Lebensgefühl Apokalypse

Apokalypse: Wenn Gott selbst Regie führt

Während sich die Welt immer brutaler von der biblischen Schöpfungsordnung lossagt, haben Christen Grund, auf Rettung zu hoffen.
Mann, der seine Hände zum Himmel erhebt
Foto: Adobe stock | Die Hoffnung auf ein Überleben auf dem bedrohten Planeten Erde ist jedenfalls auch im Bewusstsein der säkularen Gesellschaft christlich grundiert.

Der Jüngste Tag und die endgültige Wiederkunft Christi liegen im Lebensgefühl mancher Christen noch in weiter Ferne. Gleichwohl sind 
andere Gläubige der festen Überzeugung, in der Endzeit zu leben. Pünktlich zur Weihnachtszeit hat das Pew Research Center, ein unabhängiger Think Tank in Washington, das Ergebnis einer Studie veröffentlicht, derzufolge 47 Prozent der Christen in den Vereinigten Staaten, darunter überdurchschnittliche viele Schwarze und Evangelikale, davon ausgehen, die Menschheit durchlebe derzeit die Endzeit. Unter den 49 Prozent, die diese Auffassung nicht teilen, befinden sich auffallend viele Katholiken. Der Studie zufolge ist das Lebensgefühl "Endzeit" unter den Protestanten deutlich ausgeprägter als unter Katholiken (55 beziehungsweise 27 Prozent). Deutlich niedriger sind allerdings die Naherwartungen an die Wiederkunft des Herrn. Lediglich ein einstelliger Prozentsatz der Christen in den USA rechnet demnach damit, dass sich das Ziel der Geschichte - das Kommen Jesu Christi - noch zu ihren Lebzeiten erfüllen könnte.

Katastrophen-Aussicht vitalisiert den Überlebensgeist

Eine Beobachtung der Forscher fällt auf: Je höher der Bildungsgrad und das Einkommen der Studienteilnehmer, umso seltener scheinen Endzeitszenarien diese anzufechten. Zweifellos begünstigen Corona, die Klimadebatte, der Krieg in der Ukraine, die Inflation und die politischen Krisenherde in der Welt zeitweise Weltuntergangsstimmungen. Der Gedanke, dass die Menschheit den Planeten Erde in eine unbewohnbare Wüste verwandeln könnte, beflügelt jedenfalls weltweit die Ratgeberliteratur und die sozialen Netzwerke.

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Die Aussicht auf eine große Menschheitskatastrophe als Stunde Null des Planeten und Durchgangsphase zu einer neuen Epoche weckt jedoch nicht nur Ängste, sondern vitalisiert auch den Überlebensgeist. Dem von der Filmindustrie mit Schreckensbildern aufgeladenen Begriff "Apokalypse" selbst haftet aus christlicher Sicht jedenfalls nichts Bedrohliches an. Johannes Eckert OSB, Abt der Benediktinerabtei Sankt Bonifaz in München und Andechs und Autor des im Herbst erschienenen Buchs "Apokalypse - Bilder des Schreckens, Bilder der Hoffnung, Visionen für heute", erklärt gegenüber dieser Zeitung: "Die Apokalypse will Eingeweihte - das heißt uns -  ermutigen: Habt keine Angst vor den Umbrüchen der Zeit. Gott führt Regie. Seit der Auferstehung seines Sohnes ist der Tod besiegt".

Alle menschenverachtenden Systeme, so der Benediktinerabt, hätten letztlich keine Zukunft. Zwar gebe es furchtbare Ereignisse und viel Böses geschehe. Doch gelte die Zusage Gottes aus der Apokalypse: "Seht, ich mache alles neu!" Für den Ordensmann besteht die Ermutigung dieser biblischen Zusage "auch für unsere Zeit" darin, das Ziel nicht aus dem Blick zu verlieren. Zugleich wolle die Apokalypse die Menschen wachrütteln: "Passt auf, dass Ihr Euch von den Dingen dieser Zeit nicht zu sehr in Beschlag nehmen lasst. Habt keine Angst." Mit der Thronbesteigung des Kindes, so Abt Johannes Eckert, sei der Kampf gegen das Böse in seine Endphase getreten (A 12,5). Insofern wolle der Seher Johannes die Jünger Jesu - also die Christen heute - auf das Wesentliche ihres Glaubens hinweisen. Das Tröstliche der Apokalypse wird aus seiner Sicht insbesondere am Schluss der Lektüre noch einmal mit der Zusage der göttlichen Gnade deutlich: "Die Gnade des Herrn sei mit allen" (Apokalypse 22,21).

Ratgeberliteratur mit christlichen Begriffen

Die Hoffnung auf ein Überleben auf dem bedrohten Planeten Erde ist jedenfalls auch im Bewusstsein der säkularen Gesellschaft christlich grundiert. Nicht zufällig unterlegt die Ratgeberliteratur ihre Botschaften mit christlichen Begriffen. Mehrere Prepper-"Bibeln" behaupten seit Jahren ihren Platz auf dem Buchmarkt und bereiten den Leser auf das Überleben im Katastrophenfall vor. Alle schneiden in den Amazon-Bewertungen überdurchschnittlich erfolgreich ab; einige verzeichnen Hunderte positiver Rezensionen.

Einen in katholischen Kreisen beachteten Kontrapunkt zu den Weltuntergangsszenarien der überaus geschäftstüchtigen Prepper-Szene bilden die Prophezeiungen des frommen bayerischen Visionärs Alois Irlmaier (1894-1959). Der oberbayerische Brunnenbauer war schon zu Lebzeiten ein landesweit bekannter Hellseher und Ratgeber. Ungeachtet seiner mehrfachen Vorstrafen wegen Betrugs wuchs seine Popularität in den Nachkriegsjahren. Irlmaiers Zukunftsvisionen - für die einen ein parapsychologisches Phänomen, für die anderen prophetisch - sind vom Reichel-Verlag im fränkischen Weilersbach mit Erfolg publiziert worden. Wie Gertraud Reichel erklärt, werden seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine mehr Exemplare des Buchs über Alois Irlmaier gekauft.

Mit verblüffenden Details beschreibt der Bauernsohn einen Weltkrieg als düsteren Endpunkt einer historischen Phase des Glaubensabfalls sowie tiefgreifender gesellschaftlicher und politischer Umwälzungen in Europa. Aus Sicht des tiefgläubigen Katholiken Irlmaier nimmt die Geschichte mit der Katastrophe allerdings eine glückliche Wendung. Wer das Tal der Tränen durchsteht, kann sich Irlmaier zufolge glücklich preisen. Denn eine lange Friedensepoche - eine "guate Zeit" - wartet nach der "großen Umwälzung" auf die Überlebenden. Deren Markenzeichen besteht Irlmaiers Beschreibung zufolge in ihrer Friedfertigkeit und Gottesfurcht - auch der Jugendlichen. Das befristete Untergangsszenario paart sich mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach leidvoller Läuterung - und zwar schon im Diesseits.

Was die Bibel sagt

Und was sagt die Bibel? Die apokalyptischen Texte sowohl des Alten wie des Neuen Testaments sprechen vom Zusammenbruch einer Lebensform, die sich von Gott und seinen Geboten losgesagt hat, erläutert der Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger gegenüber der "Tagespost". Die Botschaft der apokalyptischen Literatur laute: Eine Gesellschaft, ein Staat oder eine Generation, die nicht mehr mit Gott und seinem Handeln in der Geschichte rechne, werde eine böse Überraschung erleben. Wer jedoch in Not und Bedrängnis weiterhin auf Gott vertraue, werde gerettet. Der Ratzinger-Preisträger sieht im Übrigen keinen Bruch des 21. Jahrhunderts mit apokalyptischen Denkformen. Diese seien auch unserer modernen Lebenswelt sehr wohl vertraut. Es komme immer wieder vor, dass ein Mensch, eine Gesellschaft oder ein Staat in einen Zustand geraten, bei dem mit einem bösen Ende zu rechnen sei. Die Betroffenen merkten es lange Zeit nicht, bis es zu spät sei. Man könne, so der Ratzinger-Preisträger, die apokalyptische Literatur mit der Diagnose eines Arztes vergleichen, der seinem Patienten die Prognose erteile: "Wenn Sie so weitermachen, sind sie in sechs Wochen tot."

Der Arzt decke aufgrund seines besonderen Wissens etwas auf, was der Patient nicht sehe oder nicht sehen wolle, was er geschickt zu verdrängen suche. Schwienhorst-Schönberger fokussiert den therapeutischen Effekt: "Die Diagnose kann bei dem Patienten einen Schock auslösen; im Idealfall ist es ein heilsamer Schock. Seine bisherige Lebensform ist faul, sie ist auf einer Lüge gebaut. Sie hat keinen Bestand, sie wird mit Sicherheit zusammenbrechen. Die offene Frage wird sein: Wird er sich die apokalyptische Botschaft des Arztes zu Herzen nehmen und umkehren? Wird er am Ende doch noch mit den Geretteten sagen können: ,Ich danke dir, Herr. Du hast mir gezürnt. Möge dein Zorn sich wenden, auf dass du mich tröstest. Siehe, Gott ist mein Heil; ich vertraue und erschrecke nicht. Denn meine Stärke und mein Lied ist Gott, der Herr. Er wurde mir zum Heil" 
(Jesaja 12,1f).


Was bedeutet der Begriff Apokalypse?

Paulus beschreibt seine Berufung als eine "Apokalypse"   eine Offenbarung: "Als es aber Gott gefiel [ ], in mir seinen Sohn zu offenbaren (apokalypsai)   (Galater 1,16). Der Apostel betont, dass er das Evangelium, das er verkündet, nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch eine Offenbarung (apokalypsis) Jesu Christi empfangen habe (Galater 1,12). Das griechische Wort "Apokalypse" bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung eine Enthüllung: Etwas bisher Verborgenes oder Übersehenes wird einem von Gott auserwählten Menschen gezeigt. In der lateinischen Übersetzung wird der Fachausdruck für "Offenbarung" verwendet: revelatio   das heißt: ein Schleier, ein velum, wird beiseite gezogen und es zeigt sich etwas, das bisher hinter einem Schleier oder Vorhang verborgen war. Was sich da zeigt, kann etwas Schreckliches, aber auch etwas Wunderbares sein. Das hängt vom Zustand dessen ab, dem die Offenbarung zuteil wird, und von den Adressaten, denen sie übermittelt werden soll.  
Ludger Schwienhorst-Schönberger

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