Taiwan wird immer stärker von der Volksrepublik China bedroht. Nahezu täglich schickt Peking Kampfflugzeuge durch die taiwanische Idenitfikationszone für die Luftverteidigung (ADIZ). Seit Jahren sind hunderte Mittelstreckenraketen auf dem chinesischen Festland gegenüber dem nur 200 Kilometer entfernten Taiwan stationiert. Die gigantische Rüstung Chinas auch zur See hat einen Wettlauf beim U-Boot-Bau im Pazifik ausgelöst. Die Zerschlagung der letzten Freiheiten Hongkongs durch Peking wirkt dabei wie ein Menetekel. Hongkong ist nur einen Katzensprung von Taiwan entfernt. Die Stadt Kenting auf der Südspitze Taiwans liegt geografisch auf der Höhe Hongkongs. International wird diskutiert, ob die USA im Falle eines chinesischen Angriffs zur Hilfe kämen – und ob sie das noch wirksam könnten.
Denn China hat große Fortschritte gemacht bei seinem Bestreben, die US-Streitkräfte im Westpazifik auf Abstand zu halten. Längst werden militärische Szenarien durchgespielt, darunter eine Blockade Taiwans durch China. Und auch, welche Folgen für die Weltwirtschaft dies haben könnte. Denn Taiwan verfügt insbesondere über eine für Computer äußerst wichtige Halbleiterindustrie. Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping heizt fortwährend den Nationalismus an. Es wird befürchtet, dass er bei schwächelnder chinesischer Wirtschaft mit einer Attacke auf Taiwan davon abzulenken versuchen könnte. Die freiheitliche Demokratie Taiwans ist den kommunistischen Ideologen als solche bereits ein Dorn im Auge. Fortwährend wird die Inselrepublik politisch isoliert. Auf Druck Chinas wird sie auch bei Unterorganisationen der UNO wie etwa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgegrenzt.
Litauen, Tschechien und die Slowakei trotzen Peking
In dieser Lage ist inzwischen aber auch international Solidarität mit Taiwan gewachsen. Sogar kleine Länder der Europäischen Union (EU) wie Litauen, Tschechien oder die Slowakei trotzen chinesischem Druck. Gerade hat der tschechische Senatspräsident Miloš Vystrièil den taiwanischen Außenminister Jausieh Joseph Wu in Prag empfangen und mit einer Auszeichnung geehrt. Die Taiwaner waren mit einer hochrangigen Delegation an die Moldau gereist. Die China-Botschaft protestierte und drohte mit Reaktionen. Auch mit dem Prager Oberbürgermeister Zdenìk Høib traf Wu zusammen. Zuvor hatte der weltgewandte und in den USA promovierte taiwanische Diplomat auch der Slowakei einen Besuch abgestattet. In der vergangenen Woche sprach Außenminister Wu aber auch in Brüssel mit Europaabgeordneten und belgischen Politikern. Das Europäische Parlament hat bereits einen umfangreichen Text über die politischen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen der EU und Taiwan beschlossen.
Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, Nicola Beer (FDP), erklärte gegenüber dieser Zeitung: „Ich begrüße die Europareise von Außenminister Wu und seinen Besuch in Brüssel ausdrücklich. Taiwan als wichtiger Partner der EU braucht europäischen Rückenwind in seiner demokratischen, friedlichen Existenz mit Achtung der Menschenrechte und freien Meinungsäußerung – es darf hier kein zweites Hongkong geben.“ Die EU müsse ihren „politischen Willen für engere Beziehungen mit Taipeh nun konkret ausbuchstabieren, auch mit Blick auf ein immer aggressiver auftretendes China“, erklärte Nicola Beer. Ein richtiger Schritt zu einer „qualitativ aufgewerteten Beziehung zwischen EU und Taiwan“ sei etwa das angestrebte bilaterale Investitionsabkommen (BIA). Frau Beer plant auch als Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes eine Reise nach Taiwan.
Deutschland ignoriert Taiwan
Der Repräsentant (de facto-Botschafter) Taiwans in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Alles deutet darauf hin, dass die EU immer mehr geeint auf die militärisch flankierte Attitüde Chinas gegenüber Taiwan – und nicht nur gegenüber Taiwan – reagiert.“ Shieh verweist auch auf das Vorgehen Chinas im südchinesischen Meer und Indopazifik bis hin zu den Pressionen gegenüber Australien. Die „bitteren Erfahrungen“ mit der Politik Chinas mindestens in den beiden letzten Jahrzehnten hätten in Europa zu einer Überprüfung der bisherigen Politik geführt, so Shieh. Er verweist dabei auch auf chinesische Sanktionen gegen europäische Politiker und Think Tanks. „Wenn man in Europa Taiwan aufwertet“, fügt Shieh hinzu, „kommt das der Freiheit auf der ganzen Welt zugute. Denn damit sendet man ein Signal nach Peking. Man kann nicht immer nur reden von gemeinsamen Werten, es müssen auch Taten folgen.“ Die Litauer, Tschechen und Polen hätten gezeigt, wie man den Wert der Freiheit auch unter Druck hochhalten könne.
Vom deutschen Auswärtigen Amt freilich wird schon das Wort Taiwan kaum je in den Mund genommen. Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen weder zu ihrer Wiederwahl im Januar 2020 gratuliert – wie es unter anderen sein amerikanischer und britischer Amtskollege taten – noch zu ihrer Amtseinführung im Mai 2020. Der letzte Bundesminister, der Taiwan besuchte, war Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) im Jahr 1997.
Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch ist seit 2010 Vorsitzender des parlamentarischen „Freundeskreises Berlin-Taipei“. Wie er gegenüber der „Tagespost“ erklärt, gebe es zwar keine formellen Einreiseverbote gegenüber taiwanischen Spitzenpolitikern. Alle taiwanischen Bürger genössen ausnahmslos Visafreiheit. „Es gibt aber“, erläutert er, „diplomatische Gepflogenheiten. Die Einreise eines Spitzenpolitikers wird angemeldet. Das ist ganz normal. Leider hat unsere Bundesregierung dann immer deutlich gemacht, dass eine Einreise nicht erwünscht ist. Daraus ergibt sich de facto ein Verbot.“
Kritik an China-Politik der Bundesregierung
Er, Willsch, habe dazu auch vor ein paar Jahren die Bundesregierung in der Fragestunde des Bundestages befragt: „Ich wollte wissen, wer genau und warum nicht einreisen darf. Die Antwort war, dass es kein Einreiseverbot gebe. Es gibt eine Absprache unter den Mitgliedstaaten der EU, an die sich die einzelnen Regierungen mehr oder weniger gebunden fühlen. Gerade Tschechien geht sehr weit, was ich persönlich sehr begrüße“, erläutert er.
Die Ein-China-Politik, fügt Willsch hinzu, „wird uns nicht von der Volksrepublik auferlegt.“ Vielmehr sei es „unsere“ Ein-China-Politik, betont er, und „diese sollten wir interpretieren, wie wir es möchten“. Vor diesem Hintergrund freue er sich über die Europareise von Außenminister Wu. Dieser habe mit ostmitteleuropäischen Mitgliedstaaten der EU einige Memoranden abgeschlossen.
Positive Signale
„Vom Europäischen Parlament gab es dieser Tage diverse positive Signale in Richtung Taiwan. Ich hoffe sehr, dass Wus Reise nach Brüssel auch bei der Bundesregierung zu einem Umdenken führt“, erklärt Willsch. Beim neuen Bundestagspräsidium werde er „erneut einen Vorstoß unternehmen, dass unsere Parlamentariergruppe mit Taiwan zukünftig auch offiziell ,Deutsch-Taiwanische Parlamentariergruppe? heißt und nicht länger geradezu verschämt ,Freundeskreis Berlin-Taipei?“. Als frei gewähltes Parlament sei man das „unseren ebenfalls frei gewählten Kollegen in Taiwan schuldig“ und man dürfe nicht „wegen erwartbarer Grobheiten aus Peking“ zurückweichen. „Der Westen wird und muss sich daran messen lassen, ob er das freie Taiwan gegenüber einer kommunistischen Diktatur preisgibt – oder eben nicht.“
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