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Kardinal Robert Sarah: Wider die Lauheit

Kardinal Robert Sarah schlägt den Bogen von geistlichen Wüstenerfahrungen zu authentischer Nachfolge Christi. 
Wüstenerfahrungen
Foto: via imago-images.de (www.imago-images.de) | Wadi Rum, eine Wüstenwildnis im südlichen Jordanien. Kardinal Sarah erklärt anhand des Exodusmotivs was eine Bekehrung und Hinwendung zu einem sakramentalen Leben bedeuten.

Wenn in spiritueller Literatur von Wüstenerfahrungen die Rede ist, mag das Bild angesichts der fehlenden realen Wüstenlandschaft in diesen Breitengraden schwer vorstellbar sein. Und doch ist das Bild zentral: Kardinal Sarah hat jüngst ein Buch verfasst, das ein Eingangsportal ins innere Leben darstellt und die Sakramente, das Gebet, die Askese und die Liturgie in den Fokus rückt. Anhand des Exodusmotivs führt er aus, was eine Bekehrung und Hinwendung zu einem sakramentalen Leben bedeuten.

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All diese Grundkonstanten werden erst fruchtbar in der Rede mit, statt ausschließlich über Gott: „Wir haben genügend hervorragende Spezialisten und Professoren der Ekklesiologie. Was der Kirche heute tragischerweise fehlt, sind Männer Gottes, Männer des Glaubens, und Priester, die Anbeter im Geist und in der Wahrheit sind.“

Taufe ohne bewusste Jüngerschaft  bleibt fruchtlos

Kardinal Sarah bemüht sich nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich um einen katechetischen Stil, der zugänglich ist für Katholiken aus allen Bildungsschichten. In insgesamt neun Blöcken, die wesentlich zusammengesetzt sind aus den Sakramenten der Kirche und den Knotenpunkten der menschlichen Biografie, zeichnet Sarah den Weg des inneren Lebens nach und untermauert seine Ausführungen anhand der Heiligen Schrift, der Tradition und lehramtlicher Aussagen.

Zunächst dekliniert Sarah das neue Leben durch die Taufe, indem er die christologische und trinitarische Dimension der Taufe erklärt sowie ihre moralische Konsequenz – die Berufung zur Heiligkeit und zu einem gottgefälligen Leben. Ohne lebendige Gottesbeziehung bleiben die Initiationssakramente sinnlos, „wenn sie nicht zur innigen Vereinigung mit der Person unseres Herrn Jesus Christus führen“. Taufscheinchristentum und Teilnahme am christlichen Leben ohne bewusste Jüngerschaft bleiben fruchtlos. Sarah verwendet dafür den Begriff der „Freundschaft mit Gott“, die zugleich Feindschaft, ja Kampf mit der „Antikultur des Todes“ nach sich zieht.

Plädoyer für eine möglichst frühe Spendung des Sakraments der Firmung

Im zweiten Kapitel erfolgt ein pneumatologischer Grundriss, bei dem die Grundlagen des Heiligen Geistes im Leben der gesamten Kirche sowie des einzelnen Gläubigen dargelegt werden. Sarah verdeutlicht, inwiefern der Heilige Geist in den Sakramenten wirkt, wie er die Vergebung der Sünden selbst ist, den Glauben schenkt und Offenbarung sowie Gotteserkenntnis ermöglicht. Eingebettet in diese Grundüberlegungen erklärt Sarah das Sakrament der Firmung und plädiert – wie schon bei der Betrachtung der Taufe – für eine möglichst frühe Spendung des Sakraments. Die Firmung wird sodann als „Sakrament für den Eintritt ins innere Leben“ betrachtet.

Auch im Eucharistiekapitel legt der Autor die Grundlagen dar, bevor er den kontemplativen Kern entfaltet: „Christus ist nicht nur da, um anwesend zu sein. Er ist da, um sich uns als Nahrung zu geben, auf dass die Vereinigung zwischen ihm und uns so vollkommen wie möglich ist.“ Ausgehend vom Bundesbegriff beschreibt er die gegenseitige Selbstübereignung, die Gottes Vermählung mit der Menschheit bedeutet. Für einen fruchtbaren Kommunionempfang sind der Glaube an die Realpräsenz, der Wille, selbst zum Leib Christi gewandelt zu werden, und der Glaubensgehorsam entscheidend. Die kontemplative Kraft des allerheiligsten Sakraments entfaltet sich überdies in der eucharistischen Anbetung.

Verlust des Sündenbewusstseins resultiert aus fehlender Gottesbeziehung

Darüber hinaus befasst sich Sarah mit der Praxis des Fastens und Betens. Auf das innere Leben angewandt erklärt er: „Diese Reise in die innere Wüste ist eine Rückkehr nach Hause.“ In diesem Kontext vertieft er seine Ausführungen zum Wort Gottes, mit dem Jesus in der Wüste den Versuchungen des Teufels widerstand und durch welches die Gläubigen Christus kennenlernen. Über das Gebet bringt Sarah auf den Punkt: „Wenn wir den Vorrang Gottes wirklich anerkennen wollen, dann müssen wir dem Handeln das Gebet vorziehen“ – ganz nach Jesu Vorbild, dessen durchbetetes Leben zur völligen Selbsthingabe geführt hat.

Die Metapher des Exodus fortsetzend widmet sich der Autor sodann dem Bußsakrament, durch welches dem Menschen eine Befreiung aus dem Sklavenhaus der Sünde ermöglicht wird und das die eigene Umkehr voraussetzt. Er plädiert für eine Wiederentdeckung von Reue und bedauert den Verlust des Sündenbewusstseins aufgrund der fehlenden Gottesbeziehung. Dabei sei Gott ganz vergebungsbereit, jedoch das geistliche Leben durch Lauheit und Routine stets gefährdet. In dem Kontext erklärt Sarah Grundbegriffe wie Freiheit, Liebe, Barmherzigkeit und die „skandalös[e] Mathematik der Gnade“.

Priesterliche Nachfolge Christi erfordert Höchstmaß an Hingabe

In der Katechese über das Ehesakrament betrachtet der Kardinal die Perikope von der Hochzeit zu Kana und die heilsgeschichtliche Bedeutung Mariens sowie aller Frauen. Er fasst die Grundlagen zusammen und stärkt das Sakrament in heutiger Gesellschaft. Insbesondere die Treue, die „zur seltensten Tugend in der modernen Zeit geworden ist“, muss unbeirrt verkündet und gefördert werden. Dabei scheut er sich nicht, die wiederverheirateten Geschiedenen zu thematisieren.

Nach den Ausführungen zum Ehesakrament, in denen die Liebe Christi zu seiner Kirche sich sakramental niederschlägt, geht es im siebten Kapitel um die besondere Liebe in der priesterlichen Nachfolge Christi. Es erfordert ein Höchstmaß an Hingabe – ein Kernbegriff des kontemplativen Lebens –, überdies ein besonderes Maß an Heiligkeit, was stete Aufgabe und Berufung des Geweihten ist. Sie zieht ein Leben in Gebet und Sühne nach sich, so Sarah über das Vorbild des heiligen Pfarrers von Ars. Priester sind nicht nur Vorsteher einer Gemeinde, sondern „Kontemplative, die sich im Schweigen der Seele der Liebe Gottes hingeben“.

Kreuze sind Straßen zum Himmel

Sarah betrachtet die verdichtete Offenbarung der Liebe Gottes durch das Kreuz, das als einzig angemessene Reaktion der Gläubigen die Anbetung verlangt. Einhergehend mit dem Geheimnis des Kreuzes erklärt er die Bedeutung des Leidens. Demut, Vergebungsbereitschaft und vollkommene Liebe als Eckpunkte des Kreuzes sollen zu den Ankerpunkten des eigenen christlichen Lebens werden.

Und mit dem Pfarrer von Ars hebt er hervor: „Die Kreuze sind die Straße zum Himmel, wie eine schöne Steinbrücke über einen Fluss, den es zu überqueren gilt.“ Ausgehend von eschatologischen Betrachtungen legt Sarah das Sakrament der Krankensalbung in seinen Grundzügen dar.

"Welt braucht die Radikalität des Evangeliums"

Die Kirche ist aus Sicht des Kardinals als missionarische Stimme allzu oft in der Gegenwart verstummt. Umso mehr muss das Evangelium seiner Darstellung nach als Kompass betrachtet werden sowie als „Polarstern am Firmament“. Christen sind dazu berufen, sich kompromisslos für Gott zu entscheiden und ein Vorbild zu sein, denn die „Welt braucht die Radikalität des Evangeliums.“

Missionarische Kraft entfaltet jeder einzelne Christ durch das Streben nach Heiligkeit und ein kontemplatives Leben: „Die Neuevangelisierung braucht also Heilige, und zwar Heilige, die beten.“ Das Buch eignet sich als spiritueller Reiseführer auf dem Weg des Christgläubigen in die Ewigkeit. Kardinal Sarah ist als Autor kein Antreiber, sondern geht inmitten des pilgernden Gottesvolks, indem er seine persönliche Kontemplation einbringt.

Robert Kardinal Sarah: Katechismus des geistlichen Lebens. fe-Medienverlag, Kißlegg 2023, 328 Seiten, ISBN 978-3863573768, EUR 16,80

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