Synodaler Weg

Menschwerdung oder Mannwerdung?

Die Gesprächsreihe „Quo vadis Ecclesia“ versucht sich an der Frage der Rolle der Frau in der Kirche – mit bekannten, aber durchaus auch überraschenden Argumenten.
Kann man über die Rolle der Frau in der Kirche sprechen?
Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich (www.imago-images.de) | Auch diese, hier von Maria 2.0 auf dem Katholikentag in Stuttgart anschaulich illustrierte These, wurde in Bad Godesberg rezipiert.

Kann man über die Rolle der Frau in der Kirche sprechen, ohne den Diskurs auf die Frage des Weiheamtes zu reduzieren? Die Gemeinde Sankt Marien in Bonn-Bad Godesberg wagte im Rahmen der Gesprächsreihe „Quo vadis Ecclesia“ zumindest den Versuch: Zum Podiumsgespräch über „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ hatte sie die Dogmatikerin Dorothea Sattler, Vorsitzende des gleichnamigen dritten Synodalforums, und Beate Beckmann-Zöller, Präsidentin der Edith-Stein-Gesellschaft, geladen.

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Konkrete Forderungen

Beide Referentinnen argumentierten eher zögerlich. Dorothea Sattler stellte die Arbeit des III. Synodalforums vor: Sie betonte, dass Einigkeit darüber bestünde, dass man nicht fordern, sondern offene Fragen formulieren wolle. Dieser Aussage stehen allerdings die Handlungstexte des Forums selbst entgegen, die durchaus konkrete Forderungen enthalten. Dass diese als „Voten“ überschrieben sind, hebt den inhaltlich fordernden Charakter nicht auf. Für Aufsehen sorgte Sattler, als sie klarstellte, dass die Erkenntnisquellen der Katholischen Kirche Schrift und Tradition seien, nicht aber die „Zeichen der Zeit“.

Damit widersprach sie sowohl dem Orientierungstext, und damit einer der Grundlagen des Synodalen Wegs, als auch Bischof Bätzing. Dieser hatte die Einordnung der Zeichen der Zeit als Erkenntnisquelle gegenüber einer Kritik Kardinal Kochs nochmals verteidigt.

Andererseits maß Sattler auch der Tradition kaum Bedeutung zu; Dem Apostolischen Schreiben Johannes Pauls II., „Ordinatio sacerdotalis“ über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe, sprach sie den verbindlichen Charakter ab. Den ursprünglichen Willen Jesu von der Schrift her zu ergründen, hielt sie für unmöglich: Befremdlich wirkte an dieser Stelle Sattlers wiederholte Berufung auf die Leben-Jesu-Forschung als entscheidenden Angelpunkt für zeitgemäße Exegese. Sie trennte kategorisch zwischen dem „irdischen Jesus“ (Sattler) und dem „Christus des Glaubens“ und behauptete, dies sei weltweit der aktuelle Stand der Theologie.

Ein Dilemma

Selbst der anwesende Pfarrer, gemeinsam mit Bildungsreferentin und Pastoralreferent Organisator der Gesprächsreihe, gab seine gewohnte Zurückhaltung auf und widersprach Sattler deutlich: Zum einen im Hinblick auf die Jesus-Bücher Joseph Ratzingers/Benedikts XVI., zum andern mit Hinweis auf die internationale theologische Fachwelt, die den von der Leben-Jesu-Forschung aufgerissenen Graben durchaus überbrückt und auffüllt, ohne in Gegensatz zur historisch-kritischen Methode zu geraten.

Sattlers Ansatz führt in ein Dilemma: Welche Hilfsmittel können überhaupt zur Beantwortung der Frage nach dem Weiheamt herangezogen werden, wenn Schrift, Tradition, und selbst die von der Synodalversammlung als Erkenntnisquellen deklarierten Parameter ausfallen? Sattler löst das Problem, indem sie das dem Mann vorbehaltene Amt als primär kulturell bedingte Einschränkung betrachtet. Somit sieht sie letztlich soziologische Parameter als Verständnisschlüssel für Schrift und Tradition – eine geschickte Vorgehensweise: Formal hält man an den Erkenntnisquellen Schrift und Tradition fest. Bedeutung und Gültigkeit biblischer Aussagen werden aber nicht durch die Tradition, sondern anhand von (veränderter) Kultur und Lebensrealität erschlossen. Die Tradition wiederum wird missverstanden als „Traditionen“, als Ansammlung von zeitbedingten Gewohnheiten.

Berufung auch ohne Weihe 

Sattler stellt als Gegensatz dar, ob man die sakramentale Christusrepräsentanz an der Menschwerdung oder am Mannsein Christi festmache. Dass die Betonung der Menschwerdung eine Öffnung des Weiheamtes impliziere, ist aber nur schlüssig, wenn zuvor die christliche Anthropologie aufgegeben wurde – denn nach christlicher Auffassung schließt die Menschwerdung eine geschlechtliche Zuordnung ein.

Beckmann-Zöllers Argumentation war überraschend: Ausgehend vom Geschehen im Pfingstsaal müsse Hierarchie nicht pyramidal gedacht werden. Man könne auch vom inneren Kreis der Zwölf und von äußeren Kreisen vieler Jüngerinnen und Jünger ausgehen, die einander auf Augenhöhe zugeordnet seien. Allgemeines und besonderes Priestertum seien zwei Säulen, auf denen die Kirche ruhe. Laien seien dazu berufen, Welt und Kirche gemäß ihrer Charismen zu gestalten.

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Verblüffend ist, dass Beckmann-Zöller damit ein altbekanntes Denkmuster durchbricht:  Normalerweise dient der „charismatische“ Zugang zum Amtsverständnis als argumentative Grundlage für die Öffnung des Weiheamtes für Frauen. Beckmann-Zöller dagegen erläuterte, dass Frauen ihre Berufung dort leben können, wo man ihr Charisma als Laien fördert. Allerdings versäumte Beckmann-Zöller, zu Beginn präzise zu erklären, was ihre Vision einer charismatisch erneuerten Kirche mit der Frauenfrage zu tun hat. Daher konnte sie das Publikum, das erwartungsgemäß auf eine thematische Engführung eingestellt war, nicht „abholen“. Die ungewohnte Perspektive kam nicht recht zur Geltung, obwohl sie eigentlich ein tiefsitzendes Problem aufgedeckt hatte: Wo das Engagement der Laien nicht genügend geachtet wird, steigt der Wunsch, durch ein Amt Anerkennung zu finden: Ein „Klerikalismus von unten“.

Charismen in der Gemeinde

Beckmann-Zöller warb dagegen für eine Kirche, in der die Geweihten den Laien dabei helfen, ihre Charismen zu entfalten. Bedenkenswert ist Beckmann-Zöllers Kritik an der Pfarrgemeinde, die häufig in verkrusteten Strukturen verharre. Sie wies zudem darauf hin, dass Laien vieles von dem, was sie tun könnten und sollten, nicht genügend tun: Evangelisierung und Katechese etwa sei Aufgabe aller Getauften. Ihre Ausführungen sind von hoher Relevanz für eine erneuerte Kirche und Gemeinde. Eine Frau, die sich zum Priesteramt berufen fühlt, können sie aber nicht überzeugen. Denn dass eine Frau in einer dynamischen, auf das Evangelium zentrierten Gemeinde nicht Priester zu werden braucht, um ihre Charismen zu leben, erklärt nicht, wieso sie es nicht werden kann beziehungsweise darf.

Leider griff auch Dorothea Sattler diese klaffende Lücke in der Argumentation nicht auf, sondern blieb mit dem Begriff der Charismen auf einer anderen Ebene als

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jener der sakramentalen Weihe. Insbesondere fielen hier Verkürzungen auf, die eine tiefergehende Auseinandersetzung erschwerten: Warum Frauen trotz all ihrer Charismen keine Leitungsfunktionen ausüben könnten? Eine solche Frage wirkt angesichts der Tatsache, dass Frauen mittlerweile auch im Vatikan hohe Posten bekleiden, etwas aus der Zeit gefallen. Phänomenologische und typologische Überlegungen Beckmann-Zöllers wiederum waren zu unpräzise und unstrukturiert, um das Thema aus der Sackgasse der Weiheamtsproblematik zu manövrieren.

Verengte Rolle der Frau

Es ist symptomatisch, dass auch das ebenfalls von Johannes Paul II. verfasste Schreiben „Mulieris dignitatem“ an diesem Abend mit keinem Wort erwähnt wurde, Maria lediglich im Beitrag einer Zuhörerin. Angesichts der frappierenden Entfremdung von der Tradition und angesichts des postmodernen Strebens nach „Geschlechtergerechtigkeit“ wird die Rolle der Frau allein daran gemessen, ob sie eine sakramentale Weihe empfangen kann oder nicht. Diese Engführung wiederum blockiert die Entwicklung eines tragfähigen, angemessenen Frauenbildes, einer „Theologie der Frau“, wie es Papst Franziskus ausdrückt.

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