Brüssel (DT/KAP/KNA) Das christliche Verständnis von Barmherzigkeit ist nach den Worten von Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller „kein ,Freibrief‘, um zu sündigen oder weiterhin in Sünde zu leben“. Vielmehr müsse der Sünder seine Tat bereuen und sich ernsthaft darum bemühen, sein Fehlverhalten nicht zu wiederholen, sagte Müller in einem Interview der belgischen Wochenzeitung „Tertio“ (Mittwoch). Er nahm Bezug auf gewisse, seines Erachtens falsche Schlussfolgerungen aus dem postsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“, denen zufolge alle irregulären Ehesituationen nach einer Beratung akzeptiert werden könnten.
Zum Eheverständnis der katholischen Kirche sagte Müller, dass die „Unauflöslichkeit“ der Ehe bestehen bleibe. „Es gibt keine Umstände, in denen Ehebruch keine Todsünde wäre“, sagte Müller. Auch „Amoris laetitia“ zu Ehe und Familie stehe dazu nicht im Widerspruch. Auf Sünde müssten Reue, Bereitschaft zur Wiedergutmachung und Bekehrung folgen, und dies betone auch das päpstliche Dokument, so der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation. Er kritisierte zugleich die Initiative von vier Kardinälen, die den Papst schriftlich zur Klärung mehrerer „Zweifel“ („Dubia“) rund um „Amoris laetitia“ – darunter der Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen – aufgefordert hatten. Dies schade der Kirche, betonte Müller.
Weiter ging er auf die Frage nach theologischen Parallelen zwischen den Päpsten Benedikt XVI. und Franziskus ein und hob in diesem Zusammenhang die beiden Päpsten gemeinsame Warnung vor einem religionsfeindlichen Laizismus in Europa hervor. Dieser Laizismus stehe auch in ethischer Hinsicht dem Naturrecht entgegen.
Dabei kam der Kardinal auf die Sterbehilfe-Debatte in Belgien zu sprechen. Aktive Sterbehilfe als Menschenrecht zu verstehen, sei „schlimm“ und „traurig“. Immer mehr Gruppen von Menschen könnten mittlerweile aktive Sterbehilfe in Belgien beantragen, etwa Minderjährige, Menschen mit einer psychischen Krankheit oder Demenz-Patienten. Die Betroffenen fürchteten, ihren Mitmenschen zur Last zu fallen, sagte Müller. Doch dabei handle es sich um eine „falsche Vorstellung“. Das Leben sei ein Geschenk. „Es ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, ob ein Leben noch Wert hat“, betonte der Kurienkardinal.
In Belgien ist aktive Sterbehilfe unter bestimmten Umständen kein Straftatbestand. Die Nachfrage steigt stetig. Seit Februar 2014 gibt das Land als erstes weltweit keine Mindestaltersgrenze für aktive Sterbehilfe mehr vor.