Vatikanstadt/Madrid

Spaniens Kirche ist in der Defensive

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez wurde von Papst Franziskus zu einer Audienz empfangen. Es gibt viele Konflikte zwischen der sozialistischen Regierung und der Kirche. Eine Interview mit dem Kirchenhistoriker und Publizisten José Francisco Serrano Oceja über die schwierige Lage der Kirche in Spanien
Pedro Sanchez bei Papst Franziskus
Foto: Imago Images | Spanien Ministerpräsident Pedro Sánchez (4.v.l.) mit Papst Franziskus bei der Audienz am vergangenen Samstag.

Herr Professor, am Samstag besuchte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez Papst Franziskus. Woher rührt das Interesse eines Politikers an so einem Besuch, der sich selbst als Atheist bezeichnet und  gegenüber der Kirche eine nicht gerade freundliche Politik betreibt?

Der Papst nimmt eine weltweit anerkannte Führungsposition ein. Pedro Sánchez und sein Koalitionspartner, die linksradikale Partei „Podemos“, verbreiteten Aussagen von „Fratelli tutti“ über Twitter, weil sie in den Auffassungen des Papstes Bestätigung für ihr Handeln suchen. Andererseits werden zurzeit Verhandlungen zwischen Regierung und Kirche mit Blick auf den  Kirchenbesitz und die Kirchenfinanzierung geführt. Es geht hier etwa über die Eintragung der Kirchenbesitztümer in das Eigentumsregister. Es handelt sich zwar um ein formelles Verfahren, denn niemand zweifelt daran, dass etwa die Madrider Kathedrale der Kirche gehört. Das Thema wurde jedoch in der Politik und den Medien für eine Kampagne genutzt, nach dem Motto, die Kirche sei die größte Eigentümerin von Immobilien in Spanien.

"Das Thema wurde in der Politik und den Medien
für eine Kampagne genutzt, nach dem Motto,
die Kirche sei die größte Eigentümerin von Immobilien in Spanien"

Ein Streitpunkt ist auch das sogenannte „Tal der Gefallenen“. Stimmt es, dass die Benediktinerabtei dort aufgelöst und das Denkmal umgewidmet werden sollen?

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Die Obsession der Regierung gegenüber dem „Tal der Gefallenen“ hängt mit einem Trend zusammen, nach dem unter die Phase des sogenannten „Übergangs“ Spaniens zur Demokratie vor gut 40 Jahren ein Schlussstrich gesetzt werden soll. Der „Übergang“ beruhte auf der Bereitschaft zur Versöhnung und dem Miteinander aller Spanier, was Papst Johannes XXIII. im Dekret zur Erhebung als „Basilica maior“ unterstrich. Die Benediktinerabtei wurde damals errichtet, damit dort für die Versöhnung aller Spanier gebetet wird. Kürzlich erklärte aber nun der Sekretär einer entsprechenden Kommission in der Zapatero-Regierung (2004–2011), damals sei die Benediktinerabtei nicht in Frage gestellt worden. Dass diese Frage jetzt aber doch diskutiert werde, sei eine „Strafe“ der Regierung, weil die Benediktiner gegen die Umbettung Francisco Francos Widerstand geleistet hätten. Ihre Stelle könnte daher nun die Gemeinschaft Sant'Egidio übernehmen, die dem  Ort einen ökumenischen Charakter verleihen würde. Ebenfalls ist die Rede davon, dass die Regierung das Tal in eine Art „Themenpark“ für die historisch-demokratische Aufarbeitung („demokratisches Gedächtnis“) umwidmen möchte.

Worauf zielt das neue Gesetz für „das demokratische Gedächtnis“?

Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des sogenannten Gesetzes für „das historische Gedächtnis“ aus der Zeit der Zapatero-Regierung. Dadurch soll dem politischen „Übergang“ die Grundlage entzogen werden: die Bereitschaft zur Versöhnung – zu der hat die Kirche einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Ein anderer Streitpunkt: die sogenannte staatlich anerkannte Ersatzschule.

"Bildungsministerin Isabel Celaá will eine einheitliche,
staatliche und säkulare Schule. Ihr Gesetzentwurf verstößt
jedoch gegen Artikel 27 der spanischen Verfassung"

Bildungsministerin Isabel Celaá will eine einheitliche, staatliche und säkulare Schule. Ihr Gesetzentwurf verstößt jedoch gegen Artikel 27 der spanischen Verfassung. Denn dieser räumt den Eltern das Recht ein, für ihre Kinder das Bildungsmodell zu wählen, das sie für richtig halten. Weil das Prinzip auf der Nachfrage der Eltern beruht, benutzt die Regierung die wegen der demografischen Entwicklung sinkende Nachfrage als Vorwand gegen dieses Schulmodell.

Die spanische Regierung setzt sich ebenfalls für ein Euthanasie-Gesetz ein, das zum „fortschrittlichsten“ in Europa werden soll ...

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Die Gesetzesvorlage der Regierung sieht die aktive Sterbehilfe zu Hause sowie die Tötung auf Verlangen vor, was über die Gesetzgebung in Belgien und in den Niederlanden hinausgeht. Die Euthanasie entspricht einer „anthropologischen Auflösung“. Dazu passt die Absicht, das Abtreibungsgesetz zu ändern: Minderjährige dürften dann auch ohne Zustimmung ihrer Eltern eine Abtreibung vornehmen lassen. Die „anthropologische Auflösung“ soll Spanien zur Vorhut eines vermeintlichen ethischen Fortschritts machen.

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls das Vordringen der Gender-Ideologie anzumerken, etwa mit der Zulassung einer Geschlechtsumwandlung bei Minderjährigen und der Einführung der LGBT- Ideologie in den Schulcurricula.

Wie präsent ist die Kirche in der spanischen Öffentlichkeit?

"Die Kirche hat viel von ihrer Präsenz in der Öffentlichkeit
eingebüßt, was zu einem Unbehagen unter den Gläubigen führt"

Die Kirche hat viel von ihrer Präsenz in der Öffentlichkeit eingebüßt, was zu einem Unbehagen unter den Gläubigen führt. Der neu ernannte Sekretär der Bischofskonferenz, Bischof Luis Argüello, versucht, diesem Trend entgegenzuwirken, aber die Kirche steht bei den Medien einer Schweigespirale gegenüber. Dies hängt wohl damit zusammen, dass die klare Position der Kirche gegenüber der früheren sozialistischen Zapatero-Regierung als politische Einmischung gedeutet worden ist. Dies stimmt aber nicht: Die Kirche meldete sich damals nicht zu politischen Fragen zu Wort, sondern aus ihrer missionarischen Verantwortung heraus, um gegen die „anthropologische Auflösung“ Widerstand zu leisten.

José Francisco Serrano Oceja lehrt als Professor Kirchengeschichte und ist  Kolumnist u.a. für die Zeitung „ABC“

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