Österreich steuert auf eine schwarz-grüne Regierung zu: Nicht nur, weil ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit den ideologisch weit entfernten Grünen in Koalitionsverhandlungen steht. Auch, weil die beiden Alternativen – die sozialdemokratische SPÖ und die nationalkonservative FPÖ – immer tiefer im Chaos versinken. Die steirische Landtagswahl am vergangenen Sonntag bestätigte das bundespolitische Wahlergebnis: Neuerlich lag die ÖVP mit großem Abstand vorne; neuerlich schafften die Grünen satte Zuwächse; neuerlich stürzten SPÖ und FPÖ in der Wählergunst ab. Konnten SPÖ und FPÖ bundesweit vor zwei Jahren noch mit der ÖVP um Platz Eins wetteifern, so befinden sie sich mittlerweile im freien Fall.
Bundesparteichefin vom Wahlkampf in der Steiermark ausgeladen
SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner, von Beruf Ärztin, versucht verzweifelt, die im Sinkflug ererbte SPÖ zu reanimieren. Doch nirgendwo schlägt ihr mehr Verachtung und Kritik entgegen als von der SPÖ-Altherrenriege, die in den Ländern thront. Zur Mitwirkung am Wahlkampf in der Steiermark hat die regionale SPÖ ihre Bundesparteichefin vorsichtshalber öffentlich ausgeladen. Es half nichts: Die steirische SPÖ folgte dem bundesweiten Trend: nach unten. Der Spitzenkandidat zog die Konsequenzen. Der Kärntner SPÖ-Boss, Landeshauptmann Peter Kaiser, ließ seine Parteichefin via Medien wissen, dass es nun „eine radikale Grundbesinnung“ brauche; Medienmanager und SPÖ-Urgestein Gerhard Zeiler veröffentlichte seine Rundumkritik am Zustand der eigenen Partei am Montag in Buchform; die Seitenhiebe der machtbewussten Landesfürsten in Wien und Eisenstadt (beide haben 2020 Wahlen zu schlagen) gegen Rendi-Wagner würden auch Bücher füllen.
Seit die SPÖ-Basis ihren Kanzler Werner Faymann beim Maiaufmarsch 2016 vom Rathausplatz pfiff, fasst die SPÖ nicht mehr Tritt. Fast 15 Millionen Euro Schulden hat die Partei. Ein Viertel ihrer Mitarbeiter wird sie kündigen. Auch wenn die alten Funktionärsgrößen treuherzig versichern, ihre gnadenlosen Analysen seien nicht als Kritik an der Vorsitzenden zu verstehen, kann der Ruf nach einer „Revolution in den eigenen Reihen“ (Kaiser) kaum anders interpretiert werden. Für Kurz ist diese SPÖ abseits ideologischer Differenzen kein möglicher Partner. Sie befindet sich im Selbstfindungsprozess mit offenem Ausgang, in einer Dauerdebatte um Stil, Inhalte und Personen.
Die FPÖ kommt auch nach Straches Rücktritt nicht zur Ruhe
Während in der SPÖ die Funktionäre selbst unaufhörlich mediales Öl ins parteiinterne Feuer gießen, schütten bei der FPÖ die Medien Öl in jede noch so kleine Glut. Dabei wären auch ohne mediales Trommelfeuer die Müllhalden, die FPÖ-Chef Norbert Hofer abzutragen hat, hoch genug: Seit Heinz-Christian Strache unter den Druckwellen des Ibiza-Videos Vizekanzlerschaft und Parteivorsitz auf- und abgab, kommt die FPÖ nicht zur Ruhe. Nach wie vor ist der Ibiza-Skandal nicht restlos aufgeklärt, schon wird – mehr skurril als skandalös – bekannt, dass die Wiener FPÖ Goldreserven in einem Tiroler Dorf bunkerte. Die heuchlerisch überdrehte Empörung über einen politischen Postenschacher bei den „Casinos Austria“ will nicht enden, als habe politischer Postenschacher nicht auch zur DNA rot-schwarzer Regierungen gehört. Dass Strache und seine Frau Philippa, die als „wilde Abgeordnete“ der FPÖ ein Mandat kostet, bei ihren Spesenabrechnungen gegenüber der Partei nicht zimperlich waren, schlägt zusätzlich aufs blaue Gemüt.
Die FPÖ hat also Sorgen genug. Um diese zu mehren, meldete sich Strache just am steirischen Wahlsonntag in seinem Lieblingsmedium Facebook zu Wort: Der im Unfrieden geschiedene Ex-Chef bot an, Wiens FPÖ zu übernehmen und in die Schlacht ums traditionell rot regierte Wiener Rathaus zu führen. Kein Wunder, dass trotz der neuen Flirtversuche von Norbert Hofer diese FPÖ für Sebastian Kurz derzeit kein seriöser Partner ist. Wer weiß, wer dort übermorgen das Sagen hat? Nur für Strache selbst dürfte ein Comeback in der FPÖ jetzt endgültig verbaut sein.
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