Geburtenrate steigt

Ungarns Familienförderung funktioniert

Eine anreizbasierte Familienpolitik führt zum Erfolg. Ungarns Geburtenrate ist in den letzten Jahren von 1,2 auf 1,6 Kinder pro Frau gestiegen.
Geburtenrate
Foto: IMAGO/Michael Gstettenbauer (www.imago-images.de) | Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzt Ungarn stark auf die Steigerung der Krippenplätze.

Ein Land, in dem Eltern Anspruch auf drei Jahre bezahlte Elternzeit haben, Schulbücher für Eltern kostenlos sind und Mütter unter 30 keine Einkommenssteuer bezahlen: Mit ihrer Familienpolitik konnte Ungarns christlich-konservative Regierung die Geburtenrate innerhalb des letzten Jahrzehnts von 1,2 auf 1,6 Kinder pro Frau heben. Im europäischen Vergleich ist das Land damit –sowie mit seiner hohen Eheschließungsrate – Spitzenreiter. Das erklärte Zsófia Nagy-Vargha, stellvertretende Staatssekretärin für Jugend in der ungarischen Regierung, im Rahmen einer Online-Veranstaltung zur ungarischen Familienpolitik.

Interesse für ungarische Familienpolitik in Deutschland

Die Veranstaltung war Teil der Veranstaltungsreihe „Deutschland und Ungarn im Gespräch“ des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium in Budapest und der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in Deutschland. Als Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft wies Gerhard Papke einleitend darauf hin, dass die ungarische Familienpolitik in Deutschland auf zunehmendes Interesse stoße, während gleichzeitig viele ihrer praktischen Details hierzulande weitgehend unbekannt seien. Bereits ihre Ansiedlung im 2018 neu eingerichteten Ministerium für Kultur und Innovation gebe Aufschluss über die Bedeutung, die die ungarische Regierung der Familienförderung beimesse, leitete Zsófia Nagy-Vargha ihren Vortrag ein. Während es in Europa keine einheitliche Auffassung davon gebe, was Ehe und Familie sei, werde dies in Ungarn gesetzlich klar geregelt: „Die Familie beruht auf der Ehe und der Kindererziehung. Die Ehe ist eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf einer freiwilligen Entscheidung beruht.“

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2020 hatte das ungarische Parlament zudem einen Verfassungszusatz verabschiedet, der definiert, dass der Vater ein Mann und die Mutter eine Frau ist. Zu den Zielen der ungarischen Familienpolitik gehört es heute, dass Durchschnittsalter von Frauen bei ihrer ersten Geburt zu senken und das Pro-Kopf-Einkommen von Familien zu erhöhen. Zahlreiche finanzielle Maßnahmen brachte die Regierung seit 2010 auf den Weg: Dazu gehört etwa, dass Eltern in Ungarn Anspruch auf drei Jahre bezahlte Elternzeit haben, in deren erstem Jahr sie 100 Prozent ihres Einkommens weiterbeziehen.

Steigerung der Anzahl der Krippenplätze

Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzt Ungarn stark auf die Steigerung der Krippenplätze, erklärt Nagy-Vargha. Alternativ können Eltern – und seit 2020 auch Großeltern – jedoch ein Kinderbetreuungsgeld beziehen, um ihre Kinder selbst zu betreuen. Mütter von mindestens vier Kindern sind lebenslang von der Einkommenssteuer befreit, während junge Mütter bis zu ihrem 30. Lebensjahr keine Einkommenssteuer bezahlen. „Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Europa konnten wir diese Maßnahmen aufrechterhalten“, sagt Nagy-Vargha, die selbst Mutter von drei Kindern ist. Die niedrige Geburtenrate sei für alle Länder Europas eine Herausforderung, jedoch existierten verschiedene Lösungsansätze. Für Nagy-Vargha ist klar: „Für Ungarn ist Migration zur Stärkung des Bevölkerungswachstums keine Lösung. Wir setzen darauf, ungarische Familien zu unterstützen.“

Im Austausch mit dem Publikum wurde auch Verbesserungsbedarf im ungarischen Unterstützungssystem deutlich: So gebe es bisher keine finanzielle Hilfe für Menschen, die ältere Familienangehörige privat pflegen. Insgesamt zeige sich der Erfolg der Maßnahmen laut Zsófia Nagy-Vargha auch in Meinungsumfragen unter Jugendlichen, die immer häufiger angeben, zwei oder mehr Kinder haben zu wollen. Und: Laut aktueller Statistiken übersteige mittlerweile die Zahl der Auslandsungarn, die zurück in ihre Heimat kommen, diejenige der Auswanderer um ein Vielfaches.

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Franziska Harter Ministerien Ungarische Regierungen Vereinbarkeit von Familie und Beruf

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