Als Freund staatlicher Umverteilungspolitik und Käufer umstrittener Steuer-CDs aus der Schweiz (mit gestohlenen Daten) – so profilierte sich Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans von 2010 bis 2017. Sein Profil als kerniger Linker war es auch, das ihn im Rennen um den Parteivorsitz bei den Genossen als Sieger hervorgehen ließ. Ein differenzierteres Bild ergibt sich allerdings mit Blick auf seine geistige Haltung und gesellschaftspolitische Positionierung.
Aufgewachsen in katholischem Elternhaus
Geboren 1952 in der mit dem Katholizismus einst eng verwobenen Arbeiterstadt Krefeld wuchs Walter-Borjans in einem katholischen Elternhaus auf. Als Kind war er Messdiener und besuchte das im Jahr 1632 als bischöfliche Lateinschule gegründete Gymnasium Fabritianum in Krefeld-Uerdingen. Das prägte. Doch mit Anfang 30 kehrte er der Kirche den Rücken. Heute steht mit Norbert Walter-Borjans, Spitzname Nowabo, der erste Konfessionslose seit 1964 an der Spitze der SPD. Das wiegt umso mehr, da auch seine Co-Vorsitzende Saskia Esken nach Angaben der evangelischen Nachrichtenagentur idea zwar katholisch getauft, aber „seit vielen Jahren konfessionslos“ ist.
Mitte der 1980er Jahre habe er die Kirche verlassen, sagte Walter-Borjans 2014 der Wochenzeitung „Die Zeit“. Damals seien Hirtenbriefe von der Kanzel verlesen worden – „mit klarer parteipolitischer Empfehlung, die mir als Sozialdemokrat nicht das Gefühl gab, willkommen zu sein“. Dennoch ließen Walter-Borjans und seine Ehefrau, von der er heute getrennt lebt, ihre vier Kinder taufen. Das sei bewusst geschehen. Sein Kirchenaustritt habe an seiner christlichen Grundhaltung nichts geändert. Er sehe sich als „wohlwollend konfessionslos“, sagt der heute mit seiner neuen Lebensgefährtin in Köln lebende Politiker.
Staatliche Gesetze auch in religiösen Einrichtungen
Im Vorfeld ihrer Wahl bezogen Esken und Walter-Borjans bei der Gruppe „Säkulare Sozialdemokrat_innen“ Stellung. Sie bejahen die Frage, ob sie sich für die Durchsetzung der staatlichen Gesetze auch in religiösen Einrichtungen einsetzen werden. Aus ihrer Sicht ist es eine falsche Auslegung des Grundgesetzes, den Religionsgemeinschaften hier weitreichende Abweichungen von den allgemeinen Regeln zu gestatten. „Normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne sakrale Funktion sollten vollumfänglich unter die Regelungen des Arbeitsrechts fallen.“
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