Bei der Wahl im Saarland erhielt die SPD mit 43,5 Prozent der Stimmen die absolute Mandatsmehrheit. Das gelang zuletzt der CSU 2013. Es gab bei dieser Wahl einen weiteren Superlativ: Noch niemals blieben 22,3 Prozent der Stimmen unverwertet, weil sie auf Parteien mit einem Stimmenanteil von weniger als fünf Prozent fielen. Mithilfe einer Nebenstimme ließe sich dieser Missstand vermeiden. Zwar gelangten Parteien mit weniger als fünf Prozent weiterhin nicht in das Parlament, aber dafür würde die Nebenstimme eines Wählers dann zählen, wenn dieser mit seiner Hauptstimme für eine Partei votiert, die an der Fünfprozentklausel scheitert. So ließen sich die Nachteile der Fünfprozentklausel vermeiden und deren Vorteile beibehalten.
Viele unverwertete Stimmen fallen nicht an
Bei den Wahlen in Schleswig-Holstein am 8. Mai und eine Woche später in Nordrhein-Westfalen fallen angesichts der soliden Stärke der Grünen und der Liberalen derart viele unverwertete Stimmen nicht an, doch mag eine Parallele auf der anderen Seite des politischen Spektrums keineswegs ausgeschlossen sein. Hatte der frischgebackene SPD-Vorsitzende Martin Schulz bei den letzten drei Wahlen vor der Bundestagswahl 2017 in diesen Ländern Verluste eingebüßt, könnte dies nun dem jüngst zum CDU-Vorsitzenden gewählten Friedrich Merz angesichts des bundespolitischen Hochs für die SPD ebenso passieren.
Der CDU muss daran gelegen sein, bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen stärkste Kraft zu bleiben und die FDP für eine Fortsetzung der Koalition zu gewinnen, eventuell unter Einbeziehung der Grünen – nicht zuletzt gerade Merz, damit dessen Avancen auf die Kanzlerkandidatur nicht auf große interne Skepsis stoßen. Eine Ampel-Koalition wäre für die CDU mit Blick auf die nächste Bundestagswahl ein Menetekel. Wahlen in Nordrhein-Westfalen sind bekanntlich kleine Bundestagswahlen.
Der Autor, von 2007 bis 2009 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft, ist Parteien- und Wahlforscher.
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