Ehe und Familie

Eine Liebe größer als der Egoismus

In dem neuen Ehebuch aus dem Labor katholisch-österreichischer Hochschulen und dem „Institut für Ehe und Familie“ kommen Humanwissenschaftler, Theologen, Ehepaare und Priester zu Wort.
Ehe
Foto: IMAGO/May Tse (www.imago-images.de) | Die Autoren vermitteln ein Bild der Ehe jenseits des gängigen Mainstreams. Mann und Frau sind eins in liebevoller Fürsorge, verankert im Dreibund mit Christus.

Mitten im Anrollen der Genderwellen und des Mainstreams der autonomen Ich-Befindlichkeit werden die Stimmen eines anderen Menschenbildes immer stärker hörbar, da sie auf dem Felsen der Vernunft und der gottbezogenen Erfahrungswelt gegründet sind. Mit Courage und griffsicheren Argumenten vorgetragen, vor allem jedoch mit dem Zeugnis gemachter Lebenserfahrungen, treffen sie den Nerv einer permissiven Gesellschaft, die sich hilflos der Auflösung bisheriger solider Beziehungen gegenübersieht. An Ersatzbefriedigungen fehlt es nicht, wenn die Ursehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und Sinnerfüllung im Leeren tappt.

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Am Puls der Zeit 

Sehr erfolgreich arbeiten zurzeit die internationalen Gruppen von Humanwissenschaftlern, Theologen und Ehepaaren im kirchlichen Ehrenamt in Heiligenkreuz / Österreich mit dem Institut für Ehe und Familie der Bischofskonferenz und der Katholischen Hochschule Trumau zusammen. Den Finger am Puls der Zeit und das Ohr am Herzen Gottes beziehingsweise des geliebten Menschen – was gleichbedeutend sein kann – so könnte man die Arbeitsweise beschreiben.

Dass Liebesdynamik auch Heilsdynamik ist, wenn sie dafür geöffnet ist, zeigen die vielgefächerten Denk- und Lebensansätze, die vom gleichen Bestreben geleitet sind, nämlich in einfacher Sprache und gründlichem Überlegen den langen Weg Gottes mit den Menschen und den Weg des je eigenen Menschenlebens darzulegen. Dabei entwickelt sich eine Vorschau oder Rückschau auf die persönlichen Beziehungen zu einem oder den geliebten Menschen, die eine Liebe aufbrechen, erneuern oder heilen können.

Konturen der Ehe

Nichts ist ansteckender als ein Zeugnis von Menschen, die wollen, was sie selbst nach reiflicher Überlegung wollen: unabhängig vom Zeitgeist, besonnen nach den Beispielen aus der Beziehungsgeschichte Gottes mit den Menschen greifend und mit einem freudigen Risiko diese auch selbst ausprobierend. Die Erfahrungen: Unsicheres und manchmal krampfhaftes Basteln an egoistischer Selbstverwirklichung kann mit einiger, doch zumutbarer Mühe in eine glückliche Ergänzung in der Partnerschaft führen, Freiheit und Verantwortung stehen sich nicht mehr gegenüber, sondern sind eins in der liebevollen Fürsorge, auch durch ein langes Leben hindurch, verankert im Dreibund mit Christus.

Spannend wird die Sache, wenn engagierte Journalisten, die auch passionierte Väter und Mütter sind, einen Austausch eingehen mit weitherzigen und humorvollen Theologen und Kirchenhistorikern, die verzerrten Bildern von Ehe und Familie genaue Konturen geben, und dabei auch noch auf die „Helden“ des Familienalltags, die Eheleute, hören.

Mütter und Väter im Austausch mit Theologen

Der Austausch von philosophischen, historischen und theologischen Gedanken ist letztlich unfruchtbar, wenn nicht die praktischen Konsequenzen auch lebbar sind. Zahlreiche kleine und große Konflikte zwischen Eheleuten können zu einem Kollaps der Beziehung führen, wenn nicht eine regelmäßige, mit Feingespür und auch Phantasie geführte Zwiesprache gehalten wird mit einer grundsätzlich positiven Voreinstellung. Davon anderen Mitteilung zu machen, gehört heute zu einem wichtigen Fundament der Evangelisierung. Spezielle Hilfen dazu erhält man in Programmen zum selbst Ausprobieren aus der Schule von Heiligenkreuz oder von geistlichen Gemeinschaften, zum Beispiel der Familienakademie Schönstatt.

Die Balance zwischen geglückter Partnerschaft, Kindeswohl und gesellschaftlicher Einbindung ist kein unerreichbares Kunststück, wenn die selbstbewusste Entdeckung der Männlichkeit und der Weiblichkeit im eigenen Innern gepflegt und die Ergänzungsfähigkeit weiterentwickelt wird. Die Beiträge der empirischen Forschung aus der Psychologie sind nicht nur amüsant, sondern sie werten auch das Urteilsvermögen des praktischen Menschenverstandes auf. Sie lassen aber auch unweigerlich die Wahrheit über Mann und Frau aufblitzen, wie sie in der Schöpfungsgeschichte verankert sind.

Lehren Jesu zur Ehe 

Eine ganz neue Sicht stellt sich in Jesu neuen Lehren zur Ehe ein, wie sie dann seit Paulus im Christentum praktiziert wird. Die Familie entwickelt sich vom Schutz- und Trutzverband – auch mit fatalen Machtverhältnissen – auf einem langen Weg in einem sakramentalen Rahmen zu einer Institution, durch die Welt und Kirche gerettet werden sollen. In der Gleichwertigkeit von Mann und Frau vor Gott, in der glücklich erlebten Unterschiedlichkeit und gleichzeitigen Ergänzungsbedürftigkeit und der Weitergabe des Lebens entfaltet sich die Dynamik von Liebe in der Familie zu einer Dynamik der Heilung in Gesellschaft und Staat, wenn sie nicht ideologisch blockiert oder ihres geschuldeten Schutzes beraubt wird. Denn sie schafft diese Vorausbedingungen, die der Staat nicht schaffen kann, aber von denen er lebt.

Die fundierten anthropologischen Denkweisen dieser Schule zeigen den ehelichen Partnern, wie sie selbst durch ihr bedingungsloses JA und der absoluten Treue zum andern ein Werkzeug in der Hand Gottes sind, der sich in seiner Geschichte des Einlassens mit den Menschen dieser Methode bedient – ein weiteres Zeichen der besonderen Würde und Auszeichnung des Menschen. Verdienstlich sind aber auch die mannigfachen Hinweise auf die Menschen, die nicht in einer Ehe leben, sondern ihr Leben und die Weitergabe geistlichen Lebens ganz auf eine geistliche Vater- und Mutterschaft ausgerichtet haben: Priester, Menschen in Orden und dem geweihten Leben, Personen im sozialen und öffentlichen Leben.

Verdunkelungen sind eine Gefahr

Natürlich vermeiden die Beiträge nicht, Irrwege und Verdunkelungen des Liebes- und Heilungsspieles Gottes mit den Menschen in den Blick zu nehmen, auch diejenigen innerhalb der Kirche von heute; sie konzentrieren sich aber auf die aufbauenden Wege. Nicht umsonst ist Kardinal Schönborn einer der Patrone der Veranstaltungen. Hat er doch 2008 im Abendmahlssaal von Jerusalem auf die verhängnisvollen Erklärungen des deutschen und österreichischen Episkopates in den Erklärungen von Königstein und Mariatrost von 1968 hingewiesen, die die Enzyklika „Humanae Vitae“ relativiert haben.

Weiteren Publikationen dieser österreichischen Pastoralschulen darf man mit Spannung entgegensehen.


Michael Wladika (Hg.):
Liebes- und Heilsdynamiken in Ehe und Familie.
Mit Beiträgen von Kardinal Schönborn, Weihbischof Scharl, Johannes Paul Abrahamowicz,
Luc Emmerich, Raphael Bonelli u.a. Be+Be-Verlag, Heiligenkreuz 2019, 236 Seiten,
ISBN 978-3-903118-87-4, EUR 17,90

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