Berlin

Potemkinsche Dörfer

Darum machen die Liberalen Tempo bei der Legalisierung von Leihmutterschaft von Eizellspende – Eine Analyse.
Bundestag - Katrin Helling-Plahr
Foto: Carsten Koall (dpa-Zentralbild) | Katrin Helling-Plahr, rechtpolitische Sprecherin der FDP, lobt die Leihmutterschaft in rosa Tönen.

Geht es nach den Liberalen, dann ist es um die Freiheit in Deutschland schlecht bestellt. Und das nicht erst seit gestern. Bereits 2007 benannten sie die 1958 gegründete „Friedrich Naumann-Stiftung“ kurzerhand in „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ um. Schlitzohrig wie die Liberalen aber nun einmal sind, hielten sie an der überkommenen Finanzierung fest. Und deshalb finanziert sich die Arbeit der „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ nicht etwa aus den freiwilligen Zuwendungen und Spenden großzügiger FDP-Parteigänger, sondern wird – wie auch bei den anderen parteinahen Stiftungen üblich – weiterhin zu weit über 90 Prozent mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik alimentiert.

Neue Form der Leibeigenschaft in zartesten Rosatönen

In der wiederum sind Leihmutterschaft und Eizellspende durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Was die „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ allerdings nicht hinderte, vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion massiv für deren Legalisierung zu werben. Unter der Überschrift „Leihmutterschaft in Deutschland – Gebot der Freiheit oder Geldmacherei mit dem Kinderwunsch?“ lud die Stiftung in die Reinhardstraßenhöfe nach Berlin. Moderiert von Marion Böcker tauchten dabei die rechtpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr und das Vorstandsmitglied des „Vereins zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland“, Jens Landwehr, die Leihmutterschaft, in welcher Kritiker nicht ohne Grund eine neue Form der Leibeigenschaft erblicken, in zartestes Rosa.

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Man mag das befremdlich finden. Verstehen lässt es sich schon. Denn Reproduktionsmediziner, die angefangen bei der Kryokonservierung menschlicher Embryonen im Vorkernstadium, über die künstliche Befruchtung bis zur Präimplantationsdiagnostik und dem Fetozid, Handlungen vornehmen, die von der katholischen Kirche allesamt als moralisch inakzeptabel klassifiziert werden und daher von Katholiken abzulehnen sind, zählen zur Klientel der Liberalen. Und die erleben nun einmal nahezu täglich, wie ihre Kollegen in anderen Ländern Geschäfte mit dem Kinderwunsch von Paaren machen, die ihnen selbst bislang verwehrt bleiben.

Leid der ungewollt Kinderlosen ausgeschlachtet

Darüber wurde in den Reinhardstraßenhöfen selbstverständlich vornehm geschwiegen. Stattdessen wurde das Leid der ungewollt Kinderlosen rücksichtslos zu eigenen Zwecken ausgeschlachtet. Rund 25 Prozent der „Frauen und Männer zwischen 20 und 50 Jahren“ in Deutschland seien heute „ungewollt kinderlos“. Einem Teil dieser Menschen könne mit einer Legalisierung von Leihmutterschaft geholfen werden“, warb die Bundestagsabgeordnete Helling-Plahr gleich zu Beginn. Studien belegten inzwischen „klar“, dass „das Wohl von Kindern nicht von der Konstellation des Zusammenlebens der Eltern abhängt und auch nicht von der Art, auf die sie gezeugt worden sind“.

Helling-Plahr, die seit 2017 dem Deutschen Bundestag angehört, hatte 2019 ein Positionspapier zur Leihmutterschaft vorgelegt, das sich die FDP-Fraktion mittlerweile zu eigen gemacht hat. Bei den Verhandlungen mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen konnten die Liberalen die Prüfung einer Legalisierung von Leihmutterschaft und Eizellspende erfolgreich in den Koalitionsvertrag verhandeln. Dieselbe Kommission, die demnächst begutachten soll, ob vorgeburtliche Kindstötungen künftig rechtlich außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden können, soll auch die Aufhebung des im Embryonenschutzgesetz festgeschriebenen Verbots von Leihmutterschaft und Eizellspende prüfen.

Leihmutterschaft soll auch in Deutschland möglich sein

Insofern bot die Podiumsdiskussion, zu der die „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ immerhin auch die Landesvorsitzende der „Christdemokraten für das Leben“ in Hessen, Cornelia Kaminski, eingeladen hatte, jede Menge Anschauungsunterricht hinsichtlich der Strategie und Argumente, mit denen die FDP, die Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland durchzusetzen gedenkt. ,Und die ist, wie es schien, bereits weit gediehen. Bei ihr hätten sich, so Helling-Plahr, „wiederholt junge Frauen“ gemeldet, „die nach Gebärmutterhalskrebs keine Kinder selbst mehr austragen konnten, wohl aber ihre Eizellen kryokonservieren hatten lassen, und auch im näheren Umfeld – teilweise war es die Schwester oder die beste Freundin, jemanden hatten – der bereit war, das Kind auszutragen“.

Weil das jedoch in Deutschland bislang nicht möglich sei, müssten die Frauen, „wenn sie eine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen möchten“, ins Ausland gehen. Das müsse sich ändern, forderte die FDP-Politikerin. „Wir drängen Paare ins Ausland, wo Leihmütter häufig auf medizinisch schlechteren Bedingungen treffen, als es in Deutschland der Fall ist und wo es sicherlich auch Länder gibt, wo Leihmütter dies tun, weil sie sich in einer finanziellen Notlage befinden. Und ich finde auch, dass die Verwirklichung des Kinderwunsches nicht vom Geldbeutel abhängig sein darf.“

Taktische Argumentation wird offenbar

Fakt ist: In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 4 600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Rund 1 600 von ihnen sterben daran. Die überwiegende Zahl der Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs erkranken, sind jedoch 40 Jahre und älter. Nur ganz selten einmal sind die Erkrankten jünger. Diese müssten nicht nur einen unerfüllten Kinderwunsch besitzen und bereit sein, ihre Eizellen vor Beginn der Therapie einfrieren zu lassen, wodurch diese nach hinten rückte. Nein, sie müssten auch noch eine Schwester oder „beste Freundin“ haben. Die wiederum müsste dann auch noch bereit sein, ein im Labor erzeugtes Kind neun Monate für sie auszutragen und es ihr anschließend auch auszuhändigen.

Wer rechnen kann, merkt schnell: Nähme man die Worte der rechtspolitischen Sprecherin der FDP für bare Münze, wären die Liberalen bereit, das Verbot der Leihmutterschaft und Eizellspende zu Gunsten eines Personenkreises aufzuheben, der de facto von jeder Frauenfußballmannschaft zahlenmäßig überboten würde. Natürlich sind auch Politiker nicht davor gefeit, auf wahnwitzige Ideen zu verfallen. Aber dass eine ganze Fraktion zwei gut begründete Verbote aufzuheben gedenkt, um einer Handvoll, vom Schicksal schwer geschlagenen Frauen die Erfüllung ihres Kinderwunsches zu ermöglichen, ist nicht sonderlich wahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie benutzt werden sollen, um die Leihmutterschaft erst einmal zu legalisieren. Ist das vollbracht, werden die Gerichte mit Klagen von Paaren überzogen, die sich durch die gefundenen rechtlichen Regelungen diskriminiert sehen.

Es geht auch um homosexuelle Paare

Vor allem von Männern, die gar nicht an Gebärmutterhalskrebs erkranken können, für die aber die Leihmutterschaft der einzige Weg zu einem irgendwie gemeinsamen Kind darstellt. Und in der Tat: Mit welchem Argument sollte ein Gericht einem homosexuellen Mann, dessen Schwester bereit wäre, ein Kind auszutragen, das mit dem Sperma seines Partners im Labor erzeugt wurde, dies verwehrt werden? Mit: Er habe schließlich keinen Gebärmutterhalskrebs?

Wohl kaum. Nicht ohne Grund saß denn auch mit Jens Landwehr „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ ein Mann auf dem Podium, der mit seinem Partner mittels Eizellspende und einem Leihmutterarrangement in den USA zu einer Tochter gekommen ist. Wir lernen: Nicht um an Gebärmutterhalskrebs erkrankte junge Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, sondern um homosexuelle Paare geht es also. Läuft es nach der FDP, wird es für sie künftig einfacher, zu einem Kind zu kommen.

Freiheit der Frauen bleibt auf der Strecke

Dumm sind die Liberalen jedenfalls nicht. Bislang macht die LGBTQ-Lobby bei Wahlen ihr Kreuz vor allem bei Bündnis 90/Die Grünen und der Linken. Mit der Legalisierung von Leihmutterschaft und Eizellspende könnte die FDP aber nicht nur ihr in der Kinderwunsch-Industrie tätiges Klientel zufrieden stellen, für das Frauen mit Gebärmutterhalskrebs allein gar keine Relevanz hat.

Mit Aussicht auf einigen Erfolg würde sie zugleich im Teich der Konkurrenten fischen. Dass hinter den, von ihr errichteten Potemkinschen Dörfer die Freiheit der Frauen auf der Strecke bliebe, die sich als Leihmütter verdingen, scheint sie bereit zu sein, in Kauf zu nehmen.

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