Deutschlandbesucher staunen in diesen Tagen nicht schlecht über die aktuelle Kirchenberichterstattung. Guido Horst, Romkorrespondent dieser Zeitung, stieß am Montag auf dem Weg ins Frankfurter Haus am Dom in der FAZ auf die Überschrift „Katholischer Priester beim Oralsex verhaftet“. Der Skandal um sexuellen Missbrauch dominiert inzwischen das Pontifikat des noch vor kurzem als Reformer hochgelobten Papstes. Seine Rolle und Person sollten Medienschaffende aus professionellerDistanz beleuchten.
Unter dem Leitwort „Papst Franziskus im Spiegel seines Echos“ kam ein Potpourri aus Fakten, präzisen Beobachtungen, aber auch Gemeinplätzen zur Sprache. Horst zufolge ist das Pontifikat am Wendepunkt angekommen. In Italien könne von ungebrochener Popularität des Papstes keine Rede mehr sein. Mehr noch: Die Zahl der Steuerzahler, die bereit sind, die Kirche freiwillig zu unterstützen, sei deutlich gesunken.
Joachim Frank, Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe, verglich den Papst mit einem Chamäleon, das immer wieder die Farbe wechsele und dessen weißes Gewand inzwischen als Projektionsfläche für Vieles diene. Die Geister auf dem Podium schieden sich an der Definition des päpstlichen Reformverständnisses. Horst verortete den franziskanischen Erneuerungswillen weniger in Strukturen als in Mentalitäten und erinnerte an die berühmt gewordene barsche Ansprache an die Kurie.
Christiane Florin vom Deutschlandfunk interpretierte die „Bewerbungsrede“ Kardinal Bergoglios beim Konklave als „Absage an den Spitzendeckchen-Katholizismus und die theologischen Klöppelarbeiten“ Benedikts XVI. Die gelernte Politologin beschränkte ihre Perspektive allerdings einseitig auf die Machtfrage und bescheinigte Franziskus Selbstdemontage, etwa in mancher Fliegenden Pressekonferenz. Der franziskanischen Revolution sei die Kapitulation gefolgt. Pater Bernd Hagenkord, leitender Redakteur von Vatikan News, verwarf eine rein politische Sichtweise: „Ohne eine geistliche Grundhaltung ist ein Verstehen des Papstes nicht möglich“.
Doch inzwischen steht außer Frage, dass der Papst in Nöten ist. Rücktrittsforderungen im Zuge des kürzlich an die Öffentlichkeit geratenen Vigano-Dossiers und ein sich zu alt für seine reformerischen Auftrag fühlender Kardinalsrat stellen offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs dar. Der Wiener Kardinal Schönborn sprach angesichts der Konflikte in der Kirche kürzlich sogar von einem „Krieg“.
Dass die Schaulustigen dabei nicht fehlen, stört Pater Hagenkord. Er kritisierte die „Popcorn-Religiosität“ – gemeint war das Zurückziehen in eine Zuschauerrolle, aus der heraus die Auseinandersetzungen in Kirchenkreisen quasi wie im Kino verfolgt und nach Gewinnern und Verlierern eingeordnet werde. Wie schwierig diese auszumachen sind, zeigten die unterschiedlichen Einschätzungen der jüngsten Kirchengeschichte. Beispiel Humanae vitae: Während Joachim Frank der Enzyklika ein vernichtendes Zeugnis ausstellte, unterstrich Horst, die Geschichte habe Paul VI. Recht gegeben. Beispiel Amoris laetitia: „Seit Amoris laetitia ist die Spaltung da“ meinte Horst. Hagenkord widersprach: Die Spaltung habe es schon vor Amoris laetitia gegeben, Amoris laetitia habe lediglich ein bestehendes Durcheinander sichtbar gemacht.
Den Punkt ohne Wiederkehr erreichte die Runde allerdings bei der Frage, ob andere Strukturen oder innere Bekehrung der Königsweg der Reform sei. Frank und Florin kokettierten mit den klassischen Reizthemen. Aber womit steht und fällt die Reform der Kirche? Horst verwies auf die lebendige Christusbeziehung: Weder Macht noch Kontrolle lösen das Problem, „wenn unsere Bischöfe nicht fest glauben“.
Einig war man sich darin, dass für eine „arme Kirche“ noch reichlich Luft nach oben ist. Prälaten, die dreizehn Marmorsorten in ihrer Wohnung unterbringen oder „sich den Amtssitz sehr komfortabel aufgepolstert haben (Florin) passen nicht ins Bild der Reform. Wenn Mitgliedern einer so reichen Ortskirche wie der deutschen das auffällt, hat der Papst aus Lateinamerika sein Ziel einer armen Kirche für die Armen offensichtlich noch nicht erreicht. Will die Kirche Jugendlichen Orientierung geben, bleibt bis zur Synode viel zu tun.