So zynisch es klingt: Manchmal bedarf es eines Krieges, um selbstverständliche politische Anliegen auf die Tagesordnung zu hieven. In Deutschland gilt dies nicht nur für die Landesverteidigung, deren Notwendigkeit viele Politiker erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine entdeckt haben.
Denkmal für Kommunismusopfer gewinnt an Aktualität
Auch in der Energieversorgung hat die Bundesregierung seit Kurzem erkannt, dass es „einfach dämlich“ (Robert Habeck) ist, sich in existenzielle Abhängigkeit zu einem einzigen Lieferanten zu begeben. Auch auf anderen Gebieten scheint es ein Umdenken zu geben. Überraschend legten jetzt die Regierungsparteien im Bundestag einen Antrag zur Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland vor. Das Vorhaben, für das sich das Parlament schon zweimal ausgesprochen hatte, war im Koalitionsvertrag der Ampel vom Dezember nicht enthalten. Stattdessen wollen SPD, Grüne und FDP ganz andere Erinnerungsorte schaffen: ein Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“, einen Begegnungsort für „die Opfer der Besatzung Polens“ und einen „Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus“.
Seit dem Ukraine-Krieg erscheinen diese Vorhaben wie aus einer Welt von gestern. Das Denkmal für die Kommunismusopfer hat dagegen ungeahnte Aktualität gewonnen. Es würde nämlich in Erinnerung rufen, dass auch Deutschland 1945 Opfer russischer Expansionsbestrebungen wurde. Was hierzulande jahrelang als Befreiung beschönigt wurde, war in Wahrheit die Unterwerfung halb Europas unter Stalins Machtgelüste. An diese Vergangenheit will Putin in der Ukraine wieder anknüpfen.
Ob Denkmäler den Lauf der Geschichte ändern können, darf man angesichts der vielen Erinnerungsstätten für die Opfer der Weltkriege bezweifeln. Ein Mahnmal für die kommunistisch Verfolgten ist gleichwohl ein Zeichen, dass sich die Wirklichkeit auch in der Erinnerungspolitik zurückmeldet.
Der Autor war Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
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