Das Auswärtige Amt möchte den „Einfluss von Glaubensrichtungen auf Gesellschaft und Politik“ sowie die „Verantwortung der Religionen für den Frieden“ besser verstehen. Dazu setzt das Amt auf die Expertise der türkischstämmigen Rechtsanwältin Nurhan Soykan, die zur offiziellen Beraterin ernannt wurde. Bei solchen Fragen müssen die verschiedenen Religionen gehört werden, doch ebenso ist Sorgfalt bei der Auswahl nötig. Frau Soykan ist Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime. Der ist zwar vor allem durch seinen Vorsitzenden Aiman Mazyek in den Medien omnipräsent, existiert aber nur als Dachverband verschiedener Vereine. Neben dem Islamischen Zentrum Hamburg, der wichtigsten Vertretung der iranischen Mullahs in Deutschland, gehört dazu die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa“.
Als Kind nach Deutschland übersiedelt
Die 1970 in der Türkei geborene Anwältin siedelte im Alter von drei Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland über. In Köln studierte sie Jura und ließ sich 2005 als Rechtsanwältin nieder. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit engagiert sie sich seit den frühen 2000er Jahren in islamischen Verbänden, darunter im Aktionsbündnis Muslimischer Frauen in Deutschland sowie als Pressesprecherin des Zentralrates. Die eloquente Aktivistin nahm auch an den Islamkonferenzen teil. Zu ihren Schwerpunkten zählen „islamischer Religionsunterricht“, „islamische Theologische Lehrstühle“, „muslimische Wohlfahrtspflege“, et cetera.
Kein harmloser Verband
Das klingt harmlos. Keinesfalls harmlos ist ihr Verband. Die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa“ ist eine Abspaltung der Auslandsvertretung der Grauen Wölfe, eine rechtsextreme national-religiöse türkische Vereinigung. Ihr Motto lautet: „Der Weg ist der Koran und das Ziel ist Turan“ (ein homogenes Großreich der Turkvölker von Zentralasien bis zur Türkei).
Al-Quds-Märsche verharmlost
Nurhan Soykan ist eine überzeugte Vertreterin dieser Ideologie. Sie hat sich zum Beispiel 2016 entschieden gegen die Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern und Assyrern/ Aramäern ausgesprochen. Zudem verharmlost sie die von Ayatollah Chomeini initiierten antisemitischen Al-Quds-Märsche, auf denen nicht nur Israels Anspruch auf Jerusalem infrage gestellt wird, sondern dessen Existenzrecht überhaupt.
Kritiker, darunter der Zentralrat der Ex-Muslime, sehen in der Berufung von Nurhan Soykan als Beraterin im Auswärtigen Amt denn auch eine gezielte Provokation gegen alle liberalen und aufgeklärte Muslime. Die regierungsnahen türkischen Medien haben die Berufung bejubelt.
In einer früheren Fassung wurde fälschlicherweise festgestellt, dass Nurhan Soykan Mitglied der "Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa" ist. Richtig ist, Nurhan Soykan ist nicht Mitglied der "Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa".
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe