In der Friedenskonferenz wurde bei der Begrüßung des Heiligen Vaters bekanntlich angekündigt: Wir begrüßen aus Rom Franziskus den Zweiten!
Das war freilich kein Fehler, denn vor fast 800 Jahren war der Namensgeber des regierenden Papstes schon in Ägypten: Im Jahre 1219 traf Franziskus Sultan El-Kamil. Er wollte ihn bekehren, aber der Sultan hörte ihn nur geduldig an und schickte ihn dann wieder weg. Die damaligen Friedensangebote des Sultans, samt Rückgabe Jerusalems und der Kreuzesreliquie, scheiterten jedoch an der Weigerung des Kardinals Pelagius von Albano, überhaupt mit den muslimischen Herrschern zu reden.
Der Heilige Franziskus war gescheitert, ein Kardinal hatte die Friedenschance vertan. Ganz anders der Besuch des jetzigen Petrusnachfolgers Franziskus und seiner Kardinäle, allen voran der „Ökumenekardinal“ Kurt Koch. Ganz Ägypten war begeistert, und ich höre auch jetzt noch, nachdem der Alltag Ägypten wieder eingeholt hat, wie großartig es gewesen sei, diesen „Führer der Christenheit“ als Gast gehabt zu haben. „Baba Vatikan“, wie ihn die Ägypter, Christen und Muslime, nennen, konnte zunächst durch seine Bescheidenheit überzeugen. Es ist wohl noch kein Papst in einem „golf-cart“ zur Begrüßung durch ein Stadion gefahren. Ein batteriebetriebenes Wägelchen, auf dem eben nur der Papst und eng gedrängt der koptisch-katholische Patriarch Ibrahim Platz fanden. Man empfand es eher als eine „Gehhilfe“. Da der letzte Besuch eines Papstes schon 17 Jahre zurückliegt, war eine neue Generation vorhanden, die noch keine Erfahrungen mit Päpsten hat. Wohl aber mit Herrschern, Präsidenten oder solchen, die sich „pharaonenhaft“ gebärden.
Mein inzwischen allseits bekannter Mitarbeiter Mustafa sagte: „Er wäre wahrscheinlich am liebsten mit einem Esel gekommen!“ Die immensen Sicherheitsbemühungen, abgesperrte Straßen und von Autos leergeräumte Plätze passten nicht recht zu diesem Mann, der mit offenem Blick lächelnd auf die Menschen zugehen wollte – aber doch zumeist daran von den ägyptischen Kräften gehindert wurde. Ägypter sind für Gesten, nette Worte und Symbole offen – auch damit konnte Papst Franziskus in nur 27 Stunden die Herzen aller Ägypter erobern. Zu Beginn wohl all seiner Reden benutzte er den islamischen Gruß „As-salamu aleikum“ (Der Friede sei mit Euch). Unter Christen ist dieser Gruß in Ägypten nicht üblich, aber auch zu Beginn seiner kurzen Predigt vor Priestern, Seminaristen und Ordensleuten im Priesterseminar zu Maadi rief er diesen muslimischen Ruf den Zuhörern zu – und alle antworteten brav, aber auch mit einem vergebenden Lächeln „wa – aleikum as-salaam“ (Und auch mit Euch sei der Friede). Und es war die brüderliche Geste der Umarmung des Großscheichs der al-Azhar, Ahmed el-Tayyeb, die meine muslimische Sitznachbarin bei der Friedenskonferenz im Conference Center zu der Äußerung veranlasste: „Seht, wie sie einander lieben!“ Dass für Franziskus schlechthin alle Menschen Mitgeschöpfe und somit auch Brüder und Schwestern sind, hatte für sie keine Bedeutung. Und dass Gräben, ja Abgründe zwischen den beiden Religionen liegen, hindert den Papst nicht, den Menschenbruder zu umarmen. In seiner Ansprache vor der Friedenskonferenz machte er so auch deutlich, dass ein Dialog immer auch Grundvoraussetzungen hat: „die Verpflichtung zur Wahrung der Identität, der Mut zur Andersheit und die Aufrichtigkeit der Absichten“. Dialog kann nie eine Strategie sein, um Hintergedanken zu verwirklichen, so der Papst.
Schließlich war der Besuch auch innerchristlich-ökumenisch und nicht zuletzt politisch. Einer meiner Freunde und Friedensaktivisten bereits bei den Unruhen im Januar 2011, die dann zur sogenannten „Revolution“ führten, rief mich an und sagte aufgeregt: „Das ist ja ein Revolutionspapst: Er hat eben die drei Forderungen genannt, die wir vor über sechs Jahren formuliert haben: Brot, Freiheit, soziale Gerechtigkeit!“
Und er zitierte wörtlich den Revolutionsgedanken der Revolution von 1952: „Die Religion ist für Gott – das Vaterland für alle!“ Wenn man die Reden aufmerksam und mit Wissen um die heutige Situation Ägyptens liest, wird ein ganzes „Reformprogramm“ daraus. Die jungen Männer und Frauen, die im Februar 2011 Präsident Mubarak zu Fall gebracht haben, hören jetzt aus dem Mund des Führers der Christenheit, ihre „alten Parolen“ – und noch mehr. Schließlich waren viele Menschen berührt vom ökumenischen Gottesdienst mit Patriarch Tawadros. Eure Märtyrer sind auch unsere Märtyrer! Gerade die Angehörigen der über 70 getöteten Christen im Dezember und April sind für den Papstbesuch dankbar. Ich bin sicher, dass dieser Besuch noch weiterwirkt. Er hat Mut gemacht.