Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, ließ jüngst mit einer Bemerkung aufhorchen: Im Interview mit der Schweizer Wochenzeitung „Weltwoche“ nannte er den US-Präsidenten Donald Trump einen „großen Unterstützer“ von LGBT-Anliegen. Diese Einschätzung erschien zumindest für europäische Beobachter überraschend. Denn hierzulande war Trump bisher nicht gerade als Fürsprecher der Forderungen nach Gleichberechtigung Homo-, Bi- und Transsexueller aufgefallen, denen häufig vorgeworfen wird, gar eine eigene Agenda zu verfolgen.
Trump startet Initiative zur Entkriminalisierung von Homosexualität
Nun betonte Grenell jedoch, der US-Präsident treibe aus eigener Überzeugung heraus eine Initiative zur Entkriminalisierung von Homosexualität voran. Diese hatte Trump bereits im Juni anlässlich des sogenannten „Pride Month“ angekündigt, wenn Homosexuelle und Transgender in den USA alljährlich große Paraden veranstalten und für Toleranz werben.
Auf dem Kurzmitteilungsdienst „Twitter“ schrieb Trump damals: „Während wir den LGBT Pride Month feiern und die herausragenden Beiträge würdigen, die LGBT-Menschen für unsere großartige Nation geleistet haben, sollten wir uns auch solidarisch mit den zahlreichen LGBT-Menschen zeigen, die in Dutzenden Ländern weltweit leben, die Individuen aufgrund ihrer sexuellen Überzeugung bestrafen, einsperren oder sogar hinrichten.“
Trump homophob? "Absolut lächerlich"
Trotz des vielfach medial kolportierten Bildes eines Präsidenten, der die Ziele Homosexueller nicht teilt, rückte sich Trump zum „Pride Month“– wenn auch nur für den Moment – in ein anderes Licht. Ganz ähnlich wie einst im Wahlkampf 2016, als der 73-jährige ehemalige Immobilien-Unternehmer medienwirksam mit Regenbogenfahne posiert hatte, dem weltweit bekannten Symbol der LGBT-Bewegung. Die Journalisten der „Weltwoche“, die Botschafter Grenell interviewten, hielt dies nicht von dem spitzen Einwand ab, dass Trump von vielen Deutschen als „sehr homophob“ wahrgenommen werde. In Grenells Augen „absolut lächerlich“.
Es gebe schlicht und einfach keinen Beweis dafür, dass der US-Präsident nicht auf Seiten der LGBT-Anhänger stehe, erklärte der 52-Jährige.
Eine Aussage, die einer Überprüfung nicht standhält: Dass Trump hier ein doppeltes Spiel spielt, beweist abermals ein Blick auf den „Pride Month“. Denn während der Präsident stolz seine Initiative auf Twitter bewarb, verbot die US-Regierung gleichzeitig ihren Botschaften im Ausland, die Regenbogenfahne zu hissen. Unter Trumps Vorgänger Barack Obama war dies noch erlaubt gewesen.
Trump-Regierung wollte Transgendern den Militärdienst verbieten
Nun widersetzten sich zwar einige US-Auslandsvertretungen den Anordnungen aus der Heimat, darunter die Botschaften in Österreich, Indien und Südkorea. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass man in der Regierung Trump wohl doch davor zurückschreckte, sich allzu offen mit den Zielen der LGBT-Bewegung gemein zu machen. Der Fairness halber sei gesagt, dass man sich natürlich für die Gleichberechtigung Homosexueller einsetzen und gleichzeitig darauf verzichten kann, die bunte Fahne zu hissen. In der LGBT-Gemeinde erhöhte das Verbot allerdings nicht gerade die Glaubwürdigkeit des Präsidenten im Hinblick auf ihre Ziele.
Schon zuvor hatte Trump in den Augen der LGBT-Unterstützer bewiesen, keinen Gleichgesinnten zum Präsidenten zu haben. Erinnert sei an einen Beschluss vom vergangenen Jahr, mit dem die US-Regierung Transgendern den Militärdienst verweigerte, die sich in „umfassender medizinischer Behandlung“ befinden. Der Oberste Gerichtshof, derzeit mit mehrheitlich konservativen Richtern besetzt, bestätigte das Verbot. Aus Washington hieß es damals zur Begründung, Transgender-Rekruten stellten ein bedeutendes Risiko für den militärischen Erfolg dar.
Kann Homosexuellen aufgrund ihrer Sexualität gekündigt werden
Und auch aus Trumps Richter-Ernennungen an sich lässt sich herauslesen, dass er die Anliegen der LGBT-Bewegung kaum teilen dürfte. Denn die Personalien Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh, deren Bestätigung für heftigen, monatelangen Streit zwischen Republikanern und Demokraten sorgte, hatte Trump bewusst wegen ihrer konservativen Haltung – auch in sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen ausgewählt.
Weitere Beispiele für eine eher LGBT-kritische Haltung des Mannes im Weißen Haus lieferte nicht zuletzt das Arbeitsrecht. Die US-Regierung verabschiedete jüngst eine Erklärung, in der sie sich dafür aussprach, dass Homosexuelle aufgrund ihrer Sexualität von ihrem Arbeitgeber entlassen werden können.
Den Anlass für solch eine Positionierung lieferten mehrere Fälle, in denen Angestellte geklagt hatten, ihre Stelle verloren zu haben, weil sie homosexuell seien. Unter ihnen ein Fallschirmsprunglehrer aus New York und ein Sozialarbeiter aus Georgia. Im Oktober werden die Fälle vor dem Supreme Court verhandelt.
Evangelikale sind mit LGBT-freundlichen Positionen kaum zu erreichen
Im Zentrum steht dabei die etwas sperrig klingende Frage, ob sich der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung mit dem „Civil Rights Act“ aus dem Jahr 1964 begründen lässt. Das vom damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson verabschiedete Bürgerrechtsgesetz spricht nur vom Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der Herkunft und des Geschlechts. Ein dem Präsidenten gewogener Supreme Court dürfte hier wohl zugunsten der Regierung urteilen.
Auffällig ist auch, dass Präsident Trump und sein Regierungsstab wohl selbst nicht so ganz überzeugt zu sein scheinen, ob es im Hinblick auf die potenzielle Wählerschaft erfolgversprechend sein wird, sich allzu offen auf die Seite der LGBT-Bewegung zu stellen. Denn im Vergleich zu zahlreichen anderen Regierungs-Initiativen wurde über jene zur Entkriminalisierung von Homosexualität nur sehr wenig berichtet. Den Beratern des Präsidenten dürfte bewusst sein, dass das konservative Kernklientel der Republikaner anderen Themen, vorsichtig formuliert, größere Bedeutung beimisst.
Man denke an die 80 Prozent evangelikaler Trump-Wähler von 2016, für die „LGBT“ überwiegend einen Kampfbegriff linker Lobbyisten darstellt. Nicht abzustreiten ist hingegen das persönliche Interesse des Botschafters Grenell an einem prominenteren Einsatz für LGBT-Anliegen. Denn der 52-Jährige ist selbst homosexuell und geht medial durchaus offen mit seiner gleichgeschlechtlichen Partnerschaft um.
Kein schlüssiges Gesamtbild einer weltanschaulichen Grundüberzeugung
Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: Was Donald Trump persönlich zum Thema „LGBT“ denkt, ist offen. Wie auch bei anderen, häufig polarisierenden Themen wie dem Lebensschutz, dem Einsatz für Religionsfreiheit oder seiner persönlichen Religiosität ergibt sich kein schlüssiges Gesamtbild einer weltanschaulichen Grundüberzeugung. Der plötzliche Sinneswandel vom „Pro-Choice“- zum „Pro-Life“-Anhänger, Auftritte mit Bibel oder auch aufwendige Gipfel zur Stärkung der weltweiten Religionsfreiheit: All das passt ins Bild eines Regierungschefs, der seine Politik nach den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe ausrichtet, ohne dabei von tiefer greifenden Überzeugungen getrieben zu sein.