Rumänien und Bulgarien fühlen sich von Österreich feindselig behandelt und gedemütigt. Aus gutem Grund: Österreichs Innenminister blockierte auf EU-Ebene den Beitritt beider EU-Staaten zum Schengen-Raum - im Fall Bulgariens zusammen mit den Niederlanden, im Fall Rumäniens sogar im Alleingang. Seiner Begründung, die beiden Balkanstaaten hätten ihre Grenze nicht unter Kontrolle und seien für den gewachsenen Migrantenstrom nach Österreich mitverantwortlich, widersprechen praktisch alle: die betroffenen Länder, Frontex, die EU-Kommission, 26 von 27 EU-Staaten und viele Migrationsexperten.
Das kleine Österreich lässt die Muskeln spielen
Ein Blick auf die Landkarte genügt: Österreich hat überhaupt keine gemeinsame Grenze mit Rumänien und Bulgarien. Die Westbalkanroute führt vor allem über Serbien und Ungarn nach Österreich. Doch statt mit Orbán und Vucic Klartext zu reden, demütigt Wien mutwillig zwei EU-Staaten, die sich seit elf Jahren abmühen, um endlich in den Schengen-Raum aufgenommen zu werden.
Das kleine Österreich ließ in Brüssel ordentlich die Muskeln spielen und hat jetzt Muskelkater. Der Image-Schaden ist gewaltig, in Brüssel wie auf dem Balkan, wo Wien bisher als traditioneller Freund und Partner geschätzt wurde. Der wirtschaftliche Schaden ist noch gar nicht ausgemessen. Dass Bundespräsident Van der Bellen die eigene Regierung öffentlich rüffelt und Außenminister Schallenberg das Wiener Veto diplomatisch relativiert, macht den europapolitischen Unfall nicht wieder gut. Zumal der Verdacht im Raum steht, Österreich habe Europapolitik mit Innenpolitik verwechselt. Die ÖVP, der Kanzler Nehammer und Innenminister Karner angehören, dümpelt in den Umfragen auf dem dritten Platz, während die FPÖ gerade Auftrieb hat. Der anschwellende Migrantenstrom (für den Bukarest nicht und Sofia wenig verantwortlich ist) treibt der migrationskritischen FPÖ Wähler zu.
Da wollten die Regierungs-Schwarzen vor der wichtigen Landtagswahl in Niederösterreich wohl gegensteuern. Also spielte man in Brüssel den starken Mann und nahm den europapolitischen Scherbenhaufen in Kauf.
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