Es ist nicht nur ein Krieg, der in der Ukraine stattfindet, sondern ein „echter Völkermord“. Davon ist das Oberhaupt der mit Rom unierten Katholiken des byzantinischen Ritus, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, überzeugt. Das Wort elektrisiert: Wir denken an den Genozid der Armenier 1915/16 im Osmanischen Reich, an den Völkermord in Ruanda 1994, an das Massaker von Srebrenica 1995, an den Völkermord des IS an den Jesiden 2014. Wir ahnen den Hass der Täter und die Angst der Opfer, spüren die eigene Ohnmacht.
Putin und der Mut der Verzweiflung
Ja, Putins Krieg gegen die Ukraine ist längst kein Eroberungsfeldzug mehr. Sollte es dem Diktator im Kreml je darum gegangen sein, die Regierung in Kiew zu stürzen und durch eine willfährige Marionettenregierung zu ersetzen, die Ukraine neuerlich dem eigenen Einflussbereich einzugliedern und jeden westlichen Einfluss auf das Land zu brechen, dann müsste Moskau diesen Krieg längst für gescheitert erklären. Dass Russland die Kampfhandlungen fortsetzt, Söldner aus Tschetschenien und Syrien an die Front jagt, Wohnviertel und Klöster ohne strategischen Sinn bombardiert, auf wehrlose Zivilisten schießen lässt, all das entlarvt einen Krieg, der nicht der Eroberung, sondern der Vernichtung dient.
Es ist, als wollte der russische Despot die Ukrainer dafür bestrafen, dass sie seine Lügen vor aller Welt sichtbar machten: indem sie den Invasoren nicht mit Blumen entgegentraten, sondern mit Widerstand. Der Mut der Verzweiflung kommt nicht überraschend, sondern aus Erfahrung: Die Ukrainer haben im 20. Jahrhundert bereits einen Genozid durchlitten. Damals versuchte Josef Stalin die ukrainische Identität zu brechen – mit Massenverhaftungen, Morden und einer willkürlich verordneten Hungersnot, die Millionen das Leben kostete. An dieses Trauma des Volkes erinnert das Wort „Völkermord“ die Ukrainer – und uns
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