Wahlprüfsteine

Was die Parteien zu Christenverfolgung sagen

Ein Blick in die Wahlprogramme: Was sagen die Parteien zur Christenverfolgung und zum Thema Religionsfreiheit? Welche Aussagen findet man allgemein zum Verhältnis Staat/Kirche?
Ein Blick in eine Kirche, die bei den Osteranschlägen 2019 in Sri Lanka zerstört worden ist
Foto: Gemunu Amarasinghe (AP) | Ein Blick in eine Kirche, die bei den Osteranschlägen 2019 in Sri Lanka zerstört worden ist. Christenverfolgung wird allein im Programm von CDU und CSU erwähnt.

Weltweite Christenverfolgung, Religionsfreiheit in Deutschland, Staatsleistungen an die Kirchen: Dies sind nur ein paar Schlagworte, um das angespannte Verhältnis zwischen Kirche(n) und Staat zu beschreiben. Mit folgenden Forderungen und Stellungnahmen positionieren sich die Parteien in ihren Programmen zu diesen Themen:

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CDU/CSU: Für verfolgte Christen einsetzen

Eines vorweg – die Unionsparteien sind die einzigen, die in ihrem Wahlprogramm die weltweite Christenverfolgung ansprechen. Man wolle dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit weltweit Geltung verschaffen. „Insbesondere werden wir uns weiterhin beharrlich für verfolgte Christen einsetzen“, so die Union.

An mehreren Stellen im Wahlprogramm bezeichnet die Union den christlichen Glauben als Grundlage für ihr politisches Handeln. Den Klima- und Umweltschutz sieht die Union als Mittel zur Schöpfungsbewahrung. Den Schutz der Arbeitnehmerbelange sieht die Union als „originär christlich-soziales Anliegen.“

Das christliche Menschenbild gebe „den Kompass an die Hand“ für eine von individueller Freiheit und Solidarität für Ärmere und Ältere gekennzeichnete Gesellschaft. Der Schutz der Familie sei eine „Grundkonstante einer vom christlichen Menschenbild geleiteten Politik.“

Was das Verhältnis von Kirchen und Staat anbetrifft, so betrachtet die Union die Trennung von Religion und Staat einerseits als wertvoll, andererseits bezeichnet sie die Religionen für die Gesellschaft als grundsätzlich bereichernd. Die Freiheit der Kirchen, in die Gesellschaft hineinzuwirken, müsse weiterhin unantastbar bleiben.

SPD: Kirchen als Partner im Gesundheitsbereich

„Wir begrüßen das Engagement in den Religionsgemeinschaften und Kirchen. Den interreligiösen Dialog und den Dialog von Religionen, Weltanschauungen und Kulturen werden wir weiter fördern […]. Die Religionsfreiheit ist fest im Grundgesetz verankert und wir schützen sie.“

Neben diese Passage kommen die Kirchen nur an einer weiteren Stelle im Wahlprogramm der Sozialdemokraten vor, nämlich als Partner im Gesundheits- und Pflegesektor. Gemeinsam müsse man, so die SPD, einen Weg erarbeiten, das kirchliche Arbeitsrecht dem allgemeinen Arbeits- und Tarifrecht anzugleichen.
Zwei Aspekte lassen sich hieran ablesen: Zum einen wird den Religionsgemeinschaften im Allgemeinen offensichtlich nur eine geringe Bedeutung im SPD-Wahlprogramm beigemessen. Denn die hier zitierten Ausführungen sind recht kurz und zudem recht oberflächlich gehalten. Zum anderen nimmt der christliche Glaube im Speziellen keine hervorgehobene Rolle ein, denn die Kirchen werden in einem Atemzug mit anderen Religionsgemeinschaften und mit säkularen Weltanschauungen genannt.

AfD: Christentum und Leitkultur

Auf der einen Seite benennt die AfD in ihrem Wahlprogramm das Christliche als kulturstiftendes Moment für die westliche Zivilisation. Die „christliche und humanistische Kultur der europäischen Völker“ habe Prinzipien wie die Gleichheit vor dem Gesetz etabliert.

An anderer Stelle betont die AfD den christlichen Hintergrund der deutschen Leitkultur: „Unsere Identität ist geprägt durch unsere deutsche Sprache, unsere Werte, unsere Geschichte und unsere Kultur. Letztere sind eng verbunden mit dem Christentum“, heißt es dazu im Wahlprogramm der Partei.

Auf der anderen Seite kritisiert die AfD das in Deutschland häufiger praktizierte Kirchenasyl. Die AfD stellt hierbei einen Missbrauch fest, um Abschiebungen zu behindern, was nicht hinnehmbar sei.

FDP: Reform des Staatskirchenrechts

Die Freien Demokraten treten in ihrem Wahlprogramm dafür ein, das Staatskirchenrecht dahingehend zu reformieren, dass aus diesem ein Verfassungsrecht für alle Religionsgemeinschaften werde.

Ebenso müssten kirchliche Privilegien im Arbeitsrecht abgeschafft werden. Bisher genießen die Kirchen als Arbeitgeber besondere Rechte. So können die Kirchen herausgehobene Loyalitätspflichten ihrer Beschäftigten einfordern, etwa mit Blick auf Glaubens- und Moralvorstellungen.

Zusätzlich fordern die Liberalen, den Verfassungsauftrag aus Zeiten der Weimarer Reichsverfassung umzusetzen die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen. Hierbei handelt es sich um jährliche Ausgleichszahlungen in der Höhe von etwa einer halbe Milliarde Euro der Bundesländer an die Kirchen. Dies dient als Entschädigung für Gebietsenteignungen und sonstige Verluste, die bis in die napoleonische Ära zurückreichen.

Gegenüber der Tagespost erklärt Christian Waldhoff, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Berliner Humboldt-Universität und Experte für Staatskirchenrecht, was es mit diesem historischen Verfassungsauftrag auf sich hat: „Dies ist ein echter Verfassungsauftrag, der vorsieht, dass die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen sind, der aber schon über einhundert Jahre nicht erfüllt wurde, denn er entstammt der Weimarer Reichsverfassung aus dem Jahre 1919. Artikel 140 unseres Grundgesetzes erklärt diesen Teil des Staatskirchenrechts aus der Weimarer Verfassung zum Bestandteil des Grundgesetzes.“ Interessanterweise werden im gesamten FDP-Wahlprogramm Worte wie „Christentum“ oder „christlich“ kein einziges Mal verwendet.

Linke: Alle Religionen gleich behandeln

Grundsätzlich bekennt sich die Linke in ihrem Wahlprogramm zum Recht auf freie Religionsausübung: „Es ist das Recht der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses.“ Zugleich betont die Linke die Notwendigkeit der institutionellen Trennung von Kirche und Staat.

Die Linke sieht Reformbedarf beim Verhältnis des Staates zu den Kirchen. Sie fordert die „Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen mit den christlichen Kirchen“. Ferner fordert sie die Abschaffung des kirchlichen Sonderarbeitsrechts. Des Weiteren müsse die Militärseelsorge in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden. Schließlich macht sich auch die Linke stark für die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen.

Grüne/Bündnis 90: Arbeitsrecht reformieren

Bei den Grünen wird das Christliche als „wichtige Stütze unserer Gesellschaft“ betont. Die Kirchen seien zuverlässige Partner mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ohne sie seien Pflege und Betreuung von Kindern, Kranken, Alten und Menschen mit Behinderung kaum möglich. Ihr Engagement bei der Seenotrettung „Geflüchteter“ sei ein wichtiger Beitrag.

Mit Blick auf die Religionsfreiheit betonen die Grünen: „Das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wollen wir, auch weltweit, weiter stärken.“ Möglicherweise lässt sich hierin auch ein Bekenntnis zum Schutz verfolgter Christen ableiten. Beim Verhältnis der Kirchen zum Staat sehen die Grünen Reformbedarf. „Die besondere Beziehung zwischen Staat und den christlichen Kirchen wollen wir erhalten und wo nötig der gesellschaftlichen Realität anpassen“, heißt es im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen. So müsse das kirchliche Arbeitsrecht reformiert werden und der Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen umgesetzt werden.

Die Bilanz

Die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen ist eine Forderung, die sich bei Liberalen, Grünen und Linken findet. „Mindestens eine dieser drei Parteien wird höchstwahrscheinlich Teil der zukünftigen Bundesregierung sein. Somit wird auch die Ablösung der Staatsleistungen in den Koalitionsverhandlungen behandelt werden“, sagt Jura-Professor Christian Waldhoff gegenüber dieser Zeitung.

Die Ablösung war bereits in dieser Legislaturperiode von FDP, Linken und Grünen in den Bundestag eingebracht worden. „Es wurde ein sehr ausgewogener Gesetzesentwurf erarbeitet, aber weil er von den Oppositionsparteien kam, haben sich die beiden Regierungsfraktionen natürlich nicht darauf eingelassen“, konstatiert der Staatskirchenrechtsexperte Waldhoff.

Auch Antonius Hamers, Leiter des katholischen Büros in Nordrhein-Westfalen, prognostiziert, dass die Ablösung kommen wird. „Wir betonen als katholische Kirche in NRW, dass wir zu Verhandlungen bereit sind und dass die Ablösung gegen eine äquivalente Entschädigung erfolgen kann“, so Pfarrer Hamers gegenüber der Tagespost.

Auch beim kirchlichen Arbeitsrecht weisen erneut Liberale, Linke und Grüne Überschneidungen auf, da sie das Ende der kirchlichen Sonderbehandlung fordern. Dies hätte womöglich ernsthafte Konsequenzen für die Kirchen. Doch habe sich das besondere Individualarbeitsrecht der Kirchen bewährt, so Pfarrer Hamers von der Vertretung der katholischen Bistümer Nordrhein-Westfalens: „Insofern sehen die Bistümer in NRW keinen Anlass, das kirchliche Arbeitsrecht insgesamt in Frage zu stellen.“

Unterschiedliche Schwerpunkte bei den Parteien

Was Religionsfreiheit und Christenverfolgung anbetrifft, gibt es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei den Parteien. Während sich die Union klar zum Schutz verfolgter Christen bekennt, und Linke, SPD und Grüne sich immerhin für die Religionsfreiheit aussprechen, spielt dies bei FDP und AfD eine so geringe Rolle, dass sie dieses Thema in ihrem Wahlprogramm unerwähnt lassen. Pfarrer Hamers fordert in diesem Zusammenhang: „Wir erwarten von der Politik, dass die Wahrung der Religionsfreiheit, der Würde und der übrigen Menschenrechte weltweit eines der wichtigsten Ziele deutscher Außenpolitik ist.“
Auch das Päpstliche Hilfswerk Kirche in Not (ACN) betont: „Wir wünschen uns, dass die nächste Bundesregierung dafür eintritt, dass Religionsfreiheit eingehalten und religiöse Verfolgung klar benannt und geächtet wird.“

Damit müsse hier in Deutschland begonnen werden: „Hierzulande wäre es ein Fortschritt, wenn religiös motivierte Gewalt gegen Christen oder Attacken auf Gotteshäuser bundesweit einheitlich in der Kriminalstatistik erfasst würden. Das würde unumstößliche Fakten liefern und einer Verharmlosung des Themas entgegenwirken“, so Kirche in Not gegenüber dieser Zeitung.


Serie zur Bundestagswahl

Die Tagespost widmet sich in einer sechsteiligen Reihe der kommenden Bundestagswahl 2021. Im Mittelpunkt stehen Politikfelder, die für christliche Wähler von hoher Bedeutung sind: (1) Lebensschutz, (2) Familienpolitik, (3) Religionsfreiheit und Christenverfolgung, (4) Identitätspolitik, (5) Einwanderungspolitik und Innere Sicherheit sowie (6) Nachhaltigkeit und Schöpfungsbewahrung. Hierzu werden die Wahlprogramme der großen Bundesparteien CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Die Linke sowie Bündnis 90/Die Grünen analysiert und mithilfe renommierter Experten eingeordnet.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

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