Liebeskummer

Edith Steins heilsame Enttäuschung führt sie zu Christus

Liebeskummer als Weg zu Jesus. Liebe ist auch dann ein Weg, wenn sie scheinbar scheitert, denn sie kann ein Weg zu Gott sein. Die Geschichte der Heiligen Edith Stein berührt sehr persönlich.
Für Natalia Bienkowski ist die „Theologie des Leibes“ des heiligen Johannes Paul II. ein Lichtblick
Foto: Klemens Körner (-Körner- Chemnitz-) | Für Natalia Bienkowski ist die „Theologie des Leibes“ des heiligen Johannes Paul II. ein Lichtblick, um eine neue Perspektive für ihre Berufung als Frau zu finden.

Liebeskummer wünscht man niemandem, dennoch halte ich es für etwas sehr Wertvolles. Durchlebt man diese Phase auf eine gute Weise, so ist sie ein Weg zur Reife, auf dem man im Glauben und in der Heiligkeit wächst. Mich selbst ereilte es, als ich etwa 25 Jahre alt war. Erst nach drei Jahren fand ich durch einen tieferen, mystischeren Zugang zum Glauben einen Weg heraus. Auch wenn ich es als wichtig ansehe, einmal unglücklich verliebt gewesen zu sein, so bleibt eine nicht oder nicht so richtig erwiderte Zuneigung trotzdem sehr schmerzhaft. Meines Erachtens ist sie sogar eine Art weißes Martyrium.

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Was hat mir geholfen, mich daraus zu befreien? Dieser Prozess begann, als ich mich auf einen Vortrag zur Theologie des Leibes nach Johannes Paul II. vorbereitete. Kurzgefasst geht es dabei darum, dass wir durch unseren Leib und unsere Sehnsüchte nach Liebe und Beziehung in der Erkenntnis und Liebe Gottes wachsen können. Also stellte auch ich meine eigenen Sehnsüchte in diesen Kontext. Der befreiendste Moment bestand darin, „durch die Brille“ Jesu beziehungsweise Gottes zu schauen: Wenn ich als kleiner Mensch schon eine solch große Sehnsucht nach einem anderen Menschen haben kann – um wieviel mehr hat Gott Sehnsucht nach mir?

Wenn ich schon so leide, weil ich keine Antwort von der von mir geliebten Person erhalte, um wie viel mehr leidet Jesus, wenn er trotz seiner ganzen Bemühungen keine Rückmeldung von mir erhält? Für mich waren diese Gedanken noch schmerzhafter, weil es mir vor Augen führte, wie unaufmerksam, lieblos und undankbar ich war. Es führte mich in eine tiefere Gottesbeziehung und befreite mich aus meinem eigenen Gedankenkarussell. Ich fing an, meine Gefühle und meine Absichten in Frage zu stellen. Was möchte ich eigentlich von dieser Person, in die ich verliebt bin?

Will ich wirklich eine Beziehung und Ehe oder geht es mir um etwas anderes? Möchte ich nur Aufmerksamkeit und Bestätigung? Letztendlich merkte ich, dass es mir gar nicht um die Person ging. Und so konnte ich loslassen. Natürlich war ich gegen weiteres unglückliches Verliebtsein nicht gefeit und ich verliebte mich in jemand anderen. Ich merkte wieder, dass es nicht um die Person an sich ging, sondern um meinen Wert. Mache ich meinen Wert an der Bestätigung anderer Menschen fest oder an Gott? Ist mein Haus auf Fels gebaut oder auf Sand (Matthäus 7, 27-28)? Sobald wir unseren Wert und unsere Identität auf Gott gründen, ist unser Haus auf Fels gebaut. Wenn Emotionen wie Stürme kommen, bleibt das Haus – also wir – fest stehen.

Wie sieht es bei den Heiligen aus, waren sie immer gefestigt und frei von Verliebtheit? Die Antwort lautet: nein. Und die Heilige, bei der ich es am wenigsten erwartete: Edith Stein. Die heilige Teresa Benedicta vom Kreuz – so ihr Ordensname im Karmel – wirkte auf mich immer nüchtern. Eine ambitionierte Frau, die erfolglos darum kämpfte, sich zu habilitieren. Ihre Berufung fand sie als Karmelitin. Keine Frau der Emotionen, so schien es. Und doch war sie zweimal unglücklich verliebt.

Zunächst war da Roman Ingarden, ihr Kommilitone und ebenfalls Promovend bei Edmund Husserl. Sie hegte Hoffnungen auf eine Philosophen-Ehe mit ihm und hielt intensiven Briefkontakt. Sie spricht ihn Ende 1917 mit „Mein Liebling!“ an und schreibt ihm im Winter 1918/19 fast täglich. Antworten seinerseits bleiben irgendwann aus und sie wird im September 1919 von einer Nachricht überrascht, in der Ingarden ihr eröffnet, er habe geheiratet.

Die zweite Verliebtheit Edith Steins betraf Hans Lipps. Hedwig Conrad-Martius, die wie Edith Stein der von Lipps gegründeten „Philosophischen Gesellschaft Göttingen“ angehörte berichtet: „Sie liebte Hans Lipps [...]. Ich bin mir auch gewiß, daß sie ihn geheiratet hätte, wenn er es gewollt hätte. Er wollte aber nicht“. Erst nach einem Gespräch zwischen Hedwig Conrad-Martius und ihr verschwand das Bild von Hans Lipps von ihrem Schreibtisch. „Ich glaube [...] bestimmt, daß diese tiefe Lebensenttäuschung nicht wenig zu ihrer Konversion und Taufe, ja zu der Wahl des Klosterlebens beigetragen hat. [...] Die göttliche Gnade benutzt doch solche Dinge, um Menschen, die berufen sind, zu sich zu ziehen.“

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Was habe ich daraus gelernt? Verliebtheit hat nicht immer eine Bedeutung in dem Sinne, dass man „füreinander bestimmt“ ist. Es passiert ledigen Laien, Ordensleuten, Priestern und Eheleuten, dass sie sich in jemanden verlieben. Es ist kein Grund an der Berufung oder aktuellen Beziehung zu zweifeln. Ich habe gemerkt, dass eine Verliebtheit uns ein wunderbares „Wachstumspotenzial“ aufzeigt – ganz gleich, ob daraus eine Beziehung erwächst oder nicht. Bei einer unglücklichen Verliebtheit ist die Frage: Gründe ich meinen Wert und meine Identität in Gott? Bei einer glücklichen Verliebtheit und Beziehung: Welche Verletzungen haben wir gemeinsam und wie können wir uns bei der Heilung unterstützen? Die Untersuchungen der polnischen Psychologin Maria Popkiewicz-Ciesielska zeigen, dass sich Paare in ihren Schwächen und Verletzungen – beispielsweise aus der Kindheit – entsprechen und eventuell unbewusst danach ihren Partner aussuchen.

Ein wichtiger Aspekt ist auch „emotionale Keuschheit“ – ein leider noch zu unbekannter Begriff. Bei der leiblichen Keuschheit geht es darum, die Sexualität nicht von der Person zu trennen, also keine Person als Objekt zu nutzen. Für die emotionale Keuschheit heißt das: keine Emotionen oder Bindungen aufzubauen oder zu unterhalten, obwohl kein adäquater Kontakt besteht und man die Person letztendlich emotional nur benutzt. Auch wenn unglückliches Verliebtsein immer schmerzhaft bleibt, so sehe ich darin eine Chance.

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