An der Uni Regensburg, wo ich studierte, liefen mir hin und wieder Ordensleute im Habit über den Weg. Es war durchaus merkwürdig, ein solches Ordenskleid im bunten Gewimmel sonstiger Moden zu sehen: Enges, Schlabberndes, Zerfetztes, Grelles ... Zwischen all dem wirkte ein Ordenshabit einerseits höchst exotisch, andererseits haftete ihm in meinen Augen eine Natürlichkeit an, die die meisten anderen Moden vermissen ließen.
Während in dem bunten Mischmasch jeder nach Kräften „sich selbst“ darzustellen suchte, ordnete der Habit seinen Träger – auch wenn er weit und breit der einzige seinesgleichen war – unmittelbar in eine Gemeinschaft, einen Zusammenhang ein. Seltsamerweise schien mir der Habit die wesentliche Persönlichkeit seines Trägers zu betonen, wohingegen ich ringsumher eine umständlich aufgemotzte Gleichförmigkeit sah. Das soll keine Rundumkritik der zeitgenössischen Mode sein – ich muss mich in Hinblick auf meinen damaligen Kleidungsstil definitiv auch zu den Exzentrikern rechnen. Ich will damit nur andeuten, dass der Habit eine eigenartige Anziehungskraft auf mich ausübte.
Freundschaft mit dem Habit geschlossen
In den letzten Jahrzehnten haben sich viele Ordensgemeinschaften vom traditionellen Habit verabschiedet: Man sagt, das Ordenskleid vermittle Weltferne und Enge – ganz abgesehen davon, dass es als rettungslos altmodisch gelten muss. Natürlich gibt es Situationen und Ordensprofile, die einen Verzicht auf den Habit ratsam erscheinen lassen. Aber im Großen und Ganzen ist es mir ein Rätsel, wie gottgeweihte Menschen die Hilfe, die der Habit im Ordensleben bietet, als unnötig zurückweisen können.
In meiner zugegebenermaßen erst kurzen Erfahrung gibt es im Ordensleben vieles, woran man sich nur sehr langsam gewöhnt. Anderes begeistert einen vielleicht in den ersten Monaten und muss dann mit Sorgfalt gepflegt werden, wenn es nicht zu einer erdrückenden Last werden soll. Mit dem Habit geht es mir da anders. Mit ihm habe ich ein Jahr nach dem Eintritt ins Kloster am Tag meiner Einkleidung eine Freundschaft geschlossen, die bisher nicht einmal in den heißesten Sommerwochen, wenn man in dem wollenen Kleid schwitzt wie ein Stück Käse in der Sonne, ins Wanken geraten ist.
Ausdruck der Ganzhingabe an Christus
Der populäre Leitspruch des Benediktinerordens „Ora et Labora“ ist anschaulich in unserem Habit ausgedrückt, der zugleich ein feierliches und praktisches Gewand ist, zur Liturgie wie zur Arbeit geeignet. In den weiten Ärmeln steckt ein eigentümlicher Duft, in dem sich Weihrauch, Lampenöl und Basilikum vermischen. Am Saum des langen Obergewandes sind verschiedene Laschen und Knöpfe angebracht, mit denen sich das Ganze in Sekundenschnelle so zusammenstecken lässt, dass man bequem darin abwaschen, Brot backen oder auch Fußball spielen und auf Bäume klettern kann.
Für gröbere Arbeiten haben wir einen speziellen Arbeitshabit. Der Habit erinnert mich zudem beständig daran, wer ich bin – ein Kind Gottes, das der Herr aus Gnade in seinen Dienst gestellt hat – und fordert mich dazu auf, dieser Berufung gerecht zu werden. Was könnte die Ganzhingabe an Christus besser zum Ausdruck bringen als ein Gewand, das einen ganz und gar, wie eine zweite Haut, umgibt?
Zeichen für eine innere Wandlung
In der Tat ist das ein prominentes Bild in der Heiligen Schrift, besonders in den Briefen des Apostels Paulus, der seine Mitgläubigen immer wieder ermutigt, „Christus anzuziehen“: „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gottes Bild geschaffen ist, in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Epheser 4, 24). Natürlich bezieht sich dieses Bild nicht ausschließlich auf Ordensleute, sondern auf alle getauften Christen. Und natürlich ist das Kleid nur ein Zeichen für eine innere Wandlung. Aber wir sind vergessliche Geschöpfe, die auf äußere Zeichen angewiesen sind.
Im Psalm 74/73, der von der Zerstörung Jerusalems handelt, gipfelt die Beschreibung des Elends in der Klage: „Unsere heiligen Zeichen sind nirgends mehr zu sehen.“ Nicht allein in Bezug auf den Habit scheint dieser Vers sehr eindringlich in unsere Zeit hineinzurufen. Wenn heute oft gesagt wird, dass Ordenstrachten – und selbst der vergleichsweise unscheinbare Priesterkragen – „abschreckend“ und „unzugänglich“ wirkten, so bedeutet das ein schwerwiegendes Missverständnis des gottgeweihten Lebens.
Hinweis auf das kostbares geistiges Gewand
Wer sein Leben ganz dem Herrn übergibt, muss notwendigerweise von der Welt zurücktreten. Wer dies aus reinem Antrieb tut, tut es nicht um seiner selbst willen, auch nicht aus Furcht oder Abscheu vor der Welt, sondern gerade für die Welt, um diese in der Abgeschiedenheit vor Gott zu vertreten. Diese Abgeschiedenheit kennt verschiedene Stufen; bei den aktiven Orden hat sie eine andere Form als bei den kontemplativen. Aber sie ist immer irgendwie da und muss – wenn sie nicht überspielt und vergessen werden soll – einen konkreten Ausdruck finden.
Auch dies gilt nicht nur für Ordensleute: Die letztgültige Bestimmung des Menschen liegt nun einmal nicht in „der Welt“, sondern in Gott. Jedem Christen gilt die Warnung des heiligen Paulus, sich nicht der Welt anzugleichen (Römer 12, 2). Der Ordenshabit kann andere Christen daran erinnern, dass wir alle ein kostbares geistiges Gewand tragen, dessen Besitz uns mit überströmender Freude erfüllen sollte: „Ich will jauchzen und frohlocken im Herrn; meine Seele soll jubeln in meinem Gott. Denn er hat mich umhüllt mit Gewändern des Heils, mich umgeben mit dem Kleid der Gerechtigkeit“ (Jesaja 61, 10).
Die Verfasserin gehört dem Benediktinerinnenkonvent St. Cecile's auf der Isle of Wight in Großbritannien an.
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