Kirche? Nur diese eine!

Die eine Kirche ist wie ein heiliger Ölbaum, dessen Wurzeln heilig sind. Seit der Zeit der Erzväter und Propheten ist Gottes gärtnerische Kunst in diesen einen Ölbaum eingepflanzt. Von Klaus Berger
Gott hat einen einzigen heiligen Ölbaum gepflanzt
Foto: IN | Der Neutestamentler Klaus Berger erinnert an die Worte des Apostel Paulus in Röm 11,16-24, wonach Gott einen einzigen heiligen Ölbaum gepflanzt hat.

Klaus Berger  - Ein Artikel mit seinem Bekenntnis zur Kirche zur Erinnerung an den jüngst verstorbenen Heidelberger Neutestamentler als Relecture.

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Viele wollen sowieso keine Kirche, denn jede Kirche halten sie für infam, verflucht, verbrecherisch. Manche davon sagen: Jesus Ja, Kirche Nein. Oder: Eine Gottheit Ja, zum Beispiel die Vernunft, aber den Rest nicht geschenkt!? Haupt-Einwand: Es menschelt zu stark in der Kirche. Sind sie denn selbst keine Menschen? Fühlen sie sich nur unter Engeln wohl, die sie wohl für ihresgleichen halten? Jedenfalls unter den Solisten in einem unsichtbaren leiblosen Verein von freien Geistern hinter den Wolken! Eine Geistkirche also, keine, wo störende Mitmenschen hingehen. Deshalb am Sonntagvormittag am besten allein im Wald, dort dann auch namenlos begraben werden, zum Beispiel unter Kiefer Nr. 654. Oberförster statt Priester, Waldfliegen statt Engel.

Die eine: Nein, die Kirche, an die ich glaube, ist die eine, ist heilig, katholisch und apostolisch. Sie ist Haus des dreifaltigen Gottes und lebt von dem meistgelesenen Buch aller Zeiten, Bestseller seit 3 000 Jahren. Zu ihr gehören auch die Seelen ihrer Verstorbenen, seien es Märtyrer oder Heilige oder Menschen, für die sie betet. Und auch ein Papst, der betet für die Stadt und den Erdkreis, und der diese segnet. Sie ist sichtbar und oft ärgerlich, speziell für Diktatoren. Diese Kirche ist eine. Denn der Messias, der Heiland hat nur eine Braut und nicht einen Harem. Also nicht 2 648 Konfessionen. Das Neue Testament spricht von der Braut dieses Bräutigams. Und die Weltgeschichte endet mit ihrem Hochzeitsfest.

Die heilige: Und diese Kirche ist heilig. Paulus sagt es in Röm 11,16–24, dass Gott einen einzigen heiligen Ölbaum gepflanzt hat. Er ist heilig, weil seine Wurzeln heilig sind, die erwählten Abraham & Söhne. Die Heiligkeit überträgt sich von daher auf alle, die durch Gottes gärtnerische Kunst in diesen einen Ölbaum eingepflanzt sind. Und weil wir zu diesem einen Ölbaum gehören, beten wir auch in der Allerheiligenlitanei: omnes sancti patriarchae et prophetae orate pro nobis. Alle heiligen Erzväter und Propheten, betet für uns. Wir Heiden gehören zu diesem heiligen Ölbaum, weil Gott weiterhin Menschen erwählt hat und weil Judenchristen uns den Glauben an Jesus als erste weitergegeben haben. Deshalb gehören wir nicht zu den Leuten, die das Alte Testament abschaffen möchten (wobei wir alt nicht als Schimpfwort betrachten, sobald jeder selbst in das Alter kommt). Und den Samstag nennen wir in der Liturgie weiterhin sabbatum und ehren samstags besonders Maria, die jüdische Mutter Jesu.

Die katholische: „Katholisch“ heißt: weltweit, zu allen Völkern gesandt (Mt 28,19). Damit ist die katholische Kirche niemals eine Nationalkirche und wehrt sich gegen jede Art von Nationalismus. Vielmehr steht sie jeglicher Regierung eines Landes kritisch gegenüber. Man hat oft geklagt über das Erstarken des päpstlichen Zentralismus im Mittelalter. Doch in Wahrheit schuf dieses das notwendige Gegengewicht gegen die gleichzeitig überall erstarkenden Nationalstaaten. Positiv gewendet bedeutet katholisch eine Internationale des Glaubens: Was immer, an allen Orten und von allem geglaubt wurde. Gemeint ist: das, was diesen Ausprägungen des Glaubens gemeinsam war, also nicht nur eine gemeinsame statistische Schnittmenge, auch nicht nur eine gemeinsame Vergangenheit, sondern so etwas wie ein gemeinsamer Grundriss jeder Ortskirche. Dass es derselbe eine Glaube ist, wenn ich in Nordwest-Australien die Messe besuche, bis in den kleinsten Handgriff hinein, derselbe eine Papst in Rom. An der katholischen Kirche könnte die Welt noch immer lernen, was wahre Internationalität ist. Sehr bewegend wird das immer in der Oster- und Weihnachtsnacht auf dem Petersplatz in Rom, besonders dann, wenn alle gemeinsam das eine lateinische Credo in gregorianischer Melodie singen. Die Katholizität der Kirche zeigt sich auch darin, dass in jeder Messe für den Papst und die Bischöfe der Weltkirche gebetet wird. Die Ortskirche nicht für unersetzlich halten. Den Blick über den Kirchturm hinaus wagen. Man kann sagen: „Mehr Weltkirche wagen!?“ Aber das ist nicht nur moralisch gemeint, sondern noch aus einem anderen Grund für die eucharistische Konsekration entscheidend.

Die apostolische: Gerade dieses Attribut, dass die Kirche „apostolisch“ sei, lassen die protestantischen Konfessionen zunehmend weg, und das ist nicht nur Traditionsvergessenheit. Noch immer wird jedes Kirchengebäude im Inneren bei der Weihe an den Wandmauern mit den zwölf Apostelkreuzen „signiert“, jeweils ein Kreis mit einem gleicharmigen Kreuz darin; oft hat man diese Kreuze auch gemalt, und regelmäßig treten diese Kreuze unter dem Putz wieder in Erscheinung. Nicht selten hat man auch die Apostel figürlich dazu gemalt und jedem ein Stück Text aus dem Credo beigegeben. Das erinnert insgesamt an Apk 21,14, wonach auf den zwölf Fundamenten die Namen der zwölf Apostel geschrieben sind. Ebenso sind auf den Tortürmen der Himmelsstadt die Namen der zwölf Patriarchen geschrieben (Apk 21,12). Denn das ist im wahrsten Sinne des Wortes fundamental: Der Zwölferapostolat verlängert und erneuert das System der zwölf Patriarchen für den Neuen Bund. Ich kann mich nur einer Kirche anvertrauen, die sich als Fortsetzung des Alten Bundes begreift.

Symbolik der Zwölf Stämme

Doch die Verankerung im Alten Testament reicht noch sehr viel tiefer: Die Symbolik der Zwölf Stämme wird vom Propheten Elias in 1 Kge 18,3 in den zwölf Steinen symbolisch entfaltet, bei Jesus in der Berufung des Zwölferkreises, dessen Spitze namens Petrus immerhin noch „der Stein“ heißt. Im Blick gerade auf diese biblische Vorlage gilt: Im Petrusamt der Kirche ist die Rolle der zwölf Steine in dem einen Stein komprimiert. Ich wurde oft gefragt: Warum kann nur ein katholischer Priester, der in der apostolischen Sukzession und in der Einheit mit Rom steht, wirksam und gültig die Eucharistie feiern? Antwort: Die Wandlungsworte stehen in einem Bittgebet („Dass sie uns werden Leib und Blut“). Dieses Bittgebet verleiht den Wandlungsworten die Würde und Kraft von Schöpfungsworten, denn Brot und Wein werden umgeschaffen. Ein so weitreichendes Gebet aber knüpft Jesus an Bedingungen: Euer Gebet wird dann und nur dann bedingungslos erhört, wenn ihr eins seid untereinander; zum Beispiel Mt 18,19f „da bin ich mitten unter ihnen“. Die Einheit der Kirche aber wird in der Horizontalen dargestellt durch die Einheit mit Papst und Bischöfen weltweit. Und sie wird in der Vertikalen dargestellt durch die apostolische Sukzession. Sie bedeutet, dass einer nicht deshalb Bischof sein darf, weil er Lust dazu hat, sondern weil er von (s)einem Vorgänger im Bischofsamt durch Handauflegung dazu geweiht ist. Durch die Handauflegung wird er in die Reihe seiner Amtsvorgänger hineingestellt, und so wird wie in einem Staffellauf eine Kette her- und dargestellt, die durch die Jahrhunderte bis auf die Apostel zurückreicht. Und genau das ist vertikale Darstellung der Einheit. Durch das Erfordernis der apostolischen Sukzession und der Vernetzung mit dem Nachfolger Petri hat die Kirche daher alles Menschenmögliche getan, um dem Einssein jede nur denkbare Möglichkeit zu geben. Denn so gilt das Einssein horizontal und vertikal. Und deshalb ist schon im frühesten Christentum die Eucharistie das Sakrament der Einheit.

Denn die Konsekrationsworte sind keine Zauberworte, durch die etwas verwandelt würde. Sondern sie sind gemeinschaftliche Bitte der einmütig hier am Altar repräsentierten einen Kirche. Und diese Rolle spielen auch die umfangreichen Heiligen-Kataloge im Formular der Alten Messe: Sie nennen auch aus der triumphierenden himmlischen Kirche die Märtyrer, die dazu gehören, und genannt werden ja auch die Lebenden und Toten, die zur Kirche gehören. Allen westlichen nicht-katholischen Konfessionen ist nicht zuletzt dieses verloren gegangen. Aus alledem wird klar erkennbar, dass für die katholische Kirche Einheit und Apostolizität zusammenhängen. Und besonders dieses: Einheit ist nicht (nur) ein kirchenpolitisches Phänomen, sondern sie ist in der Mitte des Credo begründet, denn in der Eucharistie feiert die Kirche auch das, was sie selbst ist: Leib Christi, weil durch Christi Leib und Blut ernährt.

Entdeckung des Mitleids

In den Zusammenhang der katholischen Besinnung auf die Eucharistie im 12. Jahrhunderts gehört auch die Feststellung, dass Jesus in beiden Naturen, der göttlichen und der menschlichen, in der Eucharistie gegenwärtig wird. Eben dieses hat bedeutende Konsequenzen in der Auffassung von Maria, von der Kirche als Leib Christi und auch letztlich von der Nächstenliebe. Denn Maria verdankt Jesus seine menschliche Natur. Es ist der heilige Bernhard von Clairvaux, der über die Menschwerdung Jesu Christi so intensiv nachdenkt wie kaum ein anderer: Maria verdankt Jesus seine menschliche Natur; von ihrem Leib hat er sie genommen. Daher werden die Zisterzienser zu großen Marienverehrern, Die Folge ist eine ganz neue Begegnung mit Maria, die sich etwa im Stabat Mater zeigt, das nahe bei den Zisterziensern entstand. Denn wie Maria unter dem Kreuz mitleiden konnte, so kann es auch jeder Christ mit Maria und sie bitten: Lass mich seine Wunden an mir spüren. Aus diesem psychischen Mitleiden wird das Mitleid als Haltung der Nächstenliebe. Hospitäler blühen auf. Zwar gab es das Mit-Leiden auch schon als faktische Gemeinsamkeit des Leidens „in einer Kompanie“. Das Mitleiden als Zuwendung zum Nächsten aber wird im 12. Jahrhundert geboren und von keiner anderen Religion geteilt. Es erklärt sich daher, dass der christliche Messias für die Menschen gelitten hat und dass Menschen dieses nachahmen wollen – eine sehr spezielle Errungenschaft der monastischen Theologie des Mittelalters.

Nach dem Kirchenvater Augustinus ist die Kirche schon immer dagewesen, denn Abel war ihr erster Märtyrer (Im Neuen Testament: Hebr 12,24). Und Papst Johannes Paul II. konnte erklären, überall, wo Christen für ihren Glauben sterben, sei die Einheit der Kirche schon vollendet. Kein Nicht-Katholik hat je so etwas zu sagen gewagt.

Krönung des Schöpfungswerkes

Seit Jahrhunderten wird die Bibel, besonders das Neue Testament, immer wieder gegen die Kirche verwendet, weil man tausend Dinge fand, an denen man sie aufspießen konnte. Deshalb sagte einer meiner Lehrer, es sei ein wahres Wunder, dass die Kirche die Schrift nie exkommuniziert habe, wo sie doch mit jedem Satz gegen sie spräche. Doch die Schrift ist aus der Kirche geboren, und die Kirche hat sich nie durch die sogenannten Widersprüche allein schon in den vier Evangelien irritieren lassen. Gegenüber solchen exegetischen Künsten ist sie gelassen, aber nicht gegen Raub und Kindsmord. Und der Herz-Jesu-Sozialismus (zu Deutsch: Katholische Soziallehre) war und ist ein Traum meiner Jugend.

Dreifaltigkeit ist wegen dieser Kirche: Der Vater krönt sein Schöpfungswerk mit der Berufung seines Volkes. Der Sohn wird Mensch wegen der Kirche als Braut. Gott als Heiliger Geist und eben nicht sie selbst schenkt ihr die Vergottung (griechisch: theiosis).

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