Technologieoffenheit“ und „Sozialverträglichkeit“ - das sind die Schlüsselbegriffe der Stunde. Und sie werden auch schon von den Ampel-Partnern der Grünen im Munde geführt, wenn sie erklären sollen, wie denn nach dem Willen der Bundesregierung künftig die Heizfrage beantwortet werden wird. Dahinter steht die Einsicht - der massive Protest aus allen Gruppen der Bevölkerung hat gewiss dazu beigetragen -, dass es eine positive öffentliche Grundstimmung nur dann für ein Gebäudeenergiegesetz geben wird, wenn eben genau das sichergestellt ist: Keine Fokussierung auf bloß ein Modell - Stichwort Wärmepunmpe - und gleichzeitig die Versicherung, dass die Umstellungsprozesse keine sozialen Verwerfungen nach sich ziehen werden.
Zeitplan gekippt
Hier hatte der bisherige Entwurf des Gebäudenergiegesetzes mit seinen verwirrenden Ausnahmeregelungen verbunden mit einer miserabelen Kommunikationsstrategie, die dann auch noch von der Graichen-Affäre überlagert wurde, statt für Klärung nur für Verwirrung gesorgt. Und so war es weniger ein Todesstoß, sondern eher nur noch ein Todesstößchen als die FDP Anfang der Woche verkündete, die ursprüngliche erste Lesung in dieser Woche im Bundestag sei angesichts dieser Probleme nicht praktikabel.
Doch Robert Habeck will ganz offensichtlich noch nicht akzeptieren, dass seine beiden Ampel-Partner die Weichen bei der Kommunikation mit dem Bürger anders stellen wollen. Statt von „Technologieoffenheit“ und „Sozialverträglichkeit“ spricht der Bundeswirtschaftsminister denn auch lieber von „Wortbruch“. Und gemeint ist damit natürlich die FDP. Die Liberalen kippten ohne Absprache den ursprünglichen Zeitplan. Den Bundeskanzler sieht Habeck vorerst noch auf seiner Seite. Ob Olaf Scholz aber nicht insgeheim ganz froh ist, dass die FDP nach vorne geprescht ist und ihm in gewisser Weise die Drecksarbeit abgenommen hat, wir wissen es nicht. Dass der Kanzler aber ein ganz gutes Gespür dafür hat, was man der Bevölkerung zumuten kann, zeigte er, als er vor wenigen Tagen die Klebe-Aktionen der „Letzten Generation“ als „bekloppt“ bezeichnet hat.
Heizhammer
Gerade der Punkt der „Sozialverträglichkeit“ muss Scholz umtreiben. Ist sie doch Kern seines Wahlversprechens. Sie ist quasi so etwas wie der konkrete Beweis dafür, dass er es mit seiner „Respekt“-Kampagne, mit der er um seine Kanzlerschaft gekämpft hat, wirklich ernst meint. Konflikte zwischen Sozialdemokraten und Liberalen sind also eher nicht zu erwarten. Auf Habeck hingegen wartet schon das nächste Problem. Die „Bild-Zeitung“ hat ihm auch schon einen Namen gegeben: „der Heiz-Hammer“. Die Boulevardzeitung berichtete von Plänen, nach denen Habecks Wirtschaftsministerium zusammen mit dem Wohnungsbauministerium von Klara Geywitz in einem Gesetz festlegen will, dass die Bundesländer künftig „gebäudescharf“ den jeweiligen Energieverbrauch der letzten drei Jahre in Kilowattstunden pro Jahr ermitteln sollen.
Der öffentliche Aufruhr war sogleich groß. Es fielen Vergleiche mit der DDR. „Jetzt will er die Energie-Stasi einsetzen, um wie in einem Schnüffel-Staat den Menschen in den Heizungskeller zu gucken“, schimpfte der Thüringer CDU-Vorsitzende Mario Voigt via Bild. Robert Habeck, noch vor Jahresfrist der Traumkanzler vieler Deutscher, scheint kommunikativ nicht wieder Tritt zu fassen. Er, der vor allem wegen seiner Rhetorik, in der er sich vom Durchschnittspolitiker abhob und sich als „Philosophenkönig“ in Szene setzte, scheint nun genau an diesem Effekt zu scheitern: Er wirkt abgehoben, zu wenig konkret, im Ideologie-Himmel zuhause, nicht auf dem Boden der Wirklichkeit. Und so ist der Bundeswirtschaftsminister zum Symptom für eine neue grüne Sprachlosigkeit geworden.
Außenminister- Effekt
Habeck hatte sich, so wie vor ihm in der Parteigeschichte nur Joschka Fischer, zum charismatischen Anführer der Grünen entwickelt. Dahinter stand eine Art Deal: Die basisdemokartischen Grünen, denen eigentlich vor nichts so sehr graut wie vor einer dominanten Führungspersönlichkeit, ignorieren diese Bedenken, wenn Habeck im Gegenzug das leistet, was er dank Habitus und Charisma verspricht: Brücken zu bauen in die bürgerliche Welt der gesellschaftlichen Mitte. Bisher ging dieser Ansatz auf. Doch jetzt bröckeln die Brücken gewaltig. Und so bleibt die Frage: Wie sicher sitzt Habeck noch? Schlägt jetzt die linke Basis zurück und versetzt dem für grüne Verhältnisse pragmatischen Minister ein paar Kniffe?
Und dann gibt es ja auch noch Annalena Baerbock. Sie profitiert von dem Außenminister-Effekt, zumal der in Kriegs- und Krisenzeiten doppelt so wirkmächtig ist. Sie scheint von der Kärnerarbeit des Alltags enthoben. Kann am Bündnis gegen Russland schmieden. Und steht als weibliche Führungspersönlichkeit bei der Grünen sowieso unter einem besonderem Schutzschirm. Sie kann also Habeck in gewisser Weise als das grüne Gesicht in der Öffentlichkeit beerben. Aber eben auch nicht ganz. Energie- und Klimaprobleme, obwohl das entscheidende Themenfeld ihrer Partei, gehören nun einmal nicht zu ihrem Beritt. Sie kann zwar die Rolle der Weltstaatsfrau geben, aber wirkliche Ambitionen, sich in das Klein-Klein der anstehenden Koalitionsrunden zur Gebäudeenergie einzubringen, hat sie wahrscheinlich weniger.
Administrator
Und so ist für Robert Habeck noch nicht alles vorbei. Es gibt nicht wirklich eine Alternative für ihn bei den Grünen. Vorerst hat er schon einmal seine Mannschaft ausgetauscht. Der Nachfolger von Patrick Graichen heißt Philipp Nimmermann. Der 57-Jährige kommt - für die Grünen ungewöhnlich - aus dem Bankwesen. Habeck hat er in Schleswig-Holstein kennengelernt, wo er Staatssekretär im Finanzministerium war. Er gilt als administrativer Fachmann und Pragmatiker. Eine Expertise, die Robert Habeck jetzt und in Zukunft gebrauchen kann.
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