Klimademo

Verdis „Öko-Streik“

Politische Streiks gefährden den sozialen Frieden, meint der Sozialwissenschaftler Elmar Nass in einem Gastbeitrag.
Warnstreik
Foto: Daniel Bockwoldt (dpa-Zentralbild) | Teilnehmer eines Warnstreiks der Beschäftigten von Bund und Kommunen ziehen durch die Innenstadt Schwerins.

Öko-Themen von „Fridays for future“ bestimmten den letzten Streik-Freitag von Verdi. Was soll daran schlimm sein? Schließlich ist der Klimawandel eins der drängendsten Probleme unserer Zeit. Also scheint es nur gut, wenn die Gewerkschaft im Rahmen der aktuellen Tarifauseinandersetzungen diesen Themen durch ein Paktieren mit Klimaaktivisten mehr Gehör verschafft. Für dies scheinbar übergeordnetes Ziel wurde das Streikrecht über seine eigentlichen Grenzen hinaus ausgelegt. Dass dabei die Tür geöffnet wurde für politisch motivierte Streiks jenseits der Tarifautonomie, scheint zweitrangig. Zuletzt gab es Vergleichbares in der Weimarer Republik.

Mit Tabubruch in prominenter Gesellschaft

Eine solche Politisierung ist bei uns mit guten Gründen nicht vorgesehen. Instrumente der Tarifautonomie dienen zur Lösung der Tarifkonflikte. Basta. Alles andere gefährdet den sozialen Frieden, der nach Alfred Müller-Armack Wesensmerkmal Sozialer Marktwirtschaft ist. Mit diesem Tabubruch findet sich Verdi in prominenter Gesellschaft: Die EZB soll Preisstabilität sichern, nichts weiter. Denn die Beimengung anderer Ziele macht sie anfällig für ideologische Manipulation.

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Dementgegen hat Christine Lagarde nun Ökoziele der Geldpolitik ausgegeben. Widerspruch ist kaum zu hören. Ein demokratisches Mandat fehlt. In Berlin wurde das Denkmal mit den Grundgesetz-Artikeln von Aktivisten der so genannten Letzten Generation mit Öl verunstaltet. Öffentlicher Protest ist kaum zu hören. Klebeaktivisten üben Gewalt gegen Mitbürger aus. Klimarettung scheint alles zu legitimieren. Protest dagegen zwecklos? Verdis Öko-Streik ist Seife auf der schiefen Bahn in eine neue Gesellschaftsordnung, die mit freiheitlichen und sozialen Werten bricht. Der aktuelle Missbrauch des Streikrechts legt Axt an die Tarifautonomie. Im großen Konzert eingeschüchterter Freiheit sogar an noch viel mehr.


Der Autor lehrt Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie.

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