wie es sich der Synodale Weg vorgenommen hat. Das „Meeting“ betreibt keine Kirchenpolitik. Wie ein Kaleidoskop stellt es die unterschiedlichsten existenziellen Nöte zusammen – in Podien, Zeugnissen und Ausstellungen – und versucht Antworten zu geben, die aus dem Urteil einer christlich geformten Intelligenz erwachsen sind. In diesem Jahr kamen der Krieg in der Ukraine und die anderen Konflikte in den Krisengebieten der Erde hinzu, die Papst Franziskus den „Dritten Weltkrieg in Stücken“ nennt. Sie und die vielen anderen Dramen der modernen Gesellschaft sind Gegenstand des Weltauftrags katholischer Laien.
Quittung für synodale Ursünde
Im Vergleich zu jenen „Meetings“, wie sie jetzt schon 43 Jahre stattfinden, sind etwa die Synodalversammlungen des Synodalen Wegs das reine Kontrastprogramm. Die Beschäftigung eines klerikalen Apparats – ob die Einzelnen geweiht sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle – mit sich selbst erinnern an die selbstbezügliche Kirche, vor der Kardinal Jorge Mario Bergoglio im Vorkonklave 2013 warnte: Eine Kirche, die nicht das Evangelium verkünde und aus sich herausgehe, sondern in sich, von sich und für sich lebe, werde krank. Sie ist wie ein Auge, das sich selber sieht. Es ist vom Star befallen und wird erblinden. Die Weigerung des Synodalen Wegs, sich mit Mission und Evangelisierung zu befassen, bleibt seine „Ursünde“. Dafür werden die deutschen Bischöfe als die Verantwortlichen beim „ad limina“-Besuch in Rom im November die Quittung erhalten.
Dabei braucht die Kirche eine immerwährende Reform. Auch CL-Gründer Luigi Giussani, dessen Charisma am Ursprung der „Meetings“ in Rimini steht, erkannte als Gymnasiallehrer in den 1950er Jahren, dass sich ein Skeptizismus und eine Indifferenz der nachwachsenden Christengeneration bemächtigte, auch wenn diese in einer Kultur aufwuchs, die an der Oberfläche noch ganz katholisch eingefärbt zu sein schien. Es war genau die Zeit, als der junge Theologe Joseph Ratzinger seine Gedanken über das „neue Heidentum in der Kirche“ niederschrieb.
Bischöfe müssen sich entscheiden
Giussani erfand nichts Neues, aber er rieb die vielen Verkrustungen ab, die sich auf einen verbürgerlichten Glauben gelegt hatten, um den Kern wieder hervortreten zu lassen: die Fleischwerdung Gottes in Jesus Christus, der in seiner Kirche weiter gegenwärtig ist. Joseph Ratzinger fasste denselben Gedanken als Kardinal in seinem Vortrag über die immerwährende Reform der Kirche, den er amüsanterweise auf dem „Meeting“ des Jahres 1990 in Rimini hielt, in das Bild vom Marmorklotz, aus dem ein genialer Michelangelo das Wesentliche, die Pietà, herausholt, indem er viel Überflüssiges wegschlägt.
So wenig vergleichbar die beiden „Veranstaltungen“ Synodaler Weg und „Meeting“ auch sein mögen, sie vermitteln eine Ahnung von zwei völlig unterschiedlichen Kirchenbildern und Formen des Engagements katholischer Laien, zwischen denen sich die Bischöfe entscheiden müssen. Unterstützen sie einen Gremienkatholizismus und theologische Kreise, die ihre wie auch immer definierten Projekte realisieren wollen, oder stellen sie sich hinter die Charismen, die, wenn sie authentisch sind, immer auf Jesus Christus verweisen. Wohl dem, der den Weg der Evangelisierung wählt. Seit zweitausend Jahren ist das der Königsweg der Kirche, um wirklich zu den Herzen der Menschen zu gelangen.
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