Sie sitzen am Hebel: Die Drusen

Die Drusen spielen eine neue Rolle im Nahen Osten –. Eine Analyse Von Bodo Bost
Proteste gegen US-Beschluss zu Golanhöhen
Foto: dpa | Mobilisierungsstark: Drusen demonstrieren auf dem von Israel annektierten Golan für ihre Rechte.

Schon seit dem September 2018 ist es militärisch auf dem syrischen Teil des Golan ruhig geworden, als die letzten Rebellenstellungen und der IS das Plateau nach mehreren Jahren verlassen mussten und syrische Assad-Soldaten und die Hisbollah an ihre Stellen getreten waren. Israel, das dieser Ruhe nicht traut, konnte dank seiner Aufklärung und dank Informationen, die es aus der lokalen arabischen Bevölkerung erhält, denen Israel vier Jahre lang in großem Umfang medizinisch geholfen hatte, erfahren, dass vor allem die Hisbollah und vielleicht sogar auch iranische Revolutionswächter direkt hinter der israelischen Grenze geheime Stellungen aufgebaut haben. Die könnten sehr schnell militärisch ausgeweitet werden, wie sie es in den 80er Jahren auch im Südlibanon getan haben.

Sogar der syrische Präsident Baschar al Assad soll über diese Neuaufstellung seiner Verbündeten im Süden seines Landes nicht informiert worden sein. Israel fürchtet nun vor allem, dass die Hisbollah auf dem Golan ein zweites Südlibanon installiert. Allerdings ohne Angst haben zu müssen, dass Israel im Falle eines Angriffes auf syrisches Gebiet vordringen wird, wie es der jüdische Staat im schwachen Libanon schon mehrmals getan hat.

Hisbollah baut auf Unterstützung der Drusen

Die Hisbollah baut mittlerweile ihre Machtbasis auf dem Golan mit Hilfe der Drusen stark aus. Die Drusen fühlten sich während des syrischen Bürgerkrieges, als sie Opfer des IS wurden, von Assad im Stich gelassen und verraten. Mit der Hisbollah, mit der sie im Libanon gute Erfahrungen gemacht haben, wollen sie jetzt ihr Herrschaftsgebiet in Syrien, den Dschebel Druz und das nordwestliche Golanvorland, mit eigenen Kräften gegen Israel und Assad gleichermaßen sichern. Auch auf dem von Israel annektierten Golan waren die Drusen die einzige arabische Bevölkerungsgruppe, die nach der Niederlage der syrischen Truppen 1967 nicht ins Innere Syriens geflüchtet war. Sie stellen heute auf dem israelischen Golan fast die Hälfte der Bevölkerung. Die syrischen und libanesischen Drusen hatten sich bislang gegenüber Israel neutral verhalten, weil es auch dort eine starke drusische Gemeinschaft gibt, die den jüdischen Staat unterstützt. Nach dem neuerlichen Annäherungsversuch der Hisbollah könnte es jedoch mit dieser Neutralität, die sich für die Drusen nicht wirklich ausgezahlt hat, vorbei sein.

Risse unter Assads Verbündeten

Um diese zweite Front an seiner Nordgrenze zu verhindern, hat Israel neben präventiven Raketenangriffen auf iranische und Hisbollah-Waffenlager in Syrien in der Vergangenheit vor allem auf Russland gesetzt, den stärksten Verbündeten des Assad-Regimes. Zwölf Mmal haben sich Benjamin Netanjahu und Wladimir Putin in den letzten Jahren getroffen. Fast immer ging es dabei um Syrien und den Golan. Konkrete Abmachungen bezüglich einer Hisbollah-freien und iranfreien Zone auf dem Golan sollen dabei vereinbart worden sein, an die sich jedoch diese beiden Konfliktteilnehmer nie gehalten haben. Putin soll etwa bei manchen israelischen Luftangriffen in Syrien die Raketen seiner syrischen Verbündeten am Boden gehalten haben. Ein anderer Akzent: Vor kurzem übergaben die Russen den Israelis den Leichnam eines seit 1982 im Libanon vermissten israelischen Soldaten als Zeichen des guten Willens – ohne Wissen der Hisbollah und der Iraner. Um diese noch mehr zu ärgern hat Moskau sogar bestätigt, dass die syrische Armee bei der Suche und Übergabe des israelischen Soldaten beteiligt gewesen sei, was Assad dann allerdings schleunigst dementieren ließ. Allein dieses Beispiel beweist schon die wachsende Nervosität unter den Verbündeten Assads, deren Zweckbündnis nicht durch innere Übereinstimmung, sondern nur durch äußere Faktoren zusammengehalten wird. Diese Entwicklung war auch der Grund dafür, dass die amerikanische Anerkennung der israelischen Souveränität über den Golan durch US-Präsident Trump in Syrien wider Erwarten kaum auf Kritik gestoßen ist. Der Hauptgrund für diese Anerkennung waren sicherheitspolitische Erwägungen mit Blick auf die stetig wachsende Präsenz der Hisbollah und des Irans auf dem Golan. Dabei war dieser Schritt eigentlich ein unerwartetes Geschenk in Richtung Hisbollah.

Der Blitzbesuch Netanjahus in Moskau nach der Anerkennung der israelischen Souveränität durch die USA hat Assad und seine arabischen Verbündeten sehr verärgert. Vor allem die Divergenzen zwischen den Russen und den Iranern in Syrien werden immer offensichtlicher. Nur mit russischer Duldung können die Israelis in Syrien ihre Luft- und Raketenschläge gegen iranische und Hisbollah-Waffenlager durchführen. Allerdings wissen die Russen auch, dass sie die Iraner nicht aus Syrien hinauswerfen können, weil Moskau selbst nur wenige Bodentruppen in Syrien unterhält. Das Bündnis zwischen Assad, dem Iran und der Hisbollah ist religiös-ideologisch bedingt und deshalb viel stärker als die strategische Partnerschaft zwischen Assad und den Russen. Außerdem braucht Assad sowohl die Iraner wie auch die Hisbollah noch: Für die Rückeroberung des letzten Rebellengebietes in der Provinz Idleb.

Drusen haben eine Schlüsselrolle

Analysten sehen in dem sich anbahnenden neuen Bündnis zwischen Hisbollah und den syrischen Drusen eine viel ernstere Gefahr für Israels Grenze auf dem Golan. Die Drusen könnten die Rolle der Hisbollah auch nach deren Abzug weiterspielen, weil sie in der Region fest verwurzelt sind. Die Drusen haben bereits mehrmals im Nahen Osten Zeitenwenden eingeleitet, 1860, als sie mit dem Christenmassaker im Libanon und in Damaskus die Christen als Haupt-Konkurrenten in der Region verdrängten und 1975, als sie mit ihrer Intervention im libanesischen Bürgerkrieg auf Seiten der Palästinenser die Siegesserie der Christen beendeten.

Nach Angaben der Israelis ist Ali Moussa Abbas Dakdouk, alias „Abu Hussein Sajed“, für die Operation der Hisbollah auf dem Golan verantwortlich. Dakdouk zeichnete sich durch seine Missionen im Irak aus, wo er mit Hilfe der Mullahs in Teheran schiitische Milizen für den Kampf gegen den IS ausbildete.

Indem die Hisbollah den Golan zu einem neuen Territorium des Widerstands gegen Israel macht, gefährdet sie den Status quo zwischen dem Assad-Regime und dem hebräischen Staat, wo seit Jahrzehnten keine direkte Konfrontation zwischen beiden Seiten stattgefunden hat. Russland will eindeutig nicht, dass der syrische Süden zu einer iranisch-israelischen Front wird, weil dies seine Pläne zur Stabilisierung und Rehabilitierung des Assad-Regimes gefährdet. Die Hisbollah könnte versucht sein, in naher Zukunft Operationen vom südlichen Golan aus durchzuführen, nicht nur, um auf israelische Angriffe in Syrien zu reagieren, sondern auch, um die Ablehnung der amerikanischen Entscheidung zur Anerkennung der israelischen Souveränität auf dem besetzten Plateau zu demonstrieren.

Die Drusen bilden, obwohl ihr Glauben viele Elemente aus dem Islam übernommen hat, eine eigene Religionsgemeinschaft. So glauben sie etwa an Reinkarnation. Sie lehnen Missionierung und Konversion ab; Druse ist nur, wer drusische Eltern hat. Sie leben heute in Syrien, im Libanon und in Israel.

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