85 Kerzen durfte sie am 2. Februar ausblasen. Im Ruhestand ist die den „Missionsschwestern Unserer Lieben Frau von Afrika“ zugehörige Ordensfrau deshalb noch lange nicht. Seit vierzig Jahren ist Schwester Lea Ackermann weltweit eine der herausragenden Figuren im Kampf gegen Zwangsprostitution und Ausbeutung. Tausenden Frauen hat das von ihr gegründete internationale Hilfswerk SOLWODI (Solidarity with Women in Distress) zu einem menschenwürdigen Leben verholfen.
Mit nichts außer Gottvertrauen
„Abenteuerlustig und fromm“ sei sie ihren eigenen Worten nach gewesen, als sie 1960 nach einer Banklehre mit 23 Jahren ins Mutterhaus der „Weißen Schwestern“ in Trier eintrat. Zu Beginn der 80er Jahre wurde sie von ihrem Orden als Lehrerin nach Mombasa geschickt. Dort berührte sie das Schicksal vieler junger Frauen, die sich durch den Verkauf ihres Körpers, oft an westliche Touristen, ihren Lebensunterhalt verdienen mussten.
Mit nichts außer ihrem Gottvertrauen begann sie, die Frauen von der Straße zu holen. Dabei habe sie einen „Deal mit dem Herrgott“ gemacht, erzählt sie: „Ich kümmere mich um deine chancenlosen Töchter, lass du mich bloß nicht hängen! Und er hat mich nicht hängen lassen, bis heute nicht.“ Schwester Lea schrieb Briefe an ihre Bekannten in Deutschland, um die Mittel für den Ausbau eines ersten Schutzhauses zusammenzubekommen. Daraus entstand 1985 der Verein SOLWODI, der heute in Kenia 34 Beratungsstellen und Ausbildungszentren unterhält und Frauen aus der Zwangsprostitution befreit, indem er ihnen Schulbildung und Arbeit verschafft.
Kirchenpolitisch nimmt sie kein Blatt vor den Mund
In Deutschland hilft SOLWODI mit 19 Beratungsstellen und sieben Schutzhäusern ausländischen Frauen, die hier Opfer von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung oder Zwangsheirat wurden. Das Hilfswerk existiert mittlerweile auch in Ruanda, Nigeria, Österreich, Rumänien und Ungarn. Für ihr unermüdliches Wirken erhielt Schwester Lea zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2012 das Große Bundesverdienstkreuz. 2020 gründete sie die „Lea Ackermann Stiftung“ für Kinder in Not.
Auch kirchenpolitisch nimmt die Fünfundachtzigjährige kein Blatt vor den Mund. Sie könne es nicht verstehen, dass Frauen nicht gleichwertig in alle Ämter und Weihen eingesetzt würden. Doch ist sie nach eigenen Worten keine Theoretikerin, sondern Praktikerin. Im Mittelpunkt ihres Lebenswerks steht ein vom christlichen Menschenbild geleitetes Missionsverständnis: „Das sind Kinder Gottes, die haben Gaben und Fähigkeiten, nie hat jemand geholfen, dass die zum Ausdruck kommen! Da will ich helfen und der liebe Gott soll den Rest machen.
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