Soldaten-Wallfahrt Lourdes

Soldatenwallfahrt nach Lourdes

Zum Programm der Bundeswehr-Soldaten bei der internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes  gehörte auch der Kreuzweg. Dabei waren die religiösen Beweggründe der Teilnehmer durchaus unterschiedlich. Doch Fragen zu Tod und Sterben betreffen sie alle gemeinsam.
Soldaten beten den großen Kreuzweg.
Foto: O. Gierens | Soldaten beten den großen Kreuzweg.

So richtig kann sich das Wetter an diesem Freitag nicht entscheiden. Doch gerade, als sich gut 25 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im französischen Wallfahrtsort Lourdes zum Kreuzweg versammeln, setzt Regen ein. Mehr als 400 Kameraden sind in diesen Tagen zur 63. internationalen Soldatenwallfahrt in dem kleinen Städtchen am Fuße der Pyrenäen angereist drei Tage voller Begegnungen, Eindrücke und geistlicher Angebote. Auch an diesem verregneten Freitagnachmittag gibt es mehrere „Wallfahrtsmodule“, aus denen die Soldaten wählen können. Ein Rosenkranzgebet ist ebenso darunter wie eine Entdeckungsreise auf den Spuren der heiligen Bernadette Soubirous, der hier im Jahr 1858 insgesamt 18 Mal die Gottesmutter Maria in einer Grotte erschienen ist. Militärpfarrer Burkhard Schmelz lädt - trotz der Osterzeit -  zur Betrachtung der 15 Stationen des Kreuzwegs Christi ein. Und dafür müssen die Teilnehmer einen ordentlichen Anstieg in Kauf nehmen. Doch umso mehr lässt sich der Weg Jesu nach Golgatha nachempfinden - auch durch die riesigen, beeindruckenden Kreuzwegdarstellungen am Wegesrand, unter denen Tafeln in zahlreichen Sprachen verraten, welche Station hier dargestellt ist.

Auch wenn manchmal kolportiert wird, ein Kreuzweg oder andere Frömmigkeitsübungen seien etwas für besonders gläubige Menschen, wird der Pilger hier eines Besseren belehrt. Ziemlich am Ende der Gruppe läuft Oberbootsmann Christian K. aus Quakenbrück mit. Trotz des Regens macht er viele Fotos, ist an dem Geschehen sichtlich interessiert. „Ich bin allerdings nicht getauft, stattdessen bin ich Heide“, erzählt der Marinesoldat im Gespräch. Trotzdem hat er sich schon zum zweiten Mal entschieden, an der jährlichen Soldatenwallfahrt nach Lourdes teilzunehmen. „Ich lasse mich inspirieren“, sagt der junge Marinesoldat. Bei seinem ersten Besuch in dem Wallfahrtsort habe er den Kreuzweg nicht mitbekommen, das will er jetzt nachholen. Der Glaube, so ist er überzeugt, sei etwas ganz Eigenes, Privates. „Man kann ihn nicht in Kisten packen“, sagt Christian K. Für ihn ist Lourdes ein besonderer Ort, der ihn beeindruckt. „Ich kann nur noch nicht sagen, was es ist.“ Währenddessen setzt Militärpfarrer Schmelz seine Kreuzwegbetrachtungen fort. Es ist die Station, an der Jesus zum ersten Mal unter dem Kreuz fällt. Wo wird meine Last zu schwer, fragt er die Teilnehmer. Sie ziehen schweigend, teils in Gedanken versunken den Berg hinauf und trotzen dem Regen, der inzwischen stärker geworden ist.

Urteile über andere hinterfragen

Unter ihnen ist auch Christina K., ebenfalls vom Standort Quakenbrück. Die junge Soldatin hat einen religiösen Hintergrund, war schon in Taizé, wie sie erzählt. In diesem Jahr ist sie zum ersten Mal nach Lourdes mitgereist. „Ich finde es etwas überlaufen, aber es ist trotzdem sehr schön hier“, sagt die junge Soldatin. In ihrer Jugend war sie als Messdienerin in ihrer Gemeinde aktiv. „Aber schon seit Jahren habe ich nur noch wenig mit Kirche am Hut“, gesteht sie ein. Dennoch hat sie sich auf den Pilgerweg zu diesem Wallfahrtsort gemacht, lässt sich von den geistlichen Angeboten inspirieren.
Währenddessen erreicht die Gruppe die nächste Station des Kreuzwegs: Simon von Cyrene hilft Jesus, das Kreuz zu tragen. Unsere Urteile über andere sorgfältiger zu überdenken, dazu ruft der Priester auf. Simon habe Jesus geholfen; egal, was andere über ihn gesagt hätten. „Lasten wollen bewegt werden. Was empfinde ich als Last? Wo wird meine Last zu schwer?“ Mit diesen gedanklichen Anregungen machen sich die Soldaten, unter ihnen auch viele jüngere, weiter auf den Weg.


Dabei will sie Militärpfarrer Schmelz auch mit Überlegungen konfrontieren, die für ihren Dienst in der Armee nützlich sein können. Zum Beispiel an der Station, an der Jesus zum zweiten Mal unter dem Kreuz fällt. "Sich fallen lassen will gelernt sein", ruft er den Soldaten zu. Das ist für viele Kameraden durchaus nicht selbstverständlich, oft wird es als Schwachheit oder gar als Niederlage empfunden. Wer im Einsatz getötet wird, gilt im allgemeinen Sprachgebrauch als „Gefallener“. Der Militärgeistliche zitiert Psalm 23: „Und muss ich auch wandern im finsteren Tal“ und er fragt die Teilnehmer: „Wen oder was brauche ich, um mich fallen lassen zu können?“ Einer, der sich diese Fragen schon öfters gestellt hat, ist Frank M., Oberfeldwebel der Reserve. Seine aktive Dienstzeit als Soldat liegt schon länger zurück, seit 1996 ist er Reservist. „Ich bin weder katholisch noch evangelisch, aber ich betrachte mich als Christ“, erzählt er während des Kreuzwegs. Seit seinem Grundwehrdienst ist der Bundeswehr-Zivilbeamte bei den Soldatenwallfahrten nach Lourdes dabei.

Der Tod ist für Soldaten zumindest eine Option

„Diese Fahrten nehmen mich jedes Mal aus dem Alltag heraus“, sagt Frank M. „Wenn ich hierher komme, gibt mir das wieder neue Kraft. Ich fühle mich dann, als wäre ich drei Monate weg gewesen.“ Was ihn an dem Wallfahrtsort so fasziniert, kann er kaum in Worte fassen. „Ich weiß nicht genau, was es ist. Aber Lourdes ist ein besonderer Ort.“ Am Anfang, während des Grundwehrdienstes, sei es ihm vor allem darum gegangen, Spaß zu haben, erzählt Frank M. Mittlerweile sei er ruhiger geworden, lasse den Wallfahrtsort mehr auf sich wirken. Inzwischen ist die Gruppe an der zwölften Station angekommen: Jesus stirbt am Kreuz. Eine riesige, imposante Darstellung der Kreuzigungsszene sorgt bei den Soldaten sichtlich für Ergriffenheit, unabhängig von ihrem religiösen Hintergrund. „Was wäre für mich ein guter Tod?“, fragt der Militärpfarrer. Die Soldaten schweigen. Nur die wenigsten von ihnen haben aktiv an Kampfeinsätzen der Bundeswehr teilgenommen. Aber der Tod ist für jeden von ihnen zumindest eine theoretische Option, mit der sie rechnen müssen.

Vor der übergroßen Kreuzigungsszene steht auch der junge Offiziersanwärter Isidor B. Für 13 Jahre hat sich der Oberfähnrich als Feldjäger verpflichtet, studiert derzeit Geschichte an der Bundeswehr-Universität in Hamburg. "Ich bin auch privat gläubig, arbeite aktiv in meiner Gemeinde mit", erzählt er im Gespräch. Zum zweiten Mal ist er jetzt bei der Soldatenwallfahrt in Lourdes dabei und freut sich darüber, dass ihn die Tage in Frankreich aus dem Alltag herausreißen. „Ich bin ja als Student derzeit nicht mit Kampfeinsätzen konfrontiert“, sagt der junge Soldat. „Aber es ist für uns alle sicher gut, auch mal über Tod und Sterben nachzudenken.“

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Oliver Gierens Communauté de Taizé Evangelische Kirche Jesus Christus Mutter Jesu Maria Tod und Trauer

Weitere Artikel

Von Freitag bis Sonntag werden zehntausende Soldaten aus rund 40 Nationen im südfranzösischen Wallfahrtsort erwartet.
11.05.2023, 20 Uhr
Oliver Gierens
Matthias Prock war einst Regensburger Domspatz, dann wurde er Kirchenmusiker. Schließlich verschlug es ihn zum Militär, Ein Gespräch von der Soldatenwallfahrt in Lourdes.
21.05.2023, 21 Uhr
Oliver Gierens

Kirche

Wegen Überfüllung geschlossen: 16000 Pilger aus 28 Ländern wandern am kommenden Wochenende zu Fuß von Paris nach Chartres.
28.05.2023, 13 Uhr
Franziska Harter
In der 56. Folge des Katechismuspodcasts mit der Theologin Margarete Strauss geht es um die Frage, wie der Mensch mit der Vorsehung zusammenarbeitet.
27.05.2023, 14 Uhr
Meldung
„Das war die Vorsehung!“ Aber was genau ist das eigentlich? Dieser Frage widmet sich Theologin Margarete Strauss in der 55. Folge des Katechismuspodcasts.
26.05.2023, 14 Uhr
Meldung
In der 54. Folge des Katechismuspodcasts geht es mit Theologin Margarete Strauss um die Schöpfungstätigkeit Gottes.
25.05.2023, 18 Uhr
Meldung
Historisch, theologisch, spirituell: Welche Aspekte laut "Premio Ratzinger"-Preisträger Ludger Schwienhorst-Schönberger eine zeitgemäße Bibelwissenschaft auszeichnen. 
27.05.2023, 17 Uhr
Ludger Schwienhorst-Schönberger