Geht es nach den Beschlüssen des Synodalen Wegs, dann segnet die Kirche zukünftig nicht nur die Ehe zwischen Mann und Frau, sondern „alle Paare, die sich lieben“, auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Beziehungen von Wiederverheirateten oder von Personen, die sich noch nicht endgültig das Jawort geben wollen. Denn #LoveIsNoSin, sagt man. Oder anders gefragt: Kann denn Liebe Sünde sein?
Die einfache Antwort lautet: Ja. Liebe kann Sünde sein. David liebte Batseba, die Frau des Urija. Sehr sogar. So sehr, dass er ihre Ehe brach, ihren Mann Urija betrog, betrunken machte und in den Tod schickte (2 Sam 11). Aus Liebe. Liebe ist eine unglaublich starke Kraft. Aus Liebe sind wir zu fast allem fähig. Darin liegt Segen und Fluch. Aus Liebe geben Menschen ihr Leben hin, aus Liebe zerstören sie Leben. Es besteht kein Zweifel: „Love can be sin.“
Wenn die Liebe andere schädigt
Aber wenn eine Beziehung allen guttut? Ohne schädlichen Folgen für Dritte, nur zur gegenseitigen Unterstützung der Partner? Davids Liebe war Sünde, weil sie Batsebas Ehemann Schaden zufügte. An dieser Stelle beginnt in der Regel eine hitzige Kontroverse: Ist es denkbar, dass das Zusammenleben von Wiederverheirateten oder von homosexuellen Menschen frei ist von jedem Schaden? Für sich? Für andere? Oder gibt es immer irgendwelche negativen Auswirkungen, wie zum Beispiel der Bruch des ersten Eheversprechens? Aber wenn der ehemalige Partner die Trennung wünscht?
Hier prallen oft gegensätzliche Erfahrungen aufeinander und erschweren eine argumentative Lösung. Dabei vergisst man schnell, dass für den gläubigen Christen eine Partnerschaft immer eine weitere Dimension besitzt, unabhängig vom Wohl der Partner und dem Schutz der Nächsten. C.S. Lewis vergleicht die Menschheit mit einer Schiffsflotte. Ihre Fahrt gelingt, wenn einerseits das eigene Schiff seetüchtig ist und andererseits Kollisionen mit anderen Fahrzeugen vermieden werden. Genauso dürfen Partnerschaften weder das eigene „Schiff“ schädigen noch mit ihrem Umfeld kollidieren.
Hingabe, die unbedingt, treu und fruchtbar ist
C.S. Lewis fährt dann fort: „Doch eines haben wir noch nicht berücksichtigt. Wir haben noch nicht danach gefragt, wohin die Flotte fahren will. […] Wie gut die Flotte auch segeln würde, die ganze Reise wäre ein Misserfolg, wenn die Schiffe in New York anlegen sollten und stattdessen in Kalkutta ankämen.“ Es ist reicht nicht, wenn die Schiffe nicht kollidieren; das Ziel der Fahrt muss stimmen. Genauso bei einer Partnerschaft: Eine Beziehung, die gut „schwimmt“ und „funktioniert“, kann trotzdem ihr Ziel verfehlen. Zumindest aus christlicher Sicht.
Nach biblischer Grundüberzeugung sind Beziehung und Sexualität von Gott konzipiert als leibhaftiges Abbild seiner inner-trinitarischen Liebe und seiner Bundesliebe zum Menschen. In Liebe schenken sich Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist: unbedingt, treu, fruchtbar. In Liebe schenkt sich Gott auch dem Menschen: unbedingt, treu, fruchtbar. (1) Unbedingt – selbst wenn wir nur halbherzig antworten. (2) Treu – selbst wenn wir untreu werden. (3) In Fruchtbarkeit – selbst wenn unser Herz steiniger Boden bleibt. Gottes Liebe ist das Urbild, ihr sichtbares Abbild und Zeichen soll die geschlechtliche Liebe sein, die darum für den Gläubigen Sakrament, heiliges Zeichen ist (vgl. Eph 5,32). Von hier erhält menschliche Sexualität ihre wirkliche Bedeutung, ihren Maßstab, ihre Zielbestimmung.
Der Maßstab sind Glaube und Offenbarung
„Kann den Liebe Sünde sein?“ Natürlich kann es in gleichgeschlechtlichen Beziehungen und wiederverheirateten Partnerschaften Hingabe und Liebe geben. Doch ihre leiblich-sexuelle Begegnung wird nie ein Abbild der unbedingten, treuen, fruchtbaren Liebe Gottes sein. Nie. Der sexuelle Akt von unverheirateten Partnern offenbart (1) keine unbedingte Hingabe, Gottes Liebe schon. Der sexuelle Akt in einer wiederverheirateten Beziehung ist (2) nicht Ausdruck von dauerhafter Treue, Gottes Liebe schon. Der sexuelle Akt gleichgeschlechtlicher Partner ist (3) nicht auf Fruchtbarkeit angelegt, Gottes Liebe schon. Nur in der heterosexuellen Ehe, die in unbedingter Hingabe, Treue und Offenheit für Fruchtbarkeit (Kinder) gelebt wird, lässt sich der sexuelle Akt als wirklicher Ausdruck des göttlichen Urbilds verstehen.
Damit ist die biblisch-christliche Sichtweise von Sexualität und Partnerschaft beschrieben, wie sie uns Gott geoffenbart hat. Menschen ohne diesen biblischen Hintergrund werden gelingende Partnerschaft nach anderen Kriterien bewerten. Doch für die Kirche liegt hier der verbindliche Maßstab. Was für die Begründung der kirchlichen Sexuallehre gilt, gilt ebenso für andere Bereiche der Theologie; oft erschließt sich die innere Logik einer kirchlichen Lehre erst durch die Perspektive des Glaubens. Es gibt gute Gründe für einen regelmäßigen Ruhetag. Aber muss es genau der siebte Tag sein? Genau der Sonntag? Und zwar jede Woche? Für Nichtchristen sind dies unnötige Einschränkungen. Doch als Christen bezeugen wir mit der Sonntagsheiligung unseren Glauben an den biblischen Schöpfergott, der am siebten Tag geruht und am Ostersonntag auferstanden ist. Für Gläubige ist der Sonntag nicht nur funktionaler Platzhalter für Gebet und Erholung, sondern auch – nein: vor allem! – Bezeugung des Glaubens an den Schöpfergott.
Die geistige Wirklichkeit in den Dingen dieser Welt
Genauso zählt für den Christen bei Beziehungsfragen nicht nur das zwischenmenschliche Gelingen, sondern auch – nein: vor allem! – die Bezeugung der Liebe Gottes in der sexuellen Begegnung. Für den Gläubigen offenbaren die Dinge dieser Welt eine geistige Wirklichkeit, die dem Nichtgläubigen oft verschlossen bleibt, ja unsinnig und irrational (überrational) erscheint. Auch Gottesdienst und Gemeinschaft könnte man auf vielfältige Weise feiern: Im Mahl von Brot und Wein, aber genauso mit Chips und Softdrinks. Rein „vernünftig“ gedacht gibt es zwischen beiden Alternativen wenig Unterschied. Doch für uns Christen sind nur Brot und Wein die gewandelten Zeichen der wesenhaften Gegenwart Christi, Chips und Cola dagegen nicht. Dieser Sinn wurde uns geoffenbart; wir können über ihn so wenig verfügen wie über den von Gott gestifteten Sinn des siebten Ruhetags und der geschlechtlichen Gemeinschaft.
Wenn Gläubige ihre Gründe für den sonntäglichen Ruhetag in die politische Diskussion einbringen, sollten sie nicht erwarten, dass ihre Argumente im säkularen Raum jeden überzeugen. Trotzdem hält die Kirche als Glaubensgemeinschaft völlig zu Recht an der Sonntagsheiligung fest, verbindlich für alle Christen. Andere Tage werden nicht als „Tag des Herrn“ gesegnet. Sie können nicht gesegnet werden, denn die Bedeutung des Herrentags ist in der biblischen Offenbarung grundgelegt und würde dadurch verdunkelt.
Nicht jede Handlung macht Schöpfungssinn sichtbar
Genauso im Fall der Sexualität: Gott hat die komplementäre Zuordnung der Geschlechter als sichtbares Zeichen seiner Liebe geschaffen. Darum kann die Kirche keine Beziehungsformen segnen, die das Wesen der göttlichen Liebe – ihre Unbedingtheit, Treue und Fruchtbarkeit – im ein oder anderen Punkt verdunkeln. Niemand wird bezweifeln, dass in solchen Beziehungen auch positive Elemente möglich sind. Nach Thomas von Aquin gibt es in jeder menschlichen Handlung positive Aspekte.
Aber nicht jede Handlung ist geeignet, ihren Schöpfungssinn sichtbar zu machen, und folglich ist nicht jede Handlung segenswert. Darum ist es zu einfach, wenn das Synodalpapier folgert: „Das Gute ist, wo Glauben ins Spiel kommt, segenswürdig.“ So wenig die Kirche einen freien Mittwoch als Tag des Herrn segnen kann, so wenig kann sie Beziehungsformen segnen, die nicht die Fülle der unbedingten, treuen, fruchtbaren Liebe Gottes offenbaren.