Sechzig Jahre nach Beginn des Zweiten Vatikanums und dreißig Jahre nach der Herausgabe des Katechismus der katholischen Kirche durch Johannes Paul II. hat Papst Franziskus mit einem Gottesdienst im Petersdom dieser wichtigen Wegmarken der Kirche gedacht. Der Katechismus war eine Frucht des Konzils. In der Konstitution zu seiner Veröffentlichung schrieb der polnische Papst, dass dieses Glaubenskompendium helfe, „die wunderbare Einheit des Geheimnisses Gottes zu erfassen, seines Heilsplans ebenso wie die zentrale Stellung Jesu Christi“.
Bei der Predigt am Dienstagabend im Petersdom erwähnte Franziskus den runden Geburtstag des Katechismus nicht. Aber er sprach über das Konzil. Und stellte der Kirche sechzig Jahre nach Eröffnung der bedeutendsten Kirchenversammlung des zwanzigsten Jahrhunderts einen Krankenschein aus. Der Teufel, so Franziskus, habe das „Unkraut der Spaltung“ gesät. „Wie oft haben sich Christen nach dem Konzil für eine Seite in der Kirche entschieden, ohne sich bewusst zu sein, dass sie damit das Herz ihrer Mutter zerreißen! Wie oft wollte man lieber ein ,Anhänger der eigenen Gruppierung als ein Diener aller sein, Progressive und Konservative statt Brüder und Schwestern, ,der Rechten' oder ,der Linken' statt Jesus zugehörig“. „Hüter der Wahrheit“ und „Solisten des Neuen“ spielten sich auf, „statt sich als demütige und dankbare Kinder der Heiligen Mutter Kirche zu sehen“. Nur vereint gehöre man zur Herde Jesu Christi. „Überwinden wir die Polarisierungen und bewahren wir die Gemeinschaft“, meinte Franziskus und bat den Herrn: „Befreie uns von der teuflischen Finesse der Polarisierungen“.
Jesus Christus war weder progressiv noch konservativ
Das Wort von der „Polarisierung“ hätte der Papst in Richtung Deutschland sagen können, wo die „Solisten des Neuen“ sich gerade auf dem Synodalen Weg austoben. Schade, dass Franziskus am Dienstag nicht über den Katechismus gesprochen hat, der, wie Johannes Paul II. schrieb, als Frucht des Konzils die Rückbesinnung auf „die zentrale Stellung Jesu Christi“ in den Mittelpunkt rückte. Nun stimmt es, wenn Kardinal Reinhard Marx sagt, dass der Katechismus nicht der Koran sei. So wie sich die Glaubenslehre entfaltet, so haben sich auch die unterschiedlichen Glaubenskompendien der Kirche immer weiter entwickelt. Aber jetzt haben wir – als Ergebnis des Zweiten Vatikanums und für jeden verständlich – diesen einen Weltkatechismus, der nun dreißig Jahre alt wird, was für die Kirche ein äußerst zartes Alter ist, und der zusammenhängend alles nennt, um in der heutigen Zeit vernünftigerweise gläubig zu sein. Wenn, wie Marc Frings als Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sagt, der Synodale Weg „eine bewusste Ansage gegen den Katechismus der katholischen Kirche“ sein soll, dann hat man genau jene „teuflische Finesse der Polarisierung“, die Franziskus am Dienstag beklagte.
Jesus Christus war weder progressiv oder konservativ. Wenn das die Polarisierung in der Kirche sein soll, von der der Papst jetzt sprach, dann hat sie nichts mit dem Sohn Gottes zu tun. Sondern eher damit, dass sich das Volk Gottes von dem einen Hirten getrennt und in zwei Lager aufgespalten hat.
Alles mag hilfreich sein, was wieder zum Herrn der Kirche hinführt, der sich wie gesagt weder von Progressiven noch Konservativen vereinnahmen lässt. Das mögen die Heiligen der Kirche sein, die Eucharistie – die die deutschen Bischöfe offensichtlich nicht mehr gemeinsam feiern wollen – oder eben der Katechismus der katholischen Kirche. Wer A sagt und sich jetzt auf das Konzil beruft, der muss auch B sagen und sich den Inhalt des Weltkatechismus zu eigen machen.
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