Die meisten Pilger werden bei Pompei an das berühmte antike Pompeji denken, welches im Jahre 79 nach Christus bei einem heftigen Ausbruch des Vesuvs unter Aschewolken versank: Jahrhundertelang blieb das Stadtgebiet unbesiedelt, das heutige Pompei gründet sich auf einer kleinen Ansiedlung aus dem frühen Mittelalter, die später weiter aufblühte. Für Italiens Katholiken – und natürlich nicht allein für diese – besitzt Pompei aber noch ein weitere, wichtige Bedeutung: Hier befindet sich das Heiligtum Unserer lieben Frau vom Rosenkranz, ein Marienwallfahrtsort, der insbesondere Papst Johannes Paul II. so am Herzen lag, dass er Pompei zwei Besuche abstattete und wünschte, dass für ihn stets dort gebetet werde.
Im Vergleich zum weitaus größeren und traditionsreichen Loreto ist die Wallfahrt nach Pompei ein relativ junger Brauch, der sich der Initiative eines einzigen Mannes verdankt – des seligen Bartolo Longo. 1841 in Latiano bei Brindisi geboren, war er zwar in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, doch geriet er während seines Jurastudiums in Neapel in spiritistische Kreise und wurde dort sogar „Priester“, genauer gesagt: ein Geisterbeschwörer! Doch als er unter immer mehr körperlichen und geistlichen Zuständen und Krisen zu leiden begann, suchte er auf Anraten seines Professors Hilfe bei einem Dominikanerpater, der ihn zurück in den Schoß der Kirche führte.
Longo wurde am 7. Oktober 1871 in den Dritten Orden der Dominikaner aufgenommen und wählte den Ordensnamen Rosario – ein geläufiger italienischer Männername. Das waren die ersten geistlichen Schritte des Mannes, der als „Apostel des Rosenkranzes“, den er sogar in seinem Namen trug – rosario ist das italienische Wort für Rosenkranz, bekannt werden sollte. Seit dem Mittelalter verbreiteten die Dominikaner diese besondere Gebetsform, ja, die Gottesmutter soll es selbst gewesen sein, die dem Ordensgründer Dominikus die Perlenschnur mit der Anweisung überreichte, ihren Gebrauch zu lehren und sie zu verbreiten. Bartolo Longo nahm sich dieser alten Aufgabe des Ordens, dem er jetzt als Terziar angehörte, mit besonders glühendem Eifer an. Während einer Gebetszeit soll er in seinem Herzen die Worte „Wer das Rosenkranzgebet verbreitet, ist gerettet!“ vernommen haben. Zu diesem Zweck schien ihm die Errichtung eines marianischen Heiligtums in Pompei nahe Neapel am besten geeignet. So begann er zwei Jahre nach seinem Ordenseintritt mit dem Wiederaufbau einer dort befindlichen Kirche, die gleichzeitig den Menschen dort in ihrem spirituellen Notstand erneuerten Glauben und Hoffnung bringen sollte. Longo, der aus einer wohlhabenden Familie stammte und eine Adlige geheiratet hatte, wollte aber nicht nur die Kirche restaurieren, sondern auch der materiellen Not im Tal von Pompei abhelfen, besonders Refugien für die zahlreichen Straßenkinder und Waisen schaffen. Im Jahre 1875 erhält seine Kirche das Andachtsbild „Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz“, das bald als wundertätig verehrt wird und immer mehr Pilger anzieht. Die nach Norden ausgerichtete Basilika und ihr Kapellenkranz um den Chor wurden reich mit barock gestalteten Fresken ausgestaltet, deren Motive naheliegenderweise die Geheimnisse des Rosenkranzes behandeln. Ermutigung und Unterstützung hatte Longo vor allem auch von Papst Leo XIII. erhalten, der seinerseits am 1. September 1883 die Enzyklika „Supremi apostolatus officio“ veröffentlichte, welche sich dem Gebet des Rosenkranzes in Geschichte und Gegenwart der Kirche widmete. Vor allem weist er auf die rettende Kraft dieses Gebetes hin, die sich für Europa vor allem im 16. Jahrhundert erwiesen habe – ein bleibender Ausdruck der Dankbarkeit darüber sei die Einführung des Rosenkranzfestes durch Gregor XIII. und Clemens XI. gewesen. Doch Papst Leo unternimmt noch mehr, um seine große Verehrung und Treue gegenüber der Rosenkranzkönigin zu erweisen: In seinem Apostolischen Schreiben „Salutaris ille“ von 24. Dezember desselben Jahres gibt er die Anweisung, dass die Bittformel „Königin des Heiligen Rosenkranzes, bitte für uns!“ Aufnahme in die Lauretanische Litanei erhalten solle.
Der selige Bartolo Longo konnte noch die Vollendung des 80 Meter hohen Glockenturms erleben, bevor er 1926 verstarb. Heute besuchen jährlich rund vier Millionen Gläubige das „Santuario della Beata Vergine del Rosario“ und machen es damit zu einem beliebten marianischen Pilgerziel in Italien – neben Loreto mit dem bedeutenden Heiligen Haus.
1939 wurde das Santuario erweitert – es fasst nun 6 000 Gläubige – und zur Basilica minor erhoben. Insbesondere Johannes Paul II. entdeckte Jahrzehnte später dieses Heiligtum für sich und besuchte es im Jahre 1979 zum ersten Mal.
In seinem Apostolischen Schreiben aus dem Jahre 2002 „Rosarium Virginis Mariae“, in welchem er das Jahr des Rosenkranzes ausruft, erwähnt Johannes Paul II. ausdrücklich die große persönliche Bedeutung des Rosenkranzgebets für ihn selbst und zitiert eine besondere Anrufung des seligen Bartolo Longo: „O Rosenkranz, gesegnet von Maria, süße Kette, die uns an Gott bindet, Band der Liebe, das uns mit den Engeln vereint, Turm des Heiles gegen die Angriffe der Hölle, sicherer Hafen im allgemeinen Schiffbruch, dich lassen wir nie mehr los. Du, unsere Stärke in der Stunde des Todes. Dir gilt der letzte Kuss unseres Lebens, wenn wir sterben. Der letzte Gruß unserer Lippen sei dein holder Name, o Königin des Rosenkranzes von Pompeji! O gute Mutter, du Zuflucht der Sünder, erhabene Trösterin der Betrübten, sei überall gepriesen, heute und immer im Himmel und auf Erden!“
Bei seinem zweiten Besuch 2003 anlässlich des Gebetes für den Weltfrieden, wünschte er sich von den Gläubigen „in diesem Heiligtum für mich zu beten, heute und immer“.
Auch Benedikt XVI. hat 2008 die Wallfahrt nach Pompei im Besonderen in den Anliegen um Frieden und Gerechtigkeit weltweit unternommen und nach der Feier der heiligen Messe dort die ganze Welt den Händen der allerheiligsten Gottesmutter anvertraut. Die Schönheit der Basilika ruft heute auch bei vielen Touristen, die nur des antiken Pompeji wegen vor Ort sind, großes Entzücken hervor.
Und für Rom-Pilger, die einen längeren Aufenthalt in der Ewigen Stadt planen, ist ein Abstecher ins etwa 250 km entfernte Pompei also nicht nur aus historischem Interesse lohnenswert.
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