An Weihnachten feiert die Christenheit mit der Geburt Jesu Christi nicht weniger als den leibhaftigen Eintritt Gottes in die Menschheitsgeschichte. Oder wie es der Seher Johannes im Prolog zu seinem Evangelium formuliert: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ Da nimmt also der Schöpfer des Universums Menschengestalt an und die Mehrheit der Krone seiner Schöpfung schaut gelangweilt zu. Illuminiert mit Lichterketten kunstvoll Häuser und Gärten, statt sich dem „Licht der Welt“ zuzuwenden. Hofft bei der „Schlacht unter dem Baum“ bella figura zu machen, statt an der Krippe über den Heilsplan Gottes zu meditieren.
Tiefes Bedauern und echtes Mitgefühl wären angebracht
Es ist leicht, sich darüber zu erheben, wo doch tiefes Bedauern und echtes Mitgefühl am Platz wären. Und lässt sich eine solche Haltung nicht auch verstehen? Hat(te) nicht jede Gesellschaft ihre Götter? Offizielle wie Atum, Zeus, Jupiter oder Odin? Oder inoffizielle wie Macht, Reichtum, Ansehen oder Sex? Gibt es bei ehrlicher Betrachtung überhaupt eine „gottlose“ Kultur? Unterscheiden sich Kulturen nicht vor allem darin, wen oder was sie verehren? Tanzen nicht selbst die sich säkular Dünkenden und scheinbar Aufgeklärten am Ende auch nur um ein goldenes Kalb? Kann nicht, was dem einen „Elysium“ oder „Walhall“ ist, dem anderen das „Himmlische Jerusalem“ sein? Muss nicht jeder nach seiner Façon selig werden? Vermutlich gibt es zu all dem gar nicht viel zu sagen. Jedenfalls nicht Entscheidendes.
Letzteres geht kurz und bündig: Knapp vorbei ist auch vorbei. Zwar ist das Christentum auch eine Religion. Und doch sticht es unter allen anderen in etwa so hervor, wie ein Elefant im Porzellanladen. Mit vergleichbarer Andersartigkeit zwar, aber mit derselben einstürzenden Macht.
„Homo desiderium Dei“, heißt es etwa bei Augustinus – „Der Mensch ist die Sehnsucht Gottes“. So sehr, dass Gott in Jesus Christus selbst Mensch wird, um die des Paradieses verlustig gegangene Menschheit durch seinen Tod am Kreuz zu erlösen. Was laut Paulus für „Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ ist, wird an Weihnachten grundgelegt und lässt sich nicht in Duftwolken aus Vanille, Zimt und Nelken auflösen. „Mir willst du zum Gotte machen, solch ein Jammerbild am Holze!“, dichtet auch deshalb Goethe in seinem „West-östlicher Divan“. Wenn die singuläre Erzählung der Menschenwerdung Gottes und seines Erlösungswerkes wahr sein sollte, verrät sie uns nicht nur etwas darüber, wie Gott ist, sondern auch, wie Gott den Menschen denkt, nachdem er sich sehnt: Nämlich so wie Jesus Christus. Zwölf Menschen, die den Auferstandenen gesehen haben wollen, war diese Erfahrung so wichtig, dass sie ihm dafür in den Tod folgten.
C.S. Lewis wird Recht behalten
Mag die Ampelregierung in ihrem konstruktivistischen Wahn den Menschen neu erfinden wollen. Letztlich wird der Anglikaner C.S. Lewis Recht behalten, der schrieb: „Am Ende werden nur zwei Gruppen von Menschen vor Gott stehen – jene, die zu Gott sagen: ,Dein Wille geschehe‘, und jene, zu denen Gott sagt: ,Dein Wille geschehe‘.“ Weihnachten lädt uns ein, eine bewusste Wahl zu treffen und unserem Leben eine Richtung zu geben. Warum nicht eine, die Gottes Sehnsucht entgegenkommt?
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