Haben wir uns schon daran gewöhnt? Halle, Hanau und jetzt Hamburg: Alle diese Orte stehen für Anschläge von radikalisierten Einzeltätern, die eines verbindet: der Hass auf unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung. Die öffentlichen Reaktionen, die tiefe Betroffenheit, die Trauer der Bevölkerung haben bewiesen: Nein, die Menschen sind noch nicht abgestumpft. Sie begreifen, dass diese Attacken nicht nur gegen die Opfer gerichtet waren, sondern gegen uns alle. Es sind Anschläge auf unseren Lebensstil. Sie zerstören das bis vor einigen Jahren scheinbar selbstverständliche Sicherheits- und Freiheitsgefühl, das konstitutiv für unsere Gesellschaftsordnung ist.
Ein "neuer Terrorismus"
Angst und Schrecken zu verbreiten – das war schon immer das Ziel von Terroristen. Insofern scheint es angemessen, mit Blick auf dieses noch relativ junge Phänomen des radikalisierten Einzeltäters, der nicht einer bestimmten Gruppe angehört, sondern sich vor allem über das Internet selbst ideologisiert, von einem „neuen Terrorismus“ zu sprechen. Gegen ihn muss, wie gegen den „alten“, der ja weiterhin besteht, der Rechtsstaat mit aller Härte vorgehen. Deswegen ist es richtig, dass nun über eine Änderung der Waffengesetze diskutiert wird.
Doch damit ist es nicht getan. Das zeigt ein anderer Fall, auch hier der unvermittelte Einbruch von Gewalt in den Alltag, auch hier ein gesamtgesellschaftlicher Schock: Der Mord an der 12-jährigen Luise in Freudenberg durch zwei gleichaltrige Mädchen. Zu den Motiven wird noch ermittelt. Natürlich handelt es sich nicht um Terrorismus. Aber auch hier kommt Angst auf: Wie kann es sein, dass Kinder Kinder ermorden?
Die Antwort liegt nicht im Kulturpessimismus. Unsere Erschütterung zieht eine Verpflichtung nach sich: Wer erkennt, wie dünn die Decke unserer Zivilisation ist, muss alles ihm Mögliche dafür tun, sie zu stabilisieren.