Frater Tojeira, die nicaraguanische Regierung hat den Rechtsstatus der Jesuiten als zivile Vereinigung aufgehoben und das Haus, in dem die Mitbrüder wohnten, beschlagnahmt. Wie ist nun die Lage?
Natürlich sind wir um unsere nicaraguanischen Brüder besorgt. Wir haben einige von ihnen, die krank sind und besondere Pflege brauchen, aus dem Land gebracht. Aber die überwiegende Mehrheit bleibt in Nicaragua und arbeitet in den anderen Einrichtungen, vor allem in zwei Sekundarschulen und dem Volksbildungsnetzwerk „Fe y Alegría“ („Glaube und Freude“), das mehr als 50.000 jungen Menschen pro Jahr Bildung vermittelt. Die Jesuiten leben zurzeit in einer Gemeinschaft im „Colegio Centroamérica“ sowie in anderen improvisierten Unterkünften.
Besteht die Möglichkeit, die Regierungsmaßnahmen entweder in Nicaragua oder auf internationaler Ebene, beispielsweise bei der Organisation Amerikanischer Staaten, anzufechten?
In Nicaragua wurde bisher die Möglichkeit, gegen die Maßnahmen Einspruch zu erheben oder gar einen Dialog zu führen, durch die Haltung der Regierung, die sich in ihren eigenen Entscheidungen verschließt, vollständig verhindert. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat vor kurzem eine Erklärung veröffentlicht, in dem sie „die Aufhebung des Rechtsstatus und die willkürliche Beschlagnahme der Einrichtungen der Zentralamerikanischen Universität (UCA) sowie die Zwangsräumung von Mitgliedern der Gesellschaft Jesu aus ihrem Wohnsitz“ verurteilt. Wir arbeiten an der Möglichkeit, eine Klage einzureichen.
Letztes Jahr wurden die Missionarinnen der Nächstenliebe von Mutter Teresa des Landes verwiesen. Erwarten Sie, dass die Jesuiten, die noch in Nicaragua leben, nun ebenfalls ausgewiesen werden?
Die Verfolgung der katholischen Kirche ist ganz offensichtlich. Viele Ordensleute und Priester fragen sich, wann sie an der Reihe sein werden, eingesperrt oder verbannt zu werden. Wie so viele andere Ordensleute hat die Gesellschaft Jesu beschlossen, mit ihrem Apostolat in Nicaragua zu bleiben, solange wir nicht ausgewiesen werden.
Daniel Ortega war bereits Junta-Präsident und dann von 1985 bis 1990 Präsident von Nicaragua. Was hat sich seit Beginn seiner zweiten Amtszeit im Jahr 2007 in Bezug auf die Verfolgung der Kirche geändert?
Ab 2007 trafen Daniel Ortega und seine Regierung zunehmend autoritäre Entscheidungen, um an der Macht zu bleiben und ein Netz der Familienbereicherung und der Klientelpolitik aufzubauen. In Ortegas erster Amtszeit gab es einige Konflikte mit den Positionen einiger Teile der Hierarchie und des Klerus, aber keine Verfolgung, wobei die Haltung von Kardinal Obando merkwürdig war: Er befürwortete das Ende der Somoza-Diktatur, stieß zunächst mit der Sandinistischen Front zusammen, versöhnte sich aber später mit deren Regierung und traute sogar das derzeitige Präsidentenpaar.
In der jetzigen Amtsphase ab 2007 ist die Konfrontation mit der Kirche sehr viel härter: Es wurden Bischöfe ausgewiesen, so Bischof Silvio Báez, oder – wie Bischof Rolando Álvarez – zusammen mit Priestern und Ordensschwestern inhaftiert. Die Verfolgung der Kirche in dieser Zeit muss als Teil eines Versuchs verstanden werden, jede unabhängige oder kritische Äußerung zu unterdrücken. Die politischen Oppositionsführer wurden verhaftet, verbannt und ihrer Staatsangehörigkeit beraubt, die unabhängige Presse unterdrückt und ihr Vermögen beschlagnahmt, mehr als 20 Universitäten geschlossen. Die Kirche mit ihrer prophetischen und unterstützenden Stimme wird von einem Regime, das jede andere Meinung als die von ihm selbst auferlegte unterdrücken will, nicht gut angesehen.
Die „Organisation der Katholischen Universitäten von Lateinamerika und der Karibik“ ODUCAL hat sich bereits mit Ihnen solidarisiert. Haben Sie nach der Aufhebung der Rechtspersönlichkeit noch weitere Solidaritätsbekundungen erhalten?
Ich habe bereits die Erklärung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission erwähnt, und es gab noch viele weitere Solidaritätsbekundungen. Das Büro des Generalsekretärs der Vereinten Nationen hat erklärt, dass die willkürliche Schließung der Universität gegen den „Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ ICESCR verstößt. Sowohl der Nationale Rektorenrat von Costa Rica CONARE als auch die Universität von Costa Rica (UCR) haben öffentliche Solidaritätsbekundungen abgegeben, in denen sie die herrschende Diktatur scharf kritisieren. Jesuitenuniversitäten in verschiedenen Ländern haben uns ebenfalls sehr unterstützt und arbeiten weiterhin mit uns zusammen. Das Gleiche gilt für eine große Anzahl lateinamerikanischer Bischöfe. Einige Beschwerden von Menschen, die über die Situation besorgt sind, gehen beim Menschenrechtsrat in Genf ein.
Gab es irgendwelche Reaktionen aus Europa, etwa von der Europäischen Union oder von einzelnen Ländern?
Falls ja, habe ich davon nichts mitbekommen. Ich glaube nicht.
Erwarten Sie eine Äußerung des Papstes oder eine „offizielle“ Erklärung des Vatikans?
Wir wissen, dass der Papst sehr besorgt und daran interessiert ist, die Situation in Nicaragua zu verbessern. Seine Bemühungen liegen eher im Bereich der Beziehungen zu anderen Staaten, die die Situation in Nicaragua beeinflussen können. Die Beziehung der Solidarität mit uns wurde eher in privaten Worten der Ermutigung gehandhabt.

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