Auf den ersten Blick mag man in der Forderung von Bundesfamilienministerin Lisa Paus, das Verbot vorgeburtlicher Kindstötungen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, kaum mehr als eine Geschmacklosigkeit sehen. Wenn auch eine, die ihresgleichen sucht. Ausgerechnet am Tag des Requiems, mit dem sich Gläubige und Staatoberhäupter aus der ganzen Welt von dem verstorbenen Papst Benedikt XVI. verabschiedeten, forderte die Grüne, die Tötung unschuldiger und wehrloser Kinder im Mutterleib straflos zu stellen, wo deren Mütter sie als „unerwünscht“ deklarieren. Natürlich sagt Paus das nicht so. Die Kinder, um deren Leben es geht, werden von ihr nicht einmal erwähnt.
Nicht stigmatisieren
Paus geht es vorrangig darum, „dass Frauen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen“, nicht „stigmatisiert“ werden. Schon klar. Wo kämen wir hin, wenn die Beauftragung eines Arztes mit der Tötung des eigenen Kindes – ein Vorgang, der sich in Deutschland jedes Jahr rund hunderttausendfach ereignet – Wählern eine schlaflose Nacht oder gar ein schlechtes Gewissen bereitete? Der barbarischen Wirklichkeit zumindest ein Stück näher.
Menschen überwinden
Auf den zweiten Blick fügt sich die Weigerung, Menschen, die geschlechtlich miteinander agieren, auch für die Folgen, die sich daraus ergeben, verantwortlich zu halten, passgenau in ein noch größeres Bild ein. Denn die Leugnung dessen, dass es auch eine „Ökologie des Menschen“ (Benedikt XVI.) gibt, die es zu beachten gilt, ist Wasser auf die Mühlen derer, die den Menschen mithilfe der Technik überwinden und nach eigenen Vorstellungen neu entwerfen wollen. Mögen die Ziele der Transhumanisten – Steigerung der physischen und psychischen Kräfte, Überwindung des Alterns, Unsterblichkeit – noch so utopisch sein, der Preis, den die Menschheit für die Versuche ihrer Verwirklichung zahlen wird, wird nicht nur hoch, sondern ganz real sein.
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