Immerhin, er hat gedient. Darin zumindest unterscheidet sich Boris Pistorius von seinen Vorgängerinnen. Allerdings macht das allein aus ihm noch keinen guten Verteidigungsminister. Bundeskanzler Scholz setzt mit seiner Ernennung auf einen bewährten Ministeriums-Manager.
Pistorius weist die charakterlichen Farbtöne auf, mit denen PR-Strategen das Bild eines „Soldatenvaters“ sicherlich zeichnen können: robust, entscheidungsstark, für sozialdemokratische Verhältnisse sogar eine gewisse Schneidigkeit. Dem steht gegenüber, dass der Niedersachse bisher keine internationalen Erfahrungen gesammelt hat. In seinem Land war er zwar für Sicherheit zuständig, aber eben die innere.
Wächst da ein Konkurrent für Scholz heran?
Pistorius muss ja auch nicht zu einem „Papa Wrangel“ oder einem neuen „Marschall Vorwärts“ werden. Es würde erst einmal ausreichen, wenn er würdevoll und kompetent sein Amt ausübt. Schon daran war ja seine Vorgängerin mehrfach dramatisch gescheitert. Und hier stellt sich die Frage: Warum konnte sich Christine Lambrecht eigentlich so lange halten? Sicherlich auch, weil sie für Olaf Scholz einen guten Sündenbock darstellte. Den ganzen Unmut zog sie auf sich. Dass von dem Regierungschef nach seiner Zeitwende-Rede nicht viel zu hören war, konnte da fast schon unter den Tisch fallen.
Pistorius wird sich so sicherlich nicht abspeisen lassen. Wie überhaupt spannend werden kann, wie sich das Verhältnis zwischen ihm und dem Kanzler entwickeln wird. Pistorius hatte gegen Scholz für den SPD-Vorsitz kandidiert. Er repräsentiert genauso wie der Hamburger den realpolitischen Flügel seiner Partei. Wächst da ein Konkurrent heran? Scholz mag beruhigen, dass Verteidigungsminister in der Regel nicht zu Publikumslieblingen werden. Aber die Zeiten sind anders. Der Kanzler dachte vielleicht, er würde bloß eine Personalie lösen, holte sich aber eine Persönlichkeit ins Kabinett.
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